„Beim VfB gibt es immer viele Nebenschauplätze“
Christian Träsch über das Duell seiner Ex-Clubs Stuttgart und Wolfsburg, Fußball in Dubai und Kumpel Nagelsmann
- 207 Spiele hat Christian Träsch in der Bundesliga bestritten – alle für den VfB Stuttgart und den VfL Wolfsburg. Das Duell seiner beiden Ex-Clubs am Samstag (18.30 Uhr/ Sky) wird er aus seiner Wahlheimat Dubai verfolgen, wo der gebürtige Ingolstädter im vergangenen Jahr seine Karriere ausklingen ließ. Zuvor erzähle der Ex-Nationalspieler im Gespräch mit Martin Deck, welche Probleme er beim VfB sieht, warum er 2022 in die Kreisliga wechselt und wieso er vor einer Wette mit Bayern-Trainer Julian Nagelsmann zittert.
Herr Träsch, aktuell läuft die Expo in Dubai. Haben Sie schon im baden-württembergischen Pavillon vorbeigeschaut, um in alten Erinnerungen zu schwelgen?
Ich war leider noch nicht dort, habe es aber noch fest vor, solange wir hier sind. Ich habe nämlich gehört, dort gibt es Maultaschen – und die will ich mir nicht entgehen lassen.
Sie sind in Stuttgart zum Profi geworden. Wie haben Sie die Zeit als Bayer in Schwaben erlebt?
Das war eine sehr schöne Zeit, für mich und uns als Familie. Wir haben uns sehr wohlgefühlt – auch wenn es sportlich Höhen und Tiefen gab. In einem Jahr hat man Champions League gespielt, im anderen gegen den Abstieg. Aber ich bin dem VfB und den damaligen Verantwortlichen bis heute dankbar, weil sie mir meine Karriere ermöglicht haben.
Nach zweieinhalb Jahren zog es Sie weiter nach Wolfsburg. Die Stadt gilt nicht gerade als Schönheit. Warum haben Sie es dort dennoch sechs Jahre ausgehalten?
Das Bild, das viele von Wolfsburg haben, ist ein Trugschluss. Auch wir hatten am Anfang ein paar Bedenken. Aber wir haben uns dort schnell sehr wohlgefühlt. Vielleicht weil Wolfsburg sehr ähnlich zu unserer Heimat Ingolstadt ist, wo sich auch alles auf einen Autokonzern konzentriert. Auch sonst verbinde ich mit der Stadt nur Positives: Ich wurde in Wolfsburg zweifacher Vater und hatte eine sportlich erfolgreiche Zeit mit Champions League, DFB-Pokal-Sieg und Supercup-Sieg.
Bis heute sind Sie dem Club eng verbunden. Im Sommer haben Sie bei Ihren ehemaligen Kollegen in Niedersachsen vorbeigeschaut. Hätten Sie erwartet, dass der VfL auf so eine komplizierte Saison zusteuert? Nein, das hätte ich nicht gedacht. Für mich war der VfL in der Saison zuvor eine der souveränsten Mannschaften in der Bundesliga. Aber der Trainerwechsel zu Mark van Bommel hat nicht so gut geklappt, wie man sich das erhofft hatte. Dazu kommt die für
Wolfsburg ungewohnte Doppelbelastung mit Liga und Champions League. Das ist nicht einfach unter einen Hut zu bekommen.
Noch schlechter läuft es beim VfB. Wie lautet Ihre Ferndiagnose?
Das ist aus der Ferne immer schwer zu sagen. Aber beim VfB ist es schon so, dass es immer viele Nebenschauplätze gibt. Ich habe gerade erst einen Bericht gelesen, dass die Pandemie den Club finanziell schwer getroffen hat. Das sind Dinge, die den ganzen Verein beeinflussen. Für mich hat der VfB eigentlich eine gute Mannschaft, die sehr attraktiven Fußball spielen kann. Ich bin deshalb auch davon überzeugt, dass man sich noch keine Sorgen machen muss und der VfB wieder aus dem Negativstrudel rauskommt.
Vielleicht ja schon am Samstag. Was erwarten Sie vom Duell Ihrer beiden Ex-Clubs?
Ich glaube, es wird ein sehr attraktives Spiel, weil beide Mannschaften spielerisch stark sind und unbedingt gewinnen wollen. Im Moment hat keine das Momentum auf ihrer Seite, weshalb ich keinen klaren Favoriten sehe.
Sie selbst haben im Sommer 2020 Ihre Karriere beendet, mit gerade mal 32 Jahren. Weshalb so früh?
Es hat sich einfach richtig angefühlt. Ich bin nicht allein, sondern wir sind eine vierköpfige Familie. In einer Fußballerfamilie ist es normal, dass sich alle nach dem Profi richten, aber irgendwann war der Punkt gekommen, an dem wir gesagt haben, es reicht, ich brauche das nicht mehr.
Gibt es rückblickend etwas, was Sie an Ihrer Karriere vermissen? Nein, es hatte alles seinen Grund, weshalb es so passiert ist, wie es passiert ist. Natürlich war 2010 ein schwieriges Jahr, weil ich im jungen Alter die Chance hatte, mit Deutschland zu einer WM zu fahren, diese aber wegen einer Verletzung verpasst habe. Aber vielleicht musste das so sein. Wer weiß, ob ich mich in Südafrika nicht noch schwerer verletzt hätte. Stattdessen habe ich in dem Sommer meine Frau geheiratet. Es hat alles seinen Weg gefunden.
