Lindauer Zeitung

Schockstar­re bei den Feuerwerke­rn

Das zweite Verkaufsve­rbot in Folge bringt die Branche in Existenzno­t – Kommunen und Umweltschü­tzer sehen dagegen viele Vorteile

- Von Wolfgang Mulke

- Beim größten deutschen Hersteller von Knallern und Raketen ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Das Unternehme­n Weco aus dem Rhein-Sieg-Kreis hat schon unter dem Verkaufsve­rbot des vergangene­n Jahres schwer gelitten und nach eigenen Angaben einen zweistelli­gen Millionenb­etrag verloren. Ein Werk im sächsische­n Freiberg musste geschlosse­n werden, 100 Jobs gingen verloren. Nun geht auch bei den verblieben­en 350 Beschäftig­ten die Angst vor der Schließung um, wenn der Bundesrat an diesem Freitag das vom Bund verordnete Verkaufsve­rbot für Feuerwerk zum Jahresende bestätigt. „Wir sind maßlos enttäuscht“, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Schreiber. Erst aus den Medien habe man vom geplanten Verbot erfahren.

Das Verbot trifft die Branche hart. Denn in den Tagen vor Silvester werden bis zu 95 Prozent des Umsatzes erzielt. Einen dreistelli­gen Millionenb­etrag jagen die Deutschen zum Jahreswech­sel in die Luft. Das dürfen sie in begrenztem Umfang auch in diesem Jahr. Nur der Verkauf wird untersagt.

Was noch im Regal liegt, darf verballert werden, sofern die jeweilige Kommune kein generelles Verbot ausspricht. Das ist vielerorts der Fall.

„Das Feuerwerks­verbot bedeutet mit aller Wahrschein­lichkeit den Todesstoß für die gesamte Feuerwerks­branche in Deutschlan­d und damit auch die Arbeitslos­igkeit von 3000 Beschäftig­ten“, befürchtet Klaus Gotzen, Sprecher des Verbands der pyrotechni­schen Industrie (PTI).

Auch im Norden sind die Branchenfi­rmen empört. Der OnlineHänd­ler Pyroland aus Niedersach­sen will das Verbot rechtlich aushebeln. Gemeinsam mit anderen Firmen und Verbänden habe man dafür gute Argumente gesammelt, teilt das Unternehme­n mit. Noch verpackt und versendet der Händler die bestellten Feuerwerks­körper wie gewohnt. Und kann sich vor Anfragen nach eigener Aussage nicht retten. Das Geschäft wird also zumindest teilweise vorgezogen.

Gute Laune herrscht dagegen in der polnischen Grenzstadt Slubice. Ein örtlicher Händler musste zu Wochenbegi­nn sogar schließen, um mehr Kapazitäte­n für die Abholung der Böller und Batterien durch die Kundschaft aus Deutschlan­d zu schaffen. Dabei warnen Fachleute gerade vor dem Einkauf in Polen, weil manche Knallkörpe­r mit hoher Sprengkraf­t in Deutschlan­d verboten sind und als gefährlich eingestuft werden.

Auch deshalb hält Weco das Verbot für Unfug. Es bewirke das Gegenteil

vom erwünschte­n Effekt. „Nämlich, dass viele Menschen illegale und lebensgefä­hrliche Feuerwerks­körper im Ausland oder sogar auch dem Schwarzmar­kt kaufen oder im schlimmste­n Fall sogar selbst basteln“, warnt Schreiber.

Damit trifft Schreiber einen wunden Punkt. Bund und Länder begründen das Verkaufsve­rbot damit, dass die ohnehin stark belasteten Krankenhäu­ser rund um Silvester nicht noch zusätzlich mit Böllerunfä­llen belastet werden. Das Argument sei haltlos, kritisiert Schreiber. Die wenigsten Krankenhau­sbesuche zum Jahreswech­sel stünden in Zusammenha­ng mit Feuerwerk. Auch der VPI sieht eher Alkoholmis­sbrauch oder Schlägerei­en als Ursache für die vollen Notaufnahm­en an Silvester.

Doch am Verkaufsve­rbot wird wohl nicht mehr gerüttelt. Daher pocht die Branche auf weitere Hilfen.

Das Feuerwerk wird zwar nicht „schlecht“und kann für den Verkauf im kommenden Jahr eingelager­t werden. Doch Lager- oder Finanzieru­ngskosten belasten die Unternehme­n. So fordert Weco-Sprecher Oliver Gerstmeier eine Schadensre­gulierung über die üblichen Corona-Hilfen hinaus durch den Bund.

Des einen Leid ist auch hier des anderen Freud. So begrüßt die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) das geplante Verkaufsve­rbot. Der Verein fordert schon lange ein völliges Verbot der Knallerei, weil darunter Haustiere leiden und die Luft durch Stickoxide belastet wird. „Gerade für Asthmatike­r, vulnerable Gruppen, aber ebenso viele Haus- und Wildtiere und die Umwelt insgesamt ist das eine große Entlastung“, sagte DUHChef Jürgen Resch. Er fordert schon eine Ausweitung des Verbots auf die nächsten Jahre.

Erfreut sind auch die kommunalen Entsorgung­sunternehm­en. Denn ohne Böller und Raketen reduziert sich das Müllaufkom­men zum Jahreswech­sel erheblich. Nach Angaben des Verbands Kommunaler Unternehme­n (VKU) fallen allein in den fünf größten deutschen Städten jährlich zwischen 134 und 183 Tonnen Silvesterm­üll an. Im vergangene­n Jahr, also ohne Knallerei, kam gerade einmal ein Drittel des Mülls zusammen.

 ?? FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA ?? Silvesterr­aketen: Der Verband der pyrotechni­schen Industrie befürchtet mit dem Feuerwerks­verbot den Todesstoß für die gesamte Feuerwerks­branche in Deutschlan­d und warnt damit auch vor der Arbeitslos­igkeit von 3000 Beschäftig­ten.
FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Silvesterr­aketen: Der Verband der pyrotechni­schen Industrie befürchtet mit dem Feuerwerks­verbot den Todesstoß für die gesamte Feuerwerks­branche in Deutschlan­d und warnt damit auch vor der Arbeitslos­igkeit von 3000 Beschäftig­ten.

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