Gesund und stressfrei durch die Weihnachtszeit
Experte der Fachklinik Oberberg in Scheidegg erklärt, wie man einem Burnout in der Weihnachtszeit vorbeugt
(sz) - Auch wenn Advent und Weihnachten die „schönste Zeit” genannt wird, entwickelt sich das für viele Menschen zum stressvollen, manchmal sogar angstbesetzten Höhepunkt des Jahres. Welche Folgen Stress auf die Psyche haben kann und wie man es schafft, gesund durch die Weihnachtszeit zu kommen, erklärt Thomas Owezarek (Foto: pr) , Chefarzt der Oberberg Fachklinik Scheidegg im Allgäu.
Wie entstehen die Probleme an Weihnachten?
Häufig besteht an Weihnachten der Wunsch, es allen recht machen zu wollen. Dabei wird viel Zeit investiert, es werden keine Kosten gescheut. Man möchte allen eine wunderbare Zeit bescheren, für jeden das passende Geschenk besorgen, das Beste ist gerade gut genug. Ein Vorhaben, das Menschen an ihre Belastungsgrenze bringen kann. Die angespannte Pandemie-Lage sorgt für zusätzliche Unruhe. „In der Weihnachtszeit haben die Menschen gefühlt ein hohes Stresslevel. Steigende Corona-Fallzahlen, die Angst um Familie und Freunde sowie die Sorge, die Weihnachtszeit wieder mit Einschränkungen zu erleben, belastet die Menschen zusätzlich“, sagt der Chefarzt.
Mit welchen Gefühlen haben Menschen an Weihnachten zu kämpfen?
„Die meisten sehnen sich zur Weihnachtszeit noch stärker als sonst nach Geborgenheit, Zugehörigkeit und Liebe“, sagt Owezarek weiter. Studien zeigen, dass Menschen, die sich auf traditionelle, familiäre oder andere Werte besinnen, an und vor Weihnachten deutlich glücklicher und zufriedener sind. „Die Weihnachtszeit – mit oder ohne Pandemie – ist eine Chance, sich auf das zu konzentrieren, was einem wichtig ist und damit wieder in Kontakt zu kommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Besinnung auf Werte aus einem christlichen oder einem anderen spirituellen Hintergrund resultiert“, erklärt der Scheidegger Arzt weiter.
Woher kommt der Druck, den viele Menschen in diesen Tagen verspüren?
Hohe Erwartung, Konsumdruck und Harmoniezwang, der von romantischen Filmen und Werbung zusätzlich geschürt wird, verstärken den Druck auf die Seele und tragen einen Teil zu den Konflikten in der Vorweihnachtszeit bei. Stress und Überforderung steigen in diesen Tagen sehr stark an: Viele Menschen leiden deshalb unter der Dauerbelastung. Ängste, Niedergeschlagenheit oder Konzentrationsstörungen können auftreten und auf ein Burnout hinweisen. Um sich rund um das Weihnachtsfest nicht zu verlieren und psychisch gesund zu bleiben, können einige Maßnahmen unterstützend wirken.
1. Den Druck rausnehmen
Auch krumme Plätzchen schmecken gut, nicht alles muss perfekt sein. Statt hohe Ansprüche an sich selbst zu stellen, besser nachsichtig mit sich selbst sein.
2. Prioritäten setzen
Der selbst gebastelte Adventskalender hier, das individuelle Geschenk dort. Nicht alles muss sein oder ist zwingend notwendig, um eine schöne Vorweihnachtszeit zu erleben. Stattdessen gilt es, Prioritäten zu setzen und weniger Wichtiges von der Liste zu streichen.
3. Gute Zeitplanung
Wer alles auf den letzten Drücker erledigt, macht sich unnötig Stress. Stattdessen Geschenke rechtzeitig kaufen – immerhin ist Weihnachten jedes Jahr zur gleichen Zeit.
4. Nicht vergleichen
Jeder feiert Weihnachten anders, es werden verschiedene Rituale zelebriert. Unterschiedliche Dinge sind wichtig. Auch ist jedes Weihnachtsfest anders. Sich mit anderen zu vergleichen oder einem Weihnachten ohne Pandemie hinterher zu trauern, setzt unter Druck. Deshalb ist es ratsam, in diesen Tagen auf Social Media zu verzichten und die Weihnachtszeit so anzunehmen, wie sie ist.
5. Pausen einbauen
An Weihnachten möchten viele Menschen zeigen, wie wichtig ihnen die anderen sind. Dabei vergessen sie sich oftmals selbst. Deshalb bewusst machen: „Weihnachten ist nur dann schön, wenn es auch mir gut geht.“Ein Spaziergang an der frischen Luft, Atemübungen oder eine bewusste Pause im Vorbereitungstrubel können helfen, zu entschleunigen und Stress zu reduzieren.
6. Grenzen setzen
Die Kinder, der Partner, die Eltern – viele Menschen haben das Gefühl, alle zerrten an ihnen. Auch mal „Nein” zu sagen und sich abzugrenzen, ist auch zur (Vor-) Weihnachtszeit wichtig. Denn wer die eigenen Ressourcen gut einteilt, schafft es auch kraftvoll durch stressige Zeiten.
7. Zeit für wichtige Fragen nehmen
Auch wenn es oftmals nicht so wirkt – der Kerngedanke von Weihnachten ist nicht Konsum. Vielleicht nutzt man die Zeit wirklich zur inneren Einkehr und widmet sich Fragen wie „Was und wer zählt für mich im Leben?“oder „Was ist mir wichtig?“
8. Dankbarkeit kultivieren
Ein direkter Ausdruck von Zufriedenheit mit dem, was ist, ist Dankbarkeit. Am Ende des Tages innerlich „Danke“zu sagen für das, was man über das Jahr hinweg erlebt hat, ist eine ausgezeichnete und effektive Übung, das Wohlbefinden zu steigern oder zu erhalten.
9. Warnsignale beachten
„Es passiert, dass während der Pandemie die Stimmung stark abfällt oder sogar Ängste zunehmen. Allerdings kann sich dies auch in ernsthafte Krankheitsbilder wie Depressionen oder Angststörungen wandeln”, erklärt der Experte. Sollten Symptome wie Erschöpfung, Resignation, ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit oder Hilflosigkeit, Wegfall von Lebensfreude, sozialer Rückzug oder Konzentrationsund Schlafstörungen länger bestehen bleiben, ist es empfehlenswert, die Warnsignale ernstzunehmen und eine Expertin oder einen Experten zu Rate zu ziehen. Diese könnten die Ursachen der Burnout-Symptome abklären und eine entsprechende Behandlung einleiten.
Gerade Menschen, die mit einer seelischen Erkrankung wie einer Depression zu tun haben, leiden vermehrt. „Viele Betroffene stehen zur Weihnachtszeit genau unter dem Leistungsdruck, der dazu geführt hat, dass sie in ein Burnout geraten sind oder an einer Depression erkrankt sind. Die aktuelle Pandemielage potenziert die Belastung erheblich. Auch gesunde Menschen laufen derzeit Gefahr, in einen Zustand totaler Erschöpfung zu geraten“, erklärt der Psychiater. Umso wichtiger sei es, rechtzeitig Hilfe zu suchen. Hilfe bekommt man in entsprechenden Beratungsstellen und bei Fachärzten, Kliniken und bei Therapeuten.