Winter in seiner schönsten Art
In Schwedisch Lappland tanzen die Lichter, rennen die Hunde und schwitzen die Menschen
Weiße Wälder, wilde Tiere, karge Weiten und lange Winter – das ist die Welt, die 200 Kilometer oberhalb des Polarkreises wartet. In der nördlichsten Stadt Schwedens, in Kiruna in Schwedisch Lappland. Winter eben, wie er in unseren Gefilden sehr selten ist. Die verschneiten Berge, die unverbauten Landschaften mit endlosen Wanderwegen, die zugefrorenen Seen und das nordische Licht ziehen auch bei Minusgraden die Menschen nach draußen. Die Aussichten, dann Polarlichter zu sehen, sind im hohen Norden Schwedens gut bis sehr gut.
In der Natur zu sein und mit den Jahreszeiten zu leben gehören zum arktischen Lebensstil dazu. Lappland ist die größte historische Provinz in Schweden. Ein Viertel der Landesfläche zählt dazu. Mit rund 90 000 Einwohnern lebt hier aber weniger als ein Prozent der schwedischen Gesamtbevölkerung. Acht Monate Winter im Jahr an diesen abgelegenen Orten mögen dunkel, kalt und einsam sein. Für Touristen, die diese Region besuchen, kann diese Einsamkeit aber auch ein entschleunigter Urlaub abseits des Massentourismus bedeuten.
In manchen Teilen Schwedisch Lapplands leben mehr Huskys als Menschen. Sie sind mit ihren Schlitten eine der Hauptattraktionen der Region. Die Bedingungen für HuskySchlittentouren könnten im schneereichen Lappland nicht besser sein. Ylva Forssén lebt mit ihren 42 Hunden ihren Traum. Mitten in der schwedischen Natur, fernab von Hektik und Lärm. Krach schlagen lediglich die Schlittenhunde, die für Forssén Lebensunterhalt und Leidenschaft zugleich bedeuten. Sie bellen, jaulen und wimmern in ihrem Käfig, bis sie endlich an die Arbeit dürfen. Von Dezember bis März absolvieren sie bis zu vier Schlittentouren am Tag. Höchstleistung für die Hunde, die täglich bis zu 100 Kilometer mit ihren Schlitten durch die neblige und windumtoste Landschaft rennen.
„Träume sind wertvoller als Geld, und wir sollten ihnen eine Chance geben,“sagt die 47-jährige Schwedin, die ihren sicheren Job im Eisenerzbergwerk in Kiruna für ihren Lebenstraum aufgegeben hat. Die Mine in Kiruna liegt wie ein Schatten über der Stadt. Sie ist die größte unterirdische Eisenerzmine weltweit. Wegen der kontinuierlichen Erweiterung des Erzabbaus unter Kiruna müssen große Teile der Stadt und ihre Bewohner umsiedeln. Sogar die alte Holzkirche muss weichen. Ein Großprojekt, das allerdings noch einige Jahrzehnte dauern wird. Forsséns neue Welt mitten in der Natur, direkt am zugefrorenen See mit Blick auf die Berge, trennen nur knapp 40 Kilometer vom Bergwerk. Gedanklich ist sie mit ihren Huskys mittlerweile viel weiter entfernt. „Draußen in der Natur mit meinen Tieren spüre ich
Freiheit und die Energie, alles zu schaffen“, sagt Forssén. Den Menschen in Kiruna ist bewusst, dass die Stadt nur dank der Mine existiert. Das schwarze Gold von Schweden sichert den meisten Bewohnern das Einkommen. „Der eigentliche Schatz ist jedoch unsere traumhafte Natur“, betont Forssén immer wieder.
