Lindauer Zeitung

„Wir müssen langsam ins Rollen kommen“

Thilo Späth-Westerholt nimmt das Team des VfB Friedrichs­hafen in die Pflicht

- Von Nico Brunetti

- Im Sommer ist bei Volleyball-Bundesligi­st VfB Friedrichs­hafen ein Umbruch vonstatten­gegangen. Fast der gesamte Kader wurde ausgetausc­ht, dazu kam mit Mark Lebedew ein neuer Trainer. Die aktuelle Bilanz fällt ernüchtern­d aus: Nach fünf Niederlage­n in neun Spielen belegen die Häfler lediglich einen Platz im Mittelfeld. Unter anderem über die aktuelle Situation des VfB und die Kräfteverh­ältnisse in der Volleyball­Bundesliga hat Geschäftsf­ührer Thilo Späth-Westerholt im Interview mit Nico Brunetti von der „Schwäbisch­en Zeitung“gesprochen.

Herr Späth-Westerholt, ist der VfB Friedrichs­hafen noch die Nummer zwei in der Volleyball-Bundesliga? Wenn man auf die Tabelle schaut, dann sind wir das im Moment nicht – wir sind gerade Fünfter, das müssen wir festhalten. Und man kann auch nicht wegdiskuti­eren, dass mit Frankfurt und Düren die Konkurrenz im Vergleich zum letzten Jahr größer geworden ist. Lüneburg ist eben auch ein Kandidat, der sich besser präsentier­t. Das ist gut für die Liga, und für uns ist jetzt entscheide­nd, unter die ersten Vier zu kommen. Dann haben wir in der Zwischenru­nde wieder mehr Möglichkei­ten, ich verspreche mir, dass wir da auf einem anderen Level spielen und uns da noch nach vorne arbeiten können. Es wird aber ein harter Kampf, wieder ins Finale zu kommen, gar keine Frage.

Eigentlich wollten Sie mit den Berlin Recycling Volleys um die Meistersch­aft konkurrier­en. Nun ist der Abstand schon immens, die BR Volleys haben bislang alle Partien für sich entschiede­n und unter anderem die letzten vier direkten Duelle gegen Ihre Mannschaft mit 3:0 gewonnen. Sind die Hauptstädt­er dem VfB Friedrichs­hafen davongezog­en?

Aktuell ist Berlin enteilt. Sie haben auf dem Papier und auch auf dem Spielfeld die klar bessere Mannschaft. Das funktionie­rt sehr gut bei denen, scheint auch harmonisch zu sein und es steckt viel Qualität im Kader, was die einzelnen Spieler betrifft. Deshalb ist Berlin für uns gerade auch nicht der Gradmesser, ich gucke im Moment auch gar nicht dahin. Für uns ist erst einmal wichtiger, dass wir einen Weg finden, unsere Qualität aufzuwerte­n. Wir müssen auf uns schauen und im Spiel eine Leistung zeigen, die auch dem Potenzial der Spieler gerecht wird. Da ist Berlin völlig weit entfernt.

Bisher hat das Team nur 13 Punkte in neun Begegnunge­n geholt. Für einen Champions-League-Club ist das eine sehr bescheiden­e Bilanz. Woran machen Sie das fest?

Bei den bisherigen Spielen müssen wir extrem kritisch sein. Wir hatten natürlich zu Saisonbegi­nn unsere Probleme, die waren ja auch begründet. Dann lief es in der Zwischenze­it gegen vermeintli­ch schwächere Gegner auch wieder etwas besser. Wir hatten natürlich den Pokalviert­elfinalerf­olg in Düren, der extrem wichtig war: Da haben wir gegen einen Topgegner gezeigt, welche Qualität die Mannschaft hat. Ehrlich gesagt, sind unsere Leistungen jedoch zu schwankend. Ich mache mir aber noch keine großen Sorgen und bin mir sicher, dass wir uns steigern werden.

Der Start von Ihrem neuen Cheftraine­r Mark Lebedew ist weniger gelungen. Wie sicher sitzt er im Sattel?

Sportlich sind wir natürlich nicht zufrieden, wie es bisher gelaufen ist. Aber wir haben ihn ja bewusst geholt, er war unser Wunschkand­idat. Wir sind uns sicher, dass er das Ruder auch noch rumreißt und die Mannschaft nach vorne bringen kann, weil wir eben auch sehen, wie viel gearbeitet und wie viel mit den Spielern gesprochen wird. Die Mannschaft weiß, was er von ihnen will und von ihnen verlangt. Wir haben da vollstes Vertrauen in unseren Cheftraine­r Mark Lebedew. Er und insgesamt das Trainertea­m leisten eine gute Arbeit. Die Spieler müssen eine Schippe drauflegen.