Dieser Weg führte Sie im Januar 2020 nach Dubai. Wie haben Sie den Fußball dort erlebt?
Natürlich können sie auch hier Fußball spielen. Dass die Qualität in Europa eine höhere ist, darüber müssen wir nicht reden. Aber auch hier sind die Spieler mit ganzem Herzen dabei – auch wenn die Mentalität eine etwas andere ist. Sie spielen lieber nach vorne und laufen nur ungern nach hinten.
Immer mehr Scheichs investieren in europäische Clubs, macht sich das im Interesse der Menschen in den Emiraten bemerkbar?
Es ist auf jeden Fall Interesse am Fußball da, vor allem am englischen. Die
Bundesliga hinkt da etwas hinterher, weil die großen Stars eben in der Premier League spielen. Das finde ich schade, weil ich finde, dass auch die Bundesliga viel zu bieten hat.
Nun findet im nächsten Jahr gleich gegenüber von Dubai, in Katar, die Weltmeisterschaft statt. Ist schon eine Euphorie spürbar?
Davon habe ich bislang nichts mitbekommen, zumindest nicht in Dubai. Im Moment ist hier die Expo das große Thema, die WM spielt keine Rolle.
Nicht nur die WM und die Expo finden am Persischen Golf statt, immer mehr Großveranstaltungen entdecken die Emirate als interessanten Standort. Was hat Sie dorthin gelockt, war es – was auf der Hand liegt – das Geld?
Nein, das Geld stand ganz sicher nicht im Vordergrund. Wir wollten als Familie noch einmal etwas erleben. Ein anderes Land, eine andere Kultur. Wir haben uns mit dem Islam beschäftigt. Meine Kinder wachsen hier dreisprachig mit deutsch, englisch und arabisch auf. Das ist unbezahlbar und wesentlich mehr wert als ein Euro mehr auf dem Konto. Deshalb sind wir auch noch nach meinem Karriereende noch ein Jahr lang länger geblieben. Und für mich persönlich war die Zeit hier wichtig, um mir klar darüber zu werden, was ich eigentlich nach meinem Profileben machen möchte. Was ist der nächste Schritt?
Der nächste Schritt führt Sie zurück in Ihre Heimat nach Ingolstadt. Dort werden Sie sich dem Kreisligisten FC Gerolfing anschließen. Worauf freuen Sie sich im Amateurfußball besonders? (Lacht) Viele meiner zukünftigen Mannschaftskameraden würden wohl sagen, auf das Bier in der Halbzeit. Aber das ist es bei mir nicht. Ich liebe einfach den Fußball und freue mich, wieder zu spielen – vor allem gemeinsam mit meinem besten Kumpel, der schon länger beim FC Gerolfing kickt.
Soll Fußball für Sie in Zukunft reines Hobby bleiben, oder könnten Sie sich vorstellen, in anderer Funktion in den Profibereich zurückzukehren?
Es wird ein Hobby bleiben. Aber ich werde jetzt meine Trainerscheine machen und will dann im Jugendbereich arbeiten. Ich glaube, ich habe ein großes Wissen, das ich an Jugendliche weitergeben möchte. Ich möchte ihnen den Spaß am Fußball vermitteln, den ich damals als Jugendlicher hatte.
Sie waren damals gemeinsam mit Julian Nagelsmann im Jugendinternat von 1860 München. Von ihm bekommen Sie bestimmt gute Tipps. Ja, wir telefonieren und schreiben noch regelmäßig. Aber es ist nicht mein Ziel, ein zweiter Julian Nagelsmann zu werden. Ich bin der erste Christian Träsch und mein Ziel ist nicht der Profibereich – auch wenn man nie weiß, wohin der Weg führt.
Wie sehen Sie seine Entwicklung? Mich freut es riesig für ihn, welchen Weg er genommen hat. Es ist ein Privileg für jeden Trainer, den FC Bayern trainieren zu dürfen. Es ist auch ein Beleg dafür, welch gute Arbeit er zuvor in Hoffenheim und Leipzig geleistet hat. Und auch in München sieht man mehr und mehr seine Handschrift. Seine Idee vom Fußball wird umgesetzt – und das sehr erfolgreich.
Dass Nagelsmann im Sommer zu den Bayern gewechselt ist, könnte teuer für Sie werden, schließlich haben Sie beide eine Wette laufen. Als Julian damals das Signal bekam, dass er aufgrund von Verletzungen keinen Leistungssport mehr betreiben soll, hat er sich ziemlich schnell zum Ziel gesetzt, Bundesligatrainer zu werden. Und irgendwann, wir saßen in einer Stunde Psychologie nebeneinander, sagte er plötzlich: „Ich gewinne als Trainer die Champions League.“Wir haben dann, obwohl nicht klar war, dass er Trainer wird und ich Profi, um ein Auto gewettet, ob er es bis 2032 schafft. Als er vor zwei Jahren dann mit Leipzig gegen Paris im Halbfinale stand, habe ich schon zu schwitzen angefangen. Dennoch wünsche ich Julian nur das Beste. Er soll deutscher Meister werden und so viele Titel sammeln wie möglich – die Champions League aber bitte erst nach 2032.