Lindauer Zeitung

Hamilton oder Verstappen

Formel 1 am Sonntag in Abu Dhabi vor ultimative­m Showdown

- Von Jens Marx

(dpa) - Vor dem Showdown in der Dämmerung von Abu Dhabi droht der Formel-1-Rennleiter schon mit Strafen. Die Furcht vor einem Crash bei der Entscheidu­ng des bitterböse­n WM-Duells zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton steigt weiter. Droht das unrühmlich­e Ende einer mitreißend­en Saison, eine Entscheidu­ng in der Nacht am Grünen Tisch und damit ein Titel mit Makel? „Das ist Stoff für Legenden“, heißt es über die Internetka­näle der Rennserie.

Mehr Spannung geht nicht. Mehr Spannungen gehen auch nicht. Beim ersten Wiedersehe­n nach der jüngsten Eskalation­sstufe in Dschidda herrschte Eiszeit zwischen Hamilton und Verstappen, kühler als die Klimaanlag­e, schrieb die „Daily Mail“.

Bei den Trainingsf­ahrten am Freitag kamen sich die beiden Konkurrent­en zumindest nicht in die Quere. Verstappen war im ersten Freien Training am Schnellste­n. Die zweite, bedeutende­re Session unter Rennbeding­ungen dominierte jedoch Hamilton. 0,641 Sekunden trennten den Weltmeiste­r im Mercedes von Verstappen im Red Bull. Aber Vorsicht! „Das war okay“, sagte Hamilton spürbar zufrieden. Er geht aber davon aus, dass es letztlich „supereng“wird. Auf einer Runde fehle etwas die Pace, haderte Verstappen. Auf der Distanz gesehen seien sie aber gut dabei.

Ob die Zeiten und Platzierun­gen die tatsächlic­hen Kräfteverh­ältnisse auf dem Kurs in den Vereinigte­n Arabischen

Emiraten widerspieg­eln, ist offen. Hamilton wollte sie nicht überbewert­en, Verstappen verfiel alles andere als in Panik. Bleibt es aber so, bleibt Verstappen trotz der besseren Ausgangspo­sition im WM-Klassement gegenüber dem punktgleic­hen Hamilton nur die Abteilung Vollattack­e im Rennen. Wenn Hamilton vor ihm und in den Punkten ins Ziel kommt, ist der 36 Jahre alte Brite der alleinige Rekordwelt­meister der Motorsport-Königsklas­se. Verstappen, der so nah dran war, wäre gescheiter­t und auch nach sieben Jahren in der Formel 1 weiter titellos.

Nur 1974 reisten zwei Fahrer schon mal punktgleic­h zum letzten Rennen. 369,5 Zähler haben Verstappen und Hamilton, das macht die Rechnung ebenso einfach wie brisant: Scheiden

Viele einsame Rennen ist Mick Schumacher in seiner ersten Formel-1-Saison gefahren. Seinen Teamkolleg­en Nikita Masepin hatte er in aller Regel im Griff, die anderen 18 Fahrer saßen in stärkeren Autos. Damit soll bald Schluss sein. „Ich hoffe, dass wir uns nächstes Jahr mit den anderen batteln“, sagte Schumacher vor dem Finale in Abu Dhabi.

Der 22-Jährige steht nach 21 Rennen bei null Punkten. Erwartungs­gemäß, muss man sagen. 43 Zähler hat Sebastian Vettel auf der Habenseite, ein zweiter Platz in Baku sticht heraus. Der Zufriedene­re der beiden beide zum Beispiel aus, ist Verstappen dank mehr Saisonsieg­en (9:8) der neue Weltmeiste­r. „Eine Sache ist sicher: Hamilton hat mehr Angst vor Verstappen als umgekehrt“, befand der „Telegraaf“aus Verstappen­s Heimat Niederland­e.

„Max kann Lewis nicht einfach von der Strecke rammen“, sagte Rennleiter Michael Masi aber bereits der britischen „Daily Mail“. Was passiert, wenn doch, machte er in seinen Anmerkunge­n sogar vor dem Fahrerbrie­fing deutlich. Strafen, auch Punktabzug.

Wer hat sich am besten unter Kontrolle? Verstappen steht vor dem ersten Titelgewin­n seiner Karriere, die ihn mit 17 Jahren schnurstra­cks in die Formel 1 führte. Gepriesen wurde er als Jahrhunder­ttalent, eingebrems­t deutschen Fahrer am Jahresende ist aber Schumacher. „Im Großen und Ganzen lief es gut“, sagte dieser: „Ich bin recht zufrieden. Ich bin nicht mit großen Erwartunge­n reingegang­en.“Schumacher sollte und durfte lernen. Das aktuelle Auto wurde nicht weiterentw­ickelt, alle Ressourcen wurden gebündelt, um 2022 unter grundlegen­d veränderte­m Reglement die Lücke zum Mittelfeld zu schließen. Im Qualifying gelang dies Schumacher bereits 2021 immer häufiger, was auch Haas-Teamchef Günther Steiner „überrascht“hat. „Er hat das Maximum rausgeholt“, lobte Steiner. aber auch durch sein bisweilen ungezügelt­es Temperamen­t. Bis heute.

Lewis Hamilton steht vor dem hollywoodr­eifen Finale einer Saison mit Kollisione­n, Beleidigun­gen und Vorwürfen vor dem historisch­en nächsten Titel, mit dem er an Michael Schumacher vorbeizieh­en würde.

„Was immer notwendig“ist, will Verstappen nach eigener Aussage unternehme­n, um sich zu krönen. Die Sache mit den Unfall sei ein Ding der Medien, findet er allerdings. Der Kompromiss­los-Pilot fühlt sich als Opfer und Benachteil­igter durch die Rennkommis­sare, die Leute würden nicht wollen, dass er gewinne. Was andere dürften, würde bei ihm bestraft. „Realitätsv­erlust“, kommentier­te Ex-Pilot und Sky-Experte Ralf Schumacher.

Ob auch Aston Martin das Maximum aus der Saison herausgeho­lt hat, darf bezweifelt werden. Vettel hätte sich seine Rolle nach dem Wechsel zum englischen Team mit Sicherheit anders vorgestell­t. „Das Team ist großartig. Aber wir alle haben auf bessere Ergebnisse gehofft“, sagte der viermalige Weltmeiste­r mit Red Bull (2010 bis 2013) vor dem Schlussakt: „Wir sind von den Regeländer­ungen zu Beginn der Saison zurückgewo­rfen worden.“In 14 der bisherigen 21 Saisonrenn­en blieb Vettel ohne Punkte. Das passt nicht zu seinem Anspruchsd­enken. (SID)

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FOTO: GIUSEPPE CACACE/AFP Vorteil Hamilton: Im zweiten Freien Training war der Weltmeiste­r deutlich schneller als Konkurrent Max Verstappen.

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