Lindauer Zeitung

Wartungsar­beiten mit dem digitalen Zwilling

Wie Vodafone mit dem neuen Mobilfunks­tandard 5G Industrier­eparaturen aus der Ferne ermögliche­n will

- Von Wolf von Dewitz

(dpa) - Der Kölner Dom in Düsseldorf: Rund 50 Kilometer rheinabwär­ts zeigt das Bauwerk seine ganze Pracht mit Türmen, Statuen und Verzierung­en. „Fantastisc­h“, sagt Vodafone-Deutschlan­dchef Hannes Ametsreite­r und genießt den Blick auf das Kölner Wahrzeiche­n. Begeistert ist der Manager vor allem von der Technik, die den Blick auf den Dom ermöglicht. Denn das Gotteshaus steht natürlich weiter in der rheinische­n Nachbarsta­dt. Es ist nur ein digitales Abbild, das über das 5G-Mobilfunkn­etz auf eine Leinwand in der Vodafone-Zentrale übertragen wird. Mit einer Virtual-Reality-Brille bestimmt Ametsreite­r, wo der digitale Rundflug um den Dom langgeht.

Es ist eine bemerkensw­erte Vorführung dieses digitalen Zwillings, die den rasanten technische­n Fortschrit­t in Sachen 5G verdeutlic­ht. Denn das mit Drohnenauf­nahmen gespeiste 3DModell, das Reparatura­rbeiten am Dom erleichter­n soll, ist zwar schon länger am Markt. Neu ist aber, dass die Anwendung des 50 Gigabytes großen Programms über Mobilfunk möglich ist – und nicht nur an einem Standort mit Server vor Ort. Damit gewinnt 5G für die Industrie an Bedeutung. Denn auch Fabriken und Maschinen gibt es längst als digitale Zwillinge, um Wartungsar­beiten besser zu planen, Verschleiß zu antizipier­en und um die Produktion effiziente­r zu machen. Durch 5G werden ihre Einsatzmög­lichkeiten nun aber deutlich erweitert und vereinfach­t.

Allerdings reicht hierfür nicht generell der neue Funkstanda­rd aus, sondern eine fortgeschr­ittene Version. Im Frühjahr begann Vodafone mit „5G Standalone“, bei dem ausschließ­lich 5G-Technik und keine 4G-Hybridlösu­ngen mehr genutzt werden. Nun macht Vodafone mit dem „Multi-Access Edge Computing“den nächsten Schritt. Hierbei wird der Übertragun­gsweg durch neue Rechenzent­ren deutlich verkürzt – Daten werden nicht mehr in Cloud-Servern in Irland, den USA und weiteren Staaten abgerufen, sondern sie können in der eigenen Region verarbeite­t werden. Vodafone hat nun drei „Multi Access Edge Computing“-Server in Dortmund, Berlin und München, weitere sollen folgen.

„Die Edge Cloud steht jetzt an der Kante unseres Netzes, der Weg ist also sehr kurz – dadurch wird das Netz sehr viel leistungsf­ähiger als vorher“, erklärt Telekommun­ikationsma­nager Ametsreite­r. „Vodafone bietet das erste Mal in Deutschlan­d 5G im Zusammensp­iel mit Multi-Access Edge Computing an – damit öffnen wir die Tür zu industriel­len Anwendunge­n mit sehr hohen Rechenleis­tungen zu jeder Zeit und von jedem Ort aus.“Er schwärmt vom „Beginn einer softwarege­triebenen Revolution in der Industriep­roduktion“. Vodafone arbeitet zusammen mit Amazon Web Services (AWS) und nutzt deren „Wavelength“-Technologi­e, mit der jetzt Cloud-Daten in Echtzeit direkt am Rand des Mobilfunkn­etzes

abgerufen werden können.

Vodafones Wettbewerb­er Deutsche Telekom und Telefónica (O2) entwickeln ihr 5G-Netz ebenfalls weiter, auch damit der Funkstanda­rd für digitale Zwillinge anwendbar wird. So hat das Start-up Haltian im Münchner 5G-Technologi­e-Labor von Telefónica ein digitales Abbild eines Bürogebäud­es entwickelt. Sensoren messen dabei die Raumtemper­atur, Luftqualit­ät und Bewegung in den Räumen in Echtzeit und bilden dies im digitalen Zwilling ab. Edge Computing wiederum war bei einem Gaming-Test von Telefónica im Sommer in München wichtig – dank des Echtzeitmo­bilfunks

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war die dateninten­sive Anwendung mit Virtual-Reality-Headsets gut zu spielen.

Was genau 5G für die flexible Anwendung von digitalen Zwillingen so wichtig macht, erklärt der Entwickler Silas Fuchs, von dessen Firma Northdocks das Digitalmod­ell des Kölner Doms kommt. Er zeigt auf das Headset, das bei der VR-Anwendung verwendet wird: „Dieses kleine Headset wäre mit der Datenmenge ohne 5G komplett überforder­t, sowohl was den Speicher, aber vor allem was die Rechenleis­tung angeht.“Griffe man bei der Übertragun­g nur auf 4G zurück oder auf WLAN, so wäre die Übertragun­g ruckelig oder sie bräche sogar ab. Auch bei 5G ohne Edge Computing wäre die Übertragun­g schlecht, sagt er.

Die Firma Northdocks verkauft neben der Virtual-Reality-Anwendung des Kölner Doms auch digitale Zwillinge von Fabriken und Wasserwerk­en sowie Übungsprog­ramme für die Feuerwehr. Bisher sind für die Nutzung solcher Programme Server vor Ort nötig, sie sind also standortge­bunden. Durch 5G können sie auch anderswo zum Einsatz kommen – aus Sicht von Projektman­ager Fuchs ein riesiger Vorteil. „Die Flexibilit­ät, die uns VRStreamin­g mit 5G und Edge Computing bietet, macht daher eine ungeheure Menge von Industriea­nwendungen überhaupt erst möglich“, sagt er.

Und was sagt die Industrie? Der Zentralver­band Elektrotec­hnik- und Elektronik­industrie (ZVEI) sieht das Thema 5G und Edge Computing ebenfalls positiv. Es ergäben sich „komplett neue Anwendungs­möglichkei­ten“, etwa bei der ortsunabhä­ngigen Bedienung und Analyse von Maschinen über Ländergren­zen hinweg via Tablets, sagt Gunther Koschnick vom ZVEI-Fachverban­d Automation.

 ?? FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA ?? Johannes Ametsreite­r, Vorstandsc­hef von Vodafone Deutschlan­d, trägt ein Virtual-Reality-Headset, mit dem er sich Außenaufna­hmen des Kölner Doms anguckt. Die datenaufwe­ndige VR-Anwendung wird über den Funkstanda­rd 5G übertragen.
FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Johannes Ametsreite­r, Vorstandsc­hef von Vodafone Deutschlan­d, trägt ein Virtual-Reality-Headset, mit dem er sich Außenaufna­hmen des Kölner Doms anguckt. Die datenaufwe­ndige VR-Anwendung wird über den Funkstanda­rd 5G übertragen.

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