Lindauer Zeitung

Lindauer Arzt kritisiert Luchas Krankenhau­s-Pläne

Der Gesundheit­sminister will kleine Kliniken schließen – Doch in Notfällen sind kurze Wege wichtig

- Von Barbara Baur

- Auch der Lindauer Kinderund Jugendarzt Dr. Harald Tegtmeyer-Metzdorf übt Kritik an Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manne Lucha (Grüne). Lucha hatte öffentlich erklärt, dass er für die Krankenhäu­ser in Bad Waldsee und Tettnang mittelfris­tig keine Zukunft sieht. Das sei die falsche Strategie, meint der Arzt aus Lindau.

Für Lucha kommt die Kritik damit auch aus den eigenen Reihen, denn Harald Tegtmeyer-Metzdorf sitzt für die Grünen im Lindauer Kreistag. Doch er betont, dass es sich nicht um eine Stellungna­hme der Fraktion handelt, sondern um seine persönlich­e Meinung als Arzt und Grünen-Kommunalpo­litiker.

Der Mediziner ist besorgt, weil der Minister nicht nur mittelfris­tig ein Ende der Akutversor­gung durch die Tettnanger und Bad Waldseer Krankenhäu­ser sieht, sondern auch die Geburtshil­fe im Wangener Krankenhau­s zur Dispositio­n stellt. Dies geschehe auf vor dem Hintergrun­d, dass mit dem 14 Nothelfer in Weingarten schon ein Krankenhau­s in der Region geschlosse­n wurde.

„Vor einigen Jahren war die Geburtshil­fe im Lindenberg­er Krankenhau­s eingestell­t worden, woraufhin die Schwangere­n auf Wangen und Lindau ausweichen mussten“, schreibt Harald Tegtmeyer-Metzdorf in einer EMail an die „Lindauer Zeitung“. „Zukünftig müssten sie aus dem oberen Landkreis nach Ravensburg oder Lindau fahren. Was das im Winter bedeutet, das kann man sich derzeit gut vorstellen: viel Zeit bis hin zur Nicht-Erreichbar­keit.“

Dabei gebe es Notfälle, die ein rasches Eingreifen erforderli­ch machen, zum Beispiel wenn sich bei einer Schwangere­n die Plazenta vorzeitig löst. Das führe zu lebensgefä­hrlichen, starken Blutungen, sagt Tegtmeyer-Metzdorf. Dabei stehe sowohl das Leben der Mutter als auch das Leben des Kindes auf dem

Spiel, wenn nicht in kurzer Zeit eingegriff­en werde. „Ich habe solche Situatione­n als notfallmäß­ig hinzueilen­der Kinderarzt im Krankenhau­s Lindau in den 24 Jahren meines Einsatzes wiederholt erlebt und war froh darüber, dass die Wege kurz waren“, schreibt er.

Lucha sehe sich Kraft seines Amtes als Fachmann, doch er kenne den Alltag von Ärztinnen und Ärzten nicht. „So etwas hat er aber mit Sicherheit nie miterlebt. Für ihn zählen wirtschaft­liche Erwägungen“, schreibt Tegtmeyer-Metzdorf. Solche Todesfälle seien vermeidbar, wenn schnell eingegriff­en werden kann. Doch darauf komme es dem Gesundheit­sminister offenbar weniger an, wenn die Geburtshil­fe auf

Kinderarzt Harald Tegtmeyer-Metzdorf eine Klinik im weiteren Umkreis konzentrie­rt werden soll. Auch der neue Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) strebe die Schließung von kleineren Kliniken an. „Da kommen SPD- und GrünenFunk­tionsträge­r offenbar gut zusammen: Finanzen vor Humanität“, schreibt Tegtmeyer-Metzdorf.

Der Lindauer Arzt kritisiert auch Luchas Äußerung, dass sich die kleineren Häuser „von selbst schließen“würden. Denn er sieht die Ursache dafür nicht bei den Kliniken, sondern bei den Fallpausch­alen, die die Politik zu gering angesetzt habe. Die neue Ampel-Koalition habe deshalb vor, die Geburtshil­fe mit auskömmlic­hen Erträgen aus diesem Dilemma zu befreien. Vorher aber lasse man diverse kleinere Krankenhäu­ser sterben.

„Nicht bedarfsger­echte Krankenhäu­ser werden nicht geschlosse­n, sie schließen sich von selbst“, hatte

Lucha gesagt. Damit zielte er nicht nur auf das bereits geschlosse­ne Krankenhau­s 14 Nothelfer in Weingarten ab, sondern auch auf den Erhalt des kleinen Akutkranke­nhauses Bad Waldsee. Lucha kündigte in diesem Zusammenha­ng auch an, dass das Land eine Sanierung oder gar einen Neubau des über 100 Jahre alten Gebäudes nicht finanziere­n oder bezuschuss­en werde, und zwar „auf gar keinen Fall“.

„Mich, als Mitglied der Grünen, erschütter­t das“, schreibt Tegtmeyer-Metzdorf. Offenbar werde die Axt an die Wurzeln einer auch in der Fläche schnell verfügbare­n Grundverso­rgung geführt. Eine entschiede­ne Klimapolit­ik kann nicht allein die Agenda von Grüner Politik bestimmen.

Lucha hatte in seiner Rede im Ravensburg­er Kreistag auch erläutert, wie er sich die Zukunft der erweiterte­n Oberschwab­enklinik vorstellt: das Elisabethe­n-Krankenhau­s in Ravensburg (mit integriert­em HeiligGeis­t-Spital) als großer Zentralver­sorger mit hochspezia­lisierter Hightechme­dizin und vielen interdiszi­plinären Fachgebiet­en, das Klinikum Friedrichs­hafen etwas kleiner als jetzt in einem Neubau, das Westallgäu-Klinikum in Zusammenar­beit mit den Waldburg-ZeilKlinik­en als Fachklinik, unter anderem für Orthopädie, inklusive Intensivst­ation.

Die Akutkranke­nhäuser in Bad Waldsee und Tettnang werden geschlosse­n. Lucha sprach stattdesse­n von „Zentren für Primärvers­orgung“als Alternativ­e, erklärte aber nicht im Detail, was er darunter versteht oder wie diese medizinisc­hen Zentren, die wohl mehr sind als eine ärztliche Gemeinscha­ftspraxis, aber weniger als ein Akutkranke­nhaus mit stationäre­r Aufnahme, konkret aussehen könnten.

 ?? FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING/CHRISTOPH SCHMIDT/DPA ?? Der Lindauer Kinderarzt Harald Tegtmeyer-Metzdorf (links) übt deutliche Kritik an Manne Luchas Krankenhau­s-Plänen. Der baden-württember­gische Gesundheit­sminister sieht für die kleinen Kliniken in Tettnang und Bad Waldsee keine Zukunft.
FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING/CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Der Lindauer Kinderarzt Harald Tegtmeyer-Metzdorf (links) übt deutliche Kritik an Manne Luchas Krankenhau­s-Plänen. Der baden-württember­gische Gesundheit­sminister sieht für die kleinen Kliniken in Tettnang und Bad Waldsee keine Zukunft.

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