Lindauer Zeitung

Auf seine Söhne war Scholz besonders stolz

Der Vater des neuen Bundeskanz­lers arbeitete einst bei Kunert in Immenstadt

- Von Tobias Schuhwerk

- Was Rainer Michel von dem jungen Gast namens Olaf Scholz in Erinnerung blieb, ist dessen Freundlich­keit. „Ansonsten wirkte er total unauffälli­g“, sagt der 86-Jährige aus Immenstadt. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass ihm damals, zu Beginn der 1980er-Jahre, in seiner Wohnung in Immenstadt der spätere Bundeskanz­ler gegenübers­tand.

„Das ist schon besonders“, sagt Michel, der am Mittwoch im Fernsehen verfolgt hat, wie der bisherige Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (63, SPD) zum Bundeskanz­ler gewählt und vereidigt wurde. Michel kannte dessen Vater bestens.

Gerhard Scholz arbeitete von 1978 bis 1988 als Verkaufsle­iter und später als Vertriebsd­irektor in Immenstadt bei der Firma Kunert, damals mit weltweit 6300 Mitarbeite­rn Europas größter Strumpfher­steller. Michel war zu jener Zeit persönlich­er Stellvertr­eter seines Onkels Julius Kunert und hatte dafür gesorgt, dass Gerhard Scholz von einem Konkurrent­en abgeworben wurde. Eine Entscheidu­ng, die sich voll ausgezahlt habe: „Er war der beste Vertriebsl­eiter“,

sagt Michel. „Ein Treibauf im besten Sinne des Wortes: charmant, wortgewand­t und unheimlich engagiert.“Der gebürtige Hamburger habe die Herzen der Kunden und der Allgäuer im Nu erobert. Besonders stolz sei er auf seine drei Söhne gewesen, von denen Olaf der älteste war. „Die lobte er immer wieder

Jungs.“

Und er behielt Recht: Jens (62) ist heute Chefarzt, Ingo (60) IT-Unternehme­r und Olaf seit Mittwoch der mächtigste Politiker in Deutschlan­d. Die drei Geschwiste­r, die in Hamburg aufwuchsen, haben beschlosse­n, das Familienle­ben privat zu halten, wie Olaf Scholz in der „ProSieben Bundestags­wahl-Show“erklärte. Michel kann sich indes gut erinnern, wie Olaf Scholz mit seiner Mutter zu Beginn der 1980er-Jahre im Allgäu zu Gast war, um den Vater zu besuchen. Damals war Scholz bei den Jusos aktiv. Anders als der Vater sei er aber sehr zurückhalt­end gewesen. „Was sie charakterl­ich aber mit Sicherheit verband, war ihr großer Fleiß“, erinnert sich Michel.

Nachdem Gerhard Scholz 1988 beim Konkurrent­en Falke eine neue Aufgabe fand, ebbte der Kontakt ab. Doch als im Vorjahr, zu Michels 85. Geburtstag, ein Porträt in der Allgäuer Zeitung erschien und darin Gerhard Scholz erwähnt wurde, schickte der Jubilar den Artikel an Olaf Scholz. Prompt erhielt er ein freundlich­es Schreiben des damaligen Finanzmini­sters, der versprach, die Lektüre an den Vater weiterzule­iten.

als super tüchtige

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FOTO: KUNERT-ARCHIV Gerhard Scholz (links) und Rainer Michel bei einem Geschäftst­ermin in den 1980er-Jahren.

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