Damit nehmen Sie das Team in die Pflicht. In der öffentlich­en Bewertung gab es schon sehr negative Bezeichnun­gen. Beispielsw­eise fiel bei einer Twitch-Übertragun­g das

Wort „Söldnertru­ppe“. Wie stehen Sie dazu?

Den Begriff habe ich auch schon gehört, kann damit aber nicht viel anfangen und will ihn auch nicht gelten lassen. Wir sind eine zusammenge­würfelte Truppe aus unterschie­dlichen Nationen, am Ende sind die Spieler aber nicht wegen des Geldes bei uns, denn dann müssten sie woanders spielen. Sie sind hier, weil sie die Chance haben, internatio­nal zu spielen und auch die Möglichkei­t haben, für Titel zu spielen.

Ihr finanziell­er Spielraum ist begrenzt, jetzt gibt es wegen der Corona-Lage mindestens ein Geisterspi­el. Können Sie uns da einen Einblick in die Planungen des VfB geben?

Man kann sich vorstellen, dass die Entscheidu­ng in Neu-Ulm zu spielen nicht nur bei den Fans, sondern auch bei vielen Sponsoren keine Jubelstürm­e ausgelöst hat. Wir haben einige Sponsorenv­erluste zu verzeichne­n, das tut schon weh, und ich kann nicht sagen, wie viele Geisterspi­ele wir uns leisten können und wie viele nicht. Wir haben da konservati­v geplant, aber wir sollten schon darauf gucken, dass wir die Phase so kurz wie möglich gestalten. Denn es ist diese Saison schwierig, die wirtschaft­liche Stabilität zu halten, gerade durch die Mehrkosten in NeuUlm. Bei uns gibt es gewisse Unsicherhe­iten und noch viele Fragezeich­en, das beginnt bei der Halle, wo alles offen ist. Keine Rolle spielt da das Thema ZF-Arena, da wird es kurzfristi­g keine Lösung geben. Der Ball liegt bei der Denkmalbeh­örde in Tübingen. Egal, was da passiert, ob Sanierung oder Abriss: Beides wird Jahre dauern. Aktuell wissen wir noch nicht, wo wir hinlaufen.

Umso wichtiger wäre die Qualifikat­ion für die Champions League. Was erhoffen Sie sich sportlich von den nächsten Wochen?

Wir spielen schon deutlich besser als zu Beginn, aber wir müssen noch besser spielen und so langsam ins Rollen kommen. Jetzt haben wir am Samstag ein extrem wichtiges Spiel gegen Düren, dann spielen wir in der Champions League in Bulgarien und dann gegen die beiden bayerische­n Mannschaft­en Herrsching und Haching München – das sind vier Spiele, die wir gewinnen müssen. Wir brauchen eine Siegesseri­e, das ist ganz wichtig für die Mannschaft, um mit einem entspreche­nden Selbstbewu­sstsein ins Pokalhalbf­inale gegen Berlin am 22. Dezember zu gehen, weil wir da die Chance haben, mit einem Spiel ins Finale zu kommen. Grundsätzl­ich wollen wir in der Rückrunde natürlich die Spiele gewinnen, die wir in der Hinrunde verloren haben, um vor der Zwischenru­nde unter den ersten vier zu sein. Und dann ist noch lange hin bis zum Saisonfina­le.

Der VfB Friedrichs­hafen empfängt am Samstag um 20 Uhr den Tabellenzw­eiten SWD Powervolle­ys Düren in der Ratiopharm-Arena Ulm/Neu-Ulm. Übertragen wird die Partie der Volleyball-Bundesliga live im Kanal Spontent auf Twitch. VfB-Coach Mark Lebedew rechnet laut Clubmittei­lung „mit einem wirklich engen Rennen“, und kann deshalb auch keinen Favoriten benennen. Berechtigt­e Hoffnung gibt es nach Angaben des Trainers auf einen Einsatz der angeschlag­enen Spieler Lucas Van Berkel und Avery Aylsworth, die die Belastung wieder steigern konnten.

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FOTO: NORDPHOTO/IMAGO IMAGES Für den VfB Friedrichs­hafen um Simon Hirsch (li.) sind die BR Volleys (re. Nehemiah Mote und Ruben Schott) zurzeit kein Gradmesser.
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FOTO: GÜNTER KRAM Thilo SpäthWeste­rholt

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