In einer der kältesten Regionen Europas sind für einen langen Zeitraum im Jahr nahezu alle Winteraktivitäten möglich: Das fängt beim Eislaufen auf zugefrorenen Seen an und hört beim Langlaufen oder stundenlangen Wandern mit Schneeschuhen in der Winterwelt, ohne auch nur einer Menschenseele zu begegnen, noch lange nicht auf. Schneller voran geht es mit den motorisierten Schneemobilen, für die oftmals eigene Wege gebahnt werden. Mancherorts sind die Aktivitäten auch miteinander verbunden. So endet eine Tagestour auf Skiern beim Eisfischen. Das ist auch unter Einheimischen beliebt und wird den Kindern bereits in frühen Jahren beigebracht. Ebenso wie das alpine Skifahren. In Kiruna gibt es mitten in der Stadt drei Lifte mit Flutlicht im Skigebiet Luossabacken. Von dort oben schweift der Blick an den Horizont, wo von der Mine Rauch aufsteigt. Und auf die weiße, beleuchtete Stadt mit ihren hübschen Häusern, deren Fenster in den dunklen Tagen mit viel Licht geschmückt werden.
Auf der Wunschliste eines jeden Lappland-Urlaubers steht ein Erlebnis ganz oben: die Suche nach dem Polarlicht. Je weiter nördlich die Reise führt, desto wahrscheinlicher wird es, die tanzenden Farben am Abendhimmel zu erspähen. Ein gelbgrünes Lichtermeer, in das man eintauchen mag. Manchmal bespickt mit violetten und pinken Farbtönen. Ein Himmelsphänomen, das bei Nebel oder schlechten Wetterverhältnissen oft im Verborgenen bleibt.
Wesentlich einfacher hingegen ist es, nach einem winterlichen Tag eine Sauna zu finden. Es gibt kaum eine Unterkunft ohne. Nicht umsonst haben die Schweden das lateinische Zitat „in vino veritas“zu „in Sauna veritas“verwandelt. Dem stimmt Johan Löfgren zu. Der 37-jährige Schwede begrüßt die Gäste seiner Arctic Gourmet Cabin in seiner selbst gebauten Sauna samt heißem Außenbecken. Der Aussteiger hat sich mit zwei Hütten zum Übernachten und dem kleinsten Restaurant Schwedens mit vier Sitzplätzen selbstständig gemacht. Nach vielen Jahren als Koch im großen Icehotel hat Löfgren den Mut gefasst, mit seiner Frau ein neues Leben zu beginnen. Löfgren kocht am Lagerfeuer oder direkt vor seinen Gästen im Restaurant regionale Gerichte mit allerlei einheimischen Zutaten: Gemüse und Beeren, angebaut im eigenen Garten und Gewächshaus, arktischer Saibling aus den umliegenden Seen, Rentieroder Elchfleisch, erjagt in Schwedens Wälder. Nebenher erzählt er gerne Geschichten über diesen besonderen Ort etwas außerhalb von Kiruna am Kaalasjärvi-See. „Hier oben muss man das Leben leichtnehmen, nicht immer mehr wollen“, sagt Löfgren. Menschen, die hier leben, halten nicht das Maximale, sondern das derzeit Mögliche für die beste Option. Die Löfgrens bekommen öfters mal Besuch von der heimischen Tierwelt – Elche, Füchse oder Rentiere. „Wir wissen, wie wertvoll die Natur ist und dass wir alles dafür tun müssen, um sie zu schützen“, sagt Löfgren und ergänzt „Nachhaltigkeit ist ein Stück weit in unserer DNA verankert.“Der aufmerksame Schwede schenkt seinen Besuchern Zeit. Zeit zum Musik hören, Fragen stellen und Träumen: von Polarlichtern, die sich wieder einmal nicht gezeigt haben, und einer besseren Welt.
Weitere Informationen unter: www.kirunalapland.se/en/ www.swedishlapland.com/ www.visitsweden.de
Flugverbindungen gibt es ab sofort direkt ab Stuttgart mit Eurowings
nach Kiruna samstags, nach Luleå mittwochs und sonntags.
Die Recherche wurde unterstützt von Kiruna, Swedish Lapland sowie Visit Sweden.