Lindauer Arzt kritisiert Luchas Krankenhaus-Pläne
Der Gesundheitsminister will kleine Kliniken schließen – Doch in Notfällen sind kurze Wege wichtig
- Auch der Lindauer Kinderund Jugendarzt Dr. Harald Tegtmeyer-Metzdorf übt Kritik an Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Lucha hatte öffentlich erklärt, dass er für die Krankenhäuser in Bad Waldsee und Tettnang mittelfristig keine Zukunft sieht. Das sei die falsche Strategie, meint der Arzt aus Lindau.
Für Lucha kommt die Kritik damit auch aus den eigenen Reihen, denn Harald Tegtmeyer-Metzdorf sitzt für die Grünen im Lindauer Kreistag. Doch er betont, dass es sich nicht um eine Stellungnahme der Fraktion handelt, sondern um seine persönliche Meinung als Arzt und Grünen-Kommunalpolitiker.
Der Mediziner ist besorgt, weil der Minister nicht nur mittelfristig ein Ende der Akutversorgung durch die Tettnanger und Bad Waldseer Krankenhäuser sieht, sondern auch die Geburtshilfe im Wangener Krankenhaus zur Disposition stellt. Dies geschehe auf vor dem Hintergrund, dass mit dem 14 Nothelfer in Weingarten schon ein Krankenhaus in der Region geschlossen wurde.
„Vor einigen Jahren war die Geburtshilfe im Lindenberger Krankenhaus eingestellt worden, woraufhin die Schwangeren auf Wangen und Lindau ausweichen mussten“, schreibt Harald Tegtmeyer-Metzdorf in einer EMail an die „Lindauer Zeitung“. „Zukünftig müssten sie aus dem oberen Landkreis nach Ravensburg oder Lindau fahren. Was das im Winter bedeutet, das kann man sich derzeit gut vorstellen: viel Zeit bis hin zur Nicht-Erreichbarkeit.“
Dabei gebe es Notfälle, die ein rasches Eingreifen erforderlich machen, zum Beispiel wenn sich bei einer Schwangeren die Plazenta vorzeitig löst. Das führe zu lebensgefährlichen, starken Blutungen, sagt Tegtmeyer-Metzdorf. Dabei stehe sowohl das Leben der Mutter als auch das Leben des Kindes auf dem
Spiel, wenn nicht in kurzer Zeit eingegriffen werde. „Ich habe solche Situationen als notfallmäßig hinzueilender Kinderarzt im Krankenhaus Lindau in den 24 Jahren meines Einsatzes wiederholt erlebt und war froh darüber, dass die Wege kurz waren“, schreibt er.
Lucha sehe sich Kraft seines Amtes als Fachmann, doch er kenne den Alltag von Ärztinnen und Ärzten nicht. „So etwas hat er aber mit Sicherheit nie miterlebt. Für ihn zählen wirtschaftliche Erwägungen“, schreibt Tegtmeyer-Metzdorf. Solche Todesfälle seien vermeidbar, wenn schnell eingegriffen werden kann. Doch darauf komme es dem Gesundheitsminister offenbar weniger an, wenn die Geburtshilfe auf
Kinderarzt Harald Tegtmeyer-Metzdorf eine Klinik im weiteren Umkreis konzentriert werden soll. Auch der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) strebe die Schließung von kleineren Kliniken an. „Da kommen SPD- und GrünenFunktionsträger offenbar gut zusammen: Finanzen vor Humanität“, schreibt Tegtmeyer-Metzdorf.
Der Lindauer Arzt kritisiert auch Luchas Äußerung, dass sich die kleineren Häuser „von selbst schließen“würden. Denn er sieht die Ursache dafür nicht bei den Kliniken, sondern bei den Fallpauschalen, die die Politik zu gering angesetzt habe. Die neue Ampel-Koalition habe deshalb vor, die Geburtshilfe mit auskömmlichen Erträgen aus diesem Dilemma zu befreien. Vorher aber lasse man diverse kleinere Krankenhäuser sterben.
„Nicht bedarfsgerechte Krankenhäuser werden nicht geschlossen, sie schließen sich von selbst“, hatte
Lucha gesagt. Damit zielte er nicht nur auf das bereits geschlossene Krankenhaus 14 Nothelfer in Weingarten ab, sondern auch auf den Erhalt des kleinen Akutkrankenhauses Bad Waldsee. Lucha kündigte in diesem Zusammenhang auch an, dass das Land eine Sanierung oder gar einen Neubau des über 100 Jahre alten Gebäudes nicht finanzieren oder bezuschussen werde, und zwar „auf gar keinen Fall“.
„Mich, als Mitglied der Grünen, erschüttert das“, schreibt Tegtmeyer-Metzdorf. Offenbar werde die Axt an die Wurzeln einer auch in der Fläche schnell verfügbaren Grundversorgung geführt. Eine entschiedene Klimapolitik kann nicht allein die Agenda von Grüner Politik bestimmen.
Lucha hatte in seiner Rede im Ravensburger Kreistag auch erläutert, wie er sich die Zukunft der erweiterten Oberschwabenklinik vorstellt: das Elisabethen-Krankenhaus in Ravensburg (mit integriertem HeiligGeist-Spital) als großer Zentralversorger mit hochspezialisierter Hightechmedizin und vielen interdisziplinären Fachgebieten, das Klinikum Friedrichshafen etwas kleiner als jetzt in einem Neubau, das Westallgäu-Klinikum in Zusammenarbeit mit den Waldburg-ZeilKliniken als Fachklinik, unter anderem für Orthopädie, inklusive Intensivstation.
Die Akutkrankenhäuser in Bad Waldsee und Tettnang werden geschlossen. Lucha sprach stattdessen von „Zentren für Primärversorgung“als Alternative, erklärte aber nicht im Detail, was er darunter versteht oder wie diese medizinischen Zentren, die wohl mehr sind als eine ärztliche Gemeinschaftspraxis, aber weniger als ein Akutkrankenhaus mit stationärer Aufnahme, konkret aussehen könnten.