Auf die Ampel-Koalition warten fünf große Baustellen
Corona, Finanzen, Klima, Zuwanderung und Rechtsstaatlichkeit – Was die neue Regierung zuerst angehen muss
- Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist 177 Seiten dick – eine Arbeit für vier Jahre. Wir nennen fünf Punkte, an denen die Koalition in ihren ersten Monaten nicht vorbeikommen wird.
Corona Was Corona für die neue Bundesregierung bedeutet, zeigte sich schon vor ihrem offiziellen Amtsantritt – die Ampel-Fraktionen nahmen mit dem Auslaufen der „epidemischen Lage nationaler Tragweite“diverse harte Maßnahmen der Pandemiebekämpfung aus dem Spiel. Aus der Überzeugung heraus, die Geimpften nicht weiter ihrer Freiheitsrechte berauben zu dürfen. Nur passte die Entwicklung der Inzidenzen und die Lage auf den Intensivstationen nicht zu solchen Lockerungen. Und so schärfte die Ampel im Bundestag die Maßnahmen nach – gleich zweimal.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat denn auch bei seiner Amtseinführung das Beenden der Pandemie zur vordringlichsten Aufgabe erklärt. Dazu gehöre, 30 Millionen Impfungen in den letzten sechs Wochen des Jahres zu erreichen. Und im neuen Jahr müsse man die Kampagne dann mit OmikronVakzinen weiterführen.
Finanzen Als eine seiner ersten Amtshandlungen als Finanzminister muss Christian Lindner (FDP) den Bundeshaushalt 2022 samt der mittelfristigen Finanzplanung bis 2025 aufstellen. Bevor der Bundestag nicht beides beschlossen hat, darf die Ampel keine neuen Projekte anfangen, sondern nur bereits Laufendes
fortführen. Der Neue im Amt hat bereits angekündigt, dass er mit der dort vorgesehenen Neuverschuldung von knapp 100 Milliarden Euro trotz neuer Pläne auskommen will. So viele neue Kredite sind nur möglich, wenn der Bundestag zum dritten Mal wegen Corona eine Ausnahme von der Schuldenbremse beschließt. Lindner hat fest versprochen, diese Vorschrift im Grundgesetz ab 2023 wieder einzuhalten.
Klima Klimapolitisch hat sich die Ampelkoalition einiges vorgenommen. 80 Prozent des Stromverbrauchs soll 2030 aus erneuerbaren Quellen stammen – und das bei einem höheren Verbrauch als jetzt. Irgendwoher muss die Energie für die 15 Millionen E-Autos ja herkommen, die zu diesem Zeitpunkt unterwegs sein sollen. Denn „idealerweise“sollen dann keine Kohlekraftwerke mehr am Netz sein. Damit dieser extrem ambitionierte Plan gelingt, muss das Planungsrecht so schnell wie möglich gestrafft werden. Bisher dauert der Genehmigungsvorgang für ein Windrad oft Jahre. Um Konflikte mit anderen Politikzielen wie dem Artenschutz auszuräumen, ist zudem geplant, dem Ausbau der Erneuerbaren eine per Gesetz höhere Priorität einzuräumen, indem man sie zu „öffentlichem Interesse“erklärt. Das müsste schnell angegangen werden.
Zuwanderung Der wachsende Antisemitismus, die steigende Zahl rechtsextremer Straftaten, Hass und Hetze im Internet – die Woche der neuen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) könnte mindestens zehn
Tage haben, wenn sie allen dringlichen Aufgaben gerecht werden wollte. Der größte Brocken dürfte allerdings die Migrations- und Integrationspolitik sein. Kaum ein Thema hat die Deutschen in den vergangenen Jahren emotional so aufgewühlt wie dieses – und dass es nicht gelöst ist, zeigt die Belarus-Krise. Die Ampel-Regierung hat im Koalitionsvertrag festgehalten, „irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration ermöglichen“zu wollen. Konkret heißt das, sie will gleichzeitig Asylverfahren beschleunigen und eine „Rückführungsoffensive“, insbesondere für Straftäter und Gefährder, starten. Zudem soll es für Fachkräfte aus dem Ausland leichter werden, in Deutschland zu arbeiten.
Rechtsstaatlichkeit Deutschland wird sich nicht drücken können, wenn es um die Entscheidung geht, wie die EU künftig mit Brüchen von Rechtsstaatlichkeit innerhalb und außerhalb des Bündnisses umgeht. War Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch relativ nachsichtig, was die Abkehr von diesen Prinzipien anbetraf, so hat die Ampel eine „wertebasierte Außenpolitik“versprochen und eine härtere Linie gegenüber EU-Mitgliedstaaten und autoritären Regimen wie China angekündigt. Die ersten Bewährungsproben stehen direkt bevor. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wird am Wochenende am Treffen der G7Außenminister teilnehmen, bei dem es neben Corona auch um die Lage der Menschenrechte weltweit gehen wird. Und kommende Woche wird Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim EUGipfel auf die Ministerpräsidenten von Ungarn und Polen treffen, die mit ihrer Politik ins Visier der EUKommission geraten sind.