So schön war einst der Gasthof Traube
Ortsheimatpfleger Andreas Durrer erstellt mit Modellbauer Jürgen Kranz ein Modell des historischen Gebäudes
- Das Gasthaus Traube ist ein Stück Bodolzer Geschichte, das viele noch in Erinnerung haben. Nicht nur, weil es an seinem Standort auf der Hügelkuppe über dem Bahnhof Enzisweiler eine exponierte Lage hatte, sondern weil es für Bodolz in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle spielte. Nachdem es vor über 40 Jahren abgerissen und an dessen Stelle das Einkaufszentrum errichtet wurde, drohte die Traube in die Vergessenheit zu versinken.
Dem will Andreas Durrer entgegenwirken indem er die Erinnerung daran wieder aufleben lässt: Der Ortsheimatpfleger hat vom Bodolzer Hobbybastler Jürgen Kranz ein Modell anfertigen lassen, das vorerst im Rathaus und später in der neuen Bücherei ausgestellt sein wird und die Geschichte dieses historischen Gebäudes erzählt. „Die Traube war für Bodolz bedeutsam“, weiß Ortsheimatpfleger Andreas Durrer. Das ist auch der Grund, warum er die Erinnerung an das einstige imposante Gasthaus aufrechterhalten will.
Wer die Geschichte der Traube kennt, versteht die Motivation des Ortsheimatspflegers. „Das neu entstandene Hotel Traube war ein eindrucksvolles Gebäude“, heißt es dazu auch in der Bodolzer Ortschronik. Der Reutiner Karl Ferdinand Vosseler hatte 1911 die Traube an die Stelle der abgebrannten Schmid’schen Wirtschaft erbaut und sich dabei offensichtlich nicht lumpen lassen.
Denn, so schildert der Chronist Karl Heinz Burmeister weiter, man gelangte „vom Bahnhof Enzisweiler durch einen Triumphbogen, der in den dem Haus vorgelagerten Gartenanlagen
stand, über eine Treppe von zehn Stufen durch mit Rosen bewachsenen Bögen zum Hotel“. Später wurde dann sogar eine kleine Tankstelle hinzugebaut, die an der Staatsstraße gelegen war.
Bereits 1913 war für die Traube eine eigene Schlachterei eingerichtet worden. Alles in allem Zeichen dafür, dass sich das geschichtsträchtige Haus im Lauf der Jahre mehr und mehr zu einem leistungsfähigen touristischen Unternehmen entwickelt hatte.
Zugute kam dem Gasthof dabei sicher, dass er nur „fünf Minuten vom Bade Schachen“entfernt und obendrein noch am „Fusse des Hoierberges“lag. Touristische Pluspunkte, mit denen zuvor schon die Schmid’sche Wirtschaft geworben hatte. Der Fremdenverkehr in Bodolz hatte mit dem Bau des Bahnhofs Enzisweiler Ende des 19. Jahrhunderts an Fahrt aufgenommen und die Traube war schon bald das „erste Haus am Platze“, wie Burmeister herausgefunden hatte.
Seine Blütezeit dürfte das Haus zwischen 1919 und 1931 erlebt haben, nachdem es Dr. Georg Löwenstein, der einzige Bodolzer Mitbürger jüdischen Glaubens und großzügiger Gönner der Gemeinde für 265 500 Mark gekauft hatte. Wie Andreas Durrer aus einem erst kürzlich erhaltenen Kaufvertrag erfahren hat, entfielen von der Kaufsumme 165 000 Mark auf die Immobilie und 100 000 Mark auf das Inventar.
Angesichts dieser Summe muss die Ausstattung ebenso prächtig gewesen sein wie die Räumlichkeiten, von denen es zahlreiche gab. So gab es neben einem Speisesaal mit ausgestopftem Raubvogel noch ein Frühstückszimmer, eine Bauernstube, eine Schenke, ein Büro und 35 Gästezimmer. Darüber hinaus einen Weinkeller mit sechs Eichenfässern und einen Stall mit Schweinen.
Nachdem die Traube 1931 über ein Zwangsversteigerungsverfahren an die Bodolzer Darlehnskasse und 1933 an Johann Lingenheil gelangt war, wollte der neue Hotelier 1935 darin eine Tanzbar einrichten und ein Jahr später pikanterweise eine sogenannte „Herrenbar“. Auch wenn die Gemeinde diese Art von Vergnügen ablehnte, fanden in der Traube dennoch Faschingsbälle, Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen statt. Und, zumindest in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 auch Gemeinderatssitzungen. In dieser Zeit wehte vom Dach der Traube die Hakenkreuzfahne
der Nationalsozialisten. Zwischen 1943 und 1944 wurde das Gasthaus zudem von der deutschen Kriegsmarine frequentiert.
Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, spielte die Traube eine wesentliche Rolle beim Aufbau der französischen Flugzeugtechnologie. Die beiden französischen Firmen Centre Technique Wasserbourg (CTW) und Turboméca S.A. bemühten sich deutsche Triebwerkspezialisten zu gewinnen. Sie brachten dort zwischen 1946 und 1947 zahlreiche renommierte deutsche Physiker, Mathematiker, Techniker und Ingenieure unter.
Zu dieser Zeit war die Traube bereits im Besitz von Heinrich Rueß und seiner Frau Dominika, die das geschichtsträchtige Gasthaus insgesamt 40 Jahre lang und bis zu dessen Abriss betrieben. 1948 wurde in der Traube noch ein letztes Mal Geschichte geschrieben. Nämlich als dort die neunte und letzte Interzonenkonferenz der Gewerkschaften
Ortsheimatpfleger
Andreas Durrer vor dem Zerfall der Welt in Ost und West stattfand – ein aus historischer Perspektive bedeutendes Ereignis. Damals stand das Bodolzer Gasthaus sogar im Fokus der internationalen Presse.Die Traube spielte also im Laufe ihrer 67-jährigen Geschichte eine bedeutsame Rolle für den Bodolzer Fremdenverkehr, für das gesellschaftliche Leben sowie für die kleine Gemeinde- und die große Politik. Zudem war sie wichtiger Wirtschaftsfaktor und in ihren besten Zeiten Arbeitgeber für 150 Mitarbeiter zahlreicher Berufsgruppen.
Kein Wunder also, dass Ortsheimatpfleger Andreas Durrer das Andenken an jenes „stolze und für seine Zeit bedeutsame Gebäude“, wie er sagt, aufrecht erhalten will. Mit dem Bodolzer Jürgen Kranz hat er einen Mann gefunden, der ihm dabei behilflich war. Als Grundlage für die Mini-Traube dienten dem Modellbauer verschiedene Postkarten aus unterschiedlichen Zeiten.
Das Problem war dabei, so erläutert Durrer, dass nirgendwo mehr Baupläne existierten und dass das Gebäude zwischen 1911 und seinem Abriss 1978 mehrfach umgebaut wurde. Das Modell, das der Hobbybastler in unzähligen Stunden und in einer Mischung aus akribischer Handarbeit und topmoderner Lasertechnik von der Traube angefertigt hat, bildet letztendlich einen Querschnitt aus allen Zeiten ab.
Zu sehen ist das Modell ab sofort im Bodolzer Rathaus. Sobald dann die neue Gemeindebücherei im Koeberle fertig ist, soll es dort ausgestellt werden. Damit es so viele Bodolzer wie möglich sehen – und damit die Traube nicht doch noch in Vergessenheit gerät.