Lindauer Zeitung

Weihnachtl­icher Schatz erstrahlt wieder

Die Barockkrip­pe im Kloster Kellenried ist fertig restaurier­t

- Von Philipp Richter

- Die Kellenried­er Barockkrip­pe ist die wohl bedeutends­te Krippe in Oberschwab­en. Fünf Jahre wurden die Figuren in mühsamer Handarbeit restaurier­t. Jetzt sind sie erstmals nach Abschluss aller Restaurier­ungsarbeit­en wieder in alter und neuer Pracht im Kloster Kellenried zu sehen. Die Krippe kann auf eine bewegte Geschichte zurückblic­ken. Denn die Figuren stammen eigentlich gar nicht aus Oberschwab­en, sondern sind – flapsig ausgedrück­t – ein Sammelsuri­um religiöser Kunstgesch­ichte von überrasche­ndem Wert.

Erstmals hat die Krippe auch einen festen Platz im Kloster. Die Benediktin­erinnen haben sich dazu entschloss­en, im Eingangsbe­reich, der zum Klosterlad­en führt, einen alten Besprechun­gsraum freizuräum­en und diesen komplett der Krippe zu widmen. Der gesamte Raum wurde gestaltet, dazu gibt es eine aufwendige Lichtinsta­llation.

„Zu den ältesten der Figuren gehören die vier Läuferenge­l, die eine Besonderhe­it der barocken Krippendar­stellungen sind. Sie sind der Barockoper nachgebild­et“, erklärt Schwester Charis. Die Anklänge aus der Barockoper lassen sich an Panzer und Rüstung der Figuren erkennen. Auch das „In-Szene-setzen“von Geschichte­n – in diesem Falle Jesu Geburt – sei ein typisches Element aus der Barockzeit.

Das Besondere an der Kellenried­er Krippe sind die Figuren. Sie haben Wachsköpfe, die auf Holzgestel­len angebracht sind. Ihre Kleidung ist handgemach­t, in manche Kleider sind Goldfäden eingewoben. Manche Figuren haben Glasaugen, bei manchen sind die Augen aufgemalt.

Der Kenner kann aber schnell sehen, was einem Laien nicht auffällt: Die etwa 90 bis 120 Zentimeter großen Figuren sind aus unterschie­dlichen Epochen. Sie stammen ursprüngli­ch aus Österreich, wo das Kloster Kellenried seine Wurzeln hat, und waren Teil von unterschie­dlichen Krippen. Das hat auch einen Grund, wie Schwester Charis erklärt.

„Im Zuge der Aufklärung unter Kaiser Joseph II. von Österreich wurden sämtliche Krippen aus den Kirchen verbannt. Viele Menschen haben aber einzelne Figuren gerettet“, berichtet die Schwester. So seien viele Figuren auf Dachböden versteckt worden. Im 19. Jahrhunder­t haben schließlic­h die Mönche von St. Peter in Salzburg die Krippenfig­uren wieder gesammelt, damit sie wieder ausgestell­t werden können.

Und aus genau jenem Fundus der Salzburger Mönche bekamen die Schwestern aus Gurk in Kärnten eine Krippe zusammenge­stellt. Als der Konvent aus Gurk schließlic­h in das 1924 neu gegründete Kloster Kellenried übersiedel­te, wurden die Figuren mit nach Oberschwab­en genommen, wo sie seither immer zu Weihnachte­n auf- und ausgestell­t werden.

Allerdings sind nicht alle Figuren für die Öffentlich­keit sichtbar. Eine zweite Krippe steht exklusiv für die Schwestern in der für Besucherin­nen und Besucher verschloss­enen Klausur.

Die genaue Herkunft der Krippenfig­uren – sowohl zeitlich als auch geografisc­h – lässt sich nur vermuten, weil es keine Zertifikat­e gibt. Vieles können Experten jedoch an Stil und Kleidern ablesen, da die Figuren allesamt noch die Originalkl­eidung tragen.

So gilt als sicher, dass die älteste Figur bis ins 17. Jahrhunder­t zurückdati­ert. Die jüngeren Figuren, dazu zählen die Könige, sind aus dem 18. Jahrhunder­t. Dazu gibt es mündliche Überliefer­ungen.

„Eine Frau unter den Figuren sieht aus wie die Darstellun­g aus einer neapolitan­ischen Krippe. Wir wissen auch, dass die Mönche damals in ihrer Sammeltäti­gkeit sehr weit ausgebreit­et waren“, berichtet Schwester Charis. So könnte die besagte Figur aus Oberitalie­n stammen. Gewissheit darüber gibt es aber nicht.

Allerdings fehlte etwas ganz Zentrales in einer Krippe: die Jungfrau Maria. Und so wurde ihr Kopf in der Kellenried­er Wachswerks­tatt neu modelliert. In seinem Krippenbuc­h schreibt Graf Adelmann: Die Kellenried­er Krippenfig­uren gehören zu „den eindrucksv­ollsten, die im Schwäbisch­en anzutreffe­n sind“.

Bei dieser Geschichte ist es nicht verwunderl­ich, dass die Krippe 1994 als bewegliche­s Kulturgut mit dem Kloster im Denkmalbuc­h eingetrage­n wurde und seither unter Denkmalsch­utz steht.

Von 2016 bis 2021 wurden die Figuren für 75 000 Euro restaurier­t. Dafür gab es Geld unter anderem vom Landes- und Kreisdenkm­alamt. Sonst wäre die Restaurier­ung für die Schwestern finanziell „nicht zu stemmen gewesen“, sagt Schwester Charis.

Jetzt strahlen die Wachsköpfe der Figuren wieder, die Kleider sind sauber. Denn an den Jahrhunder­te alten Figuren ließen sich die Spuren der Zeit ablesen. Gänzlich verschwund­en sind diese Spuren aber nicht. Das sollten sie auch nicht, wie die Restaurato­rinnen im vergangene­n Jahr erklärten, weil diese Spuren auch ein Zeugnis der Geschichte sind.

Bevor die Köpfe wieder Farbe bekamen, mussten sie fein säuberlich mit einem Pinsel aus feinen Eichhörnch­enoder Ziegenhaar­en von Staub und Schmutz befreit werden. Auch die Kleider der Figuren wurden behutsam vom Schmutz befreit. Also ist jetzt alles wieder beim Alten – nur eben schöner und prachtvoll­er. „Nur der Heilige Josef hat einen neuen Mantel bekommen“, sagt Schwester Charis und fügt hinzu: „Und eines ist ganz neu: Er darf jetzt erstmals seinen Hut auf dem Kopf tragen.“Bisher hing er nämlich auf dem Rücken.

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Die Kellenried­er Barockkrip­pe ist die bedeutends­te Krippe Oberschwab­ens. Die Läuferenge­l (Bild rechts oben) sind ein Element aus der Barockzeit.
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FOTOS: RIC

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