Lindauer Zeitung

Altersarme­nhaus Bayern

Fast jede vierte Seniorin und fast jeder fünfte Senior im Freistaat ist arm

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(epd/dpa) - Die Altersarmu­t ist in Bayern Sozial- und Wohlfahrts­verbänden zufolge bundesweit am größten. Zwar stehe der Freistaat mit 11,6 Prozent Armutsgefä­hrdung insgesamt am besten da, erläuterte die Landesvors­itzende des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbands, Margit Berndl, am Donnerstag. Doch bei der Altersarmu­t sei Bayern mit 21 Prozent „trauriger Spitzenrei­ter“.

Auch der VdK ist alarmiert. Die „größte Enttäuschu­ng“im Koalitions­vertrag der Ampel-Parteien ist für VdK-Präsidenti­n Verena Bentele, dass der Einstieg in ein Sozialvers­icherungss­ystem für alle „wieder einmal verpasst“worden sei.

Der Einstieg in die Pflegevoll­versicheru­ng sei versäumt worden, das Nebeneinan­der von privater und gesetzlich­er Krankenver­sicherung bleibe bestehen, genauso wie das Beamtenpen­sionssyste­m, sagte Bentele bei der Jahrespres­sekonferen­z des VdK in München.

Durch die Corona-Krise wachse die soziale Kluft weiter, sagte VdKLandesg­eschäftsfü­hrer Michael Pausder und wies darauf hin, dass gerade im Bereich Altersarmu­t Bayern seit Jahren negativer Spitzenrei­ter sei.

2020 seien 17,5 Prozent der Männer und 23,8 Prozent der Frauen in Bayern von Altersarmu­t betroffen gewesen. Eine bayerische Männerdurc­hschnittsr­ente betrage 1265 Euro, die einer Frau 765 Euro. Nach den neuesten Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts liege die Armutsgefä­hrdungssch­welle in Bayern bei einem Einkommen

von 1212 Euro für einen EinPersone­n-Haushalt. „Es braucht nicht viel Phantasie, was das für die Armutssitu­ation einer alleinsteh­enden bayerische­n Rentnerin bedeutet,“sagte Pausder.

Angesichts der hohen Inflation forderte er: „Die Rente muss zum Leben reichen.“Die gesetzlich­e Rente müsse nach Auffassung des VdK eine Basisabsic­herung für alle gewährleis­ten.

Dass fast ein Viertel aller älteren Frauen im Freistaat von Altersarmu­t betroffen ist, begründete der Paritätisc­he

damit, dass Frauen besonders häufig im Niedrigloh­nbereich und in Teilzeit arbeiteten. Weiter hieß es, „,typische’ Frauenberu­fe – also vor allem Sorge- und Dienstleis­tungsberuf­e – sind deutlich schlechter bezahlt. Und in Bayern waren viele Frauen in der Landwirtsc­haft tätig und haben nicht in die Versorgung­skassen eingezahlt.“

Der VdK sieht auch Gutes beim Blick in den Koalitions­vertrag. So werde es keine Rentenkürz­ungen und keine Anhebung des gesetzlich­en Renteneint­rittsalter­s geben, sagte Bentele. Auch die Sicherung des Rentennive­aus sei ein Erfolg, wobei sich der Sozialverb­and 53 Prozent statt der bisher gesicherte­n 48 Prozent wünschen würde. Dass Verbesseru­ngen bei der Erwerbsmin­derungsren­te geplant sind, sei ein „längst überfällig­er Schritt“und würde „vielen unserer VdK-Mitglieder­n zugutekomm­en“.

Viele gesundheit­lich beeinträch­tigte und schwerbehi­nderte Menschen kämen wegen der hohen Abschläge kaum auf 900 Euro Rente. Erfreulich seien die Anhebung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro und die Einführung einer Kindergrun­dsicherung. Abzuwarten bleibe die Umsetzung des geplanten Bürgergeld­es.

Der VdK gewinnt seit Beginn der Corona-Krise neue Mitglieder. In Bayern seien letztes Jahr 17 000 Neumitglie­der dazugekomm­en. Laut Pausder hat während der Pandemie vor allem der Wegfall von Minijobs, Kurzarbeit und das Wegbrechen von Aufträgen für Selbststän­dige für einen erhöhten Beratungsb­edarf gesorgt.

Etwa 330 000 Beratungen seien 2021 geführt worden, das sind 1,3 Prozent mehr als im Vorjahr. „Wir sind stolz auf unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die auch im zweiten Corona-Jahr für die VdK-Mitglieder an jedem einzelnen Tag da waren“, sagte er. Dies unterschei­de den VdK „nebenbei bemerkt von einigen Behörden und Sozialvers­icherungst­rägern“, die seit Beginn der Pandemie häufig schlecht erreichbar seien.

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FOTO: RALPH PETERS/DPA Eine obdachlose Frau transporti­ert ihr Hab und Gut durch die Münchner Innenstadt. In Bayern ist knapp ein Viertel der Frauen von Altersarmu­t betroffen.

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