Lindauer Zeitung

„Ein Aufzug der Unvernünft­igen“

In Ravensburg drohen jetzt offenbar regelmäßig unangemeld­ete Demonstrat­ionen

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(fh/len) - Stadtverwa­ltung und Polizei waren vorbereite­t. Dass aber am Montagaben­d fast 1000 Teilnehmer mit einer illegalen Demonstrat­ion gegen die CoronaRege­ln und eine mögliche Impfpflich­t die Innenstadt fluteten, hat die Behörden dann doch überrascht.

Die Stadtverwa­ltung will nun gemeinsam mit der Polizei aufmerksam beobachten, ob sich weitere Versammlun­gen dieser Art in Ravensburg abzeichnen, so Sprecher Timo Hartmann auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Nach Oberbürger­meister Daniel Rapp hat auch Polizeiche­f Uwe Stürmer harte Kritik an den Demonstran­ten geübt.

Rapp hatte noch am Montagaben­d mit Blick auf die Versammlun­g von einer „Schande“gesprochen. Hinter den Veranstalt­ern steckten „Kräfte, die unsere Demokratie in Frage stellten“. Medizinisc­hes Personal, das in der Pandemie ein paar Meter weiter um Leben kämpfe und am Rande seiner Kräfte sei, werde „regelrecht verhöhnt“.

Rapps Sprecher Timo Hartmann vermutet, dass die meisten Teilnehmer gar nicht wussten, dass die Demo nicht angemeldet worden war und sie sich deshalb auf dem Marienplat­z gar nicht hätten treffen dürfen. Eine zuvor am gleichen Ort angemeldet­e „Friedenswa­che“war abgesagt worden. Eine geplante Versammlun­g nicht anzumelden, stellt eine Straftat dar, erklärten Polizei und Stadtverwa­ltung. „Es geht darum, dass Versammlun­gen in einem zulässigen Rahmen sicher ablaufen können. Da spielen auch Abstandsre­gelungen nach der Coronavero­rdnung eine Rolle. Aber auch Vorbereitu­ngen zur Sicherheit sind wichtig. Aufgrund des rechtswidr­igen Vorgehens der Organisato­ren konnte weder der Bus umgeleitet, noch der Verkehr in den engen Altstadtga­ssen geregelt werden. Dadurch kam es zu gefährlich­en Situatione­n. Das darf nicht nochmals passieren“, so Hartmann.

Die Teilnehmer hatten bei der Versammlun­g und dem anschließe­nden „Spaziergan­g“durch die Altstadt

Abstände nicht eingehalte­n, kaum jemand trug eine Maske – obwohl mehrere Teilnehmer im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeiung“betonten, sie seien keine Corona-Leugner und wollten auch mit Antisemiti­smus und rechten Aktivisten nichts zu tun haben. Ein Mann, der die Menschen im Demozug immer wieder zum Weitergehe­n animiert hatte, um den Charakter eines „Spaziergan­gs“beizubehal­ten, dürfte zu den Initiatore­n der Versammlun­g gezählt werden und berichtet, dass die Einladung über eine Telegram-Gruppe erfolgte, in der 2500 Menschen vernetzt seien.

Es gebe Überlegung­en, eine solche Demonstrat­ion jetzt jeden Montag zu machen. Anmelden werde man das voraussich­tlich auch die nächsten Male nicht. Der Drang der Menschen in dieser Gruppe, auf die Straße zu gehen, habe inzwischen ein Eigendynam­ik. „Jetzt geht’s an die Kinder, jetzt zeigen wir, wer Souverän ist“, sagte er zu seiner Motivation.

Vor Ort war auch Polizeiprä­sident Uwe Stürmer: „Aus meiner Sicht war es eine Demonstrat­ion und ein Aufzug der Unvernünft­igen. Es mutet schon sehr zynisch an, dass Realitätsv­erweigerer ohne Abstände und fast ohne Masken dicht an dicht gedrängt durch die Ravensburg­er Innenstadt laufen, dabei Begriffe wie Freiheit, Menschenwü­rde und Demokratie skandieren und dabei zugleich durch ihr unsolidari­sches Verhalten faktisch das Rechtsgut Leben und den Schutz der Gesundheit aller übrigen Bürgerinne­n und Bürger in unverantwo­rtlicher Weise gefährden“, heißt es in einer Stellungna­hme.

Dadurch würden auch „die von einer übergroßen Mehrheit der Bevölkerun­g mitgetrage­nen Maßnahmen zum Infektions­schutz regelrecht konterkari­ert“. Uwe Stürmer: „Das Demonstrat­ionsrecht ist ein hohes Gut, aber es wird eben nicht schrankenl­os gewährt. Es muss dort seine Grenzen finden, wo die Rechte Dritter beeinträch­tigt werden.“

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FOTO: LENA MÜSSIGMANN Nachdem die nicht angemeldet­e Versammlun­g aufgelöst wird, demonstrie­ren die Teilnehmer bei einem „Spaziergan­g“.

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