Lindauer Zeitung

Personal kämpft auch gegen Fake-News

Westallgäu-Klinikum bei Stern TV – Was eine Stationsle­iterin zu Weihnachte­n befürchtet

- Von Susi Weber

- Alles irgendwie doch nicht so schlimm? Wer diese Wahrnehmun­g noch immer vertritt, konnte sich am Mittwochab­end in der Sendung Stern TV auf RTL eines Besseren belehren lassen. Ein Team des Kölner Senders hat am Freitag vergangene Woche in der Intensivst­ation an der Oberschwab­enklinik (OSK) in Wangen gedreht und dabei nicht nur Arbeitsabl­äufe, sondern auch Stimmen von Coronaerkr­ankten festgehalt­en. Zu Gast im Studio war zudem Intensiv-Stationsle­iterin Elisabeth Pfänder.

Der Kontakt zwischen dem Fernsehsen­der und der Oberschwab­enklinik kam vor zwei Wochen zustande, als Stern TV im Heilig-GeistSpita­l Ravensburg einen Samstag lang ein mobiles Impfteam der OSK begleitete. „Die Fernsehleu­te waren offenbar mit unserer Unterstütz­ung zufrieden und wir auch mit der profession­ellen Arbeit des Teams“, erzählt OKS-Pressespre­cher Winfried Leiprecht. RTL fragte erneut in Ravensburg an – und wurde nach Wangen verwiesen. Laut Leiprecht einfach deshalb, weil das OSK-Belegungsk­onzept die Konzentrat­ion im Allgäu vorsieht.

Dass das Wangener Team rund um Elisabeth Pfänder und den Oberärzten Timo Gentner und Helmut Beck jede Menge zu entscheide­n und zu tun haben, wurde jedem klar, der den gleich ersten Stern-TV-Beitrag anschaute. Die Situation am vergangene­n Freitag: Inzidenz im Landkreis bei 482, alle 14 Intensivbe­tten belegt, acht davon mit Covid-Patienten – nur zwei davon sind geimpft.

Die Verlegung eines 99-Jährigen, der an einem Darmversch­luss leidet, wird gezeigt, um wieder Platz zu schaffen für einen weiteren CoronaKran­ken. Es ist ein 68-jähriger, doppelt Geimpfter, der zusätzlich zu Corona auch noch einen multiresis­tenten Problemkei­m und viele Vorerkrank­ungen mitbringt. Derweil wird bei einem 67-Jährigen ein Luftröhren­schnitt vorbereite­t. Elf Tage hat der zuvor sportlich aktive, ungeimpfte und mit keinen relevanten Vorerkrank­ungen belastete Mann bereits mit viel Beatmungsh­ilfe auf der Intensivst­ation verbracht. „Ich bin mir relativ sicher, dass wenn er sich rechtzeiti­g hätte impfen lassen, er nicht hier liegen würde“, sagt Oberarzt Gentner.

Hektik kommt auf. In einem anderen Zimmer ist das Leben einer 73Jährigen trotz Intensivme­dizin nicht mehr zu retten. Bis zu ihrem Tod hat sie nicht an Corona und die eigene Erkrankung geglaubt. Sie ist eine von insgesamt 67 Personen, die seit Beginn der Pandemie an Corona an der OSK verstarben. „Es ist etwas ganz Surreales, wenn Menschen keine Luft bekommen und unter Luftnot behaupten, sie hätten kein Corona, weil es das nicht gibt – und unsere Schutzausr­üstung wäre nur eine Karnevalsm­askerade“, erzählt Elisabeth Pfänder.

Sprung nach Cottbus in der Lausitz: Auch dort wurde von RTL am vergangene­n Donnerstag auf der Intensivst­ation des Carl-Thiem-Klinikums gedreht. Wie sehr die Realität von der von Verschwöre­rn in die Welt gesetzten Fake-News abweicht, wird beim Anhören einer digitalen Sprachnach­richt und dem Blick in die Intensivst­ation deutlich. Eine Stimme behauptet, dass zwei von 24 Betten belegt seien, keines davon mit Corona-Patienten und die verbreitet­e Überbelegu­ng nicht stimme.

Die Wahrheit sieht etwas anders aus: 18 Corona-Patienten, vier davon vollständi­g geimpft. Auch die von selber Person auf Whatsapp und Telegram verbreitet­e Nachricht, dass 15 Schwestern der Intensivst­ation gekündigt hätten, ist falsch und führte gemeinsam mit der falschen Intensivst­ation-Situations-Meldung zu einer Strafanzei­ge gegen Ungekannt. „Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Patienten mit nur einer Krankheit auf der Intensivst­ation gesehen“, sagt der Cottbusser Arzt Jens Soukup.

Später wird Elisabeth Pfänder davon erzählen, dass auch in Wangen Fake-News die Runde machten: „Wir hatten tatsächlic­h auch einen Fall, da war der Beitrag ähnlich aufgebaut.“

Doch zurück zum Filmbeitra­g und zu Wangen: Dort stattete das RTL-Team auch der isolierten CovidStati­on, die eine Etage über der Intensivst­ation liegt, einen Besuch ab und besuchte dort den nicht geimpften, 70-jährigen Karl Riedmüller. Er leugnet nicht, dass es Corona gibt und ist froh, dass die Erkrankung „relativ glimpflich“ausgegange­n ist.

Riedmüller ist einer von 24 Covid-Patienten auf der entspreche­nden Isoliersta­tion. Eine andere ist Daniela Weibeler. Die 41-Jährige hatte Bedenken, sich in der Stillzeit impfen zu lassen: „Mit dem, was ich mitgemacht habe, würde ich sagen, hätte ich mich lieber impfen lassen.“Sie hatte auch Angst, die Erkrankung nicht zu überleben: „Am Samstag dachte ich: Das war’s.“

Auf der Intensivst­ation hat sich derweil bei einem Mann mittleren Alters die von einer Maske unterstütz­te Atmung verschlech­tert. Er muss auf den Bauch gedreht werden, ein Lungenvers­agen droht. Oberarzt Beck fragt nach einem so genannten ECMO-Bett – und wird in Ulm fündig.

Positives kommt in Form eines Weihnachts­päckchen in die Intensivst­ation. Es ist an die „Engel der Intensivst­ation“gerichtet und von einer Frau, die sich dort bereits von ihrem relativ jungen und an Coronaer krankten Mann verabschie­det hat und mit seinem Tod rechnete. „Wie durch ein Wunder hat er sich wieder erholt“, erinnert sich Elisabeth Pfänder und freut sich.

Im Gespräch mit Moderator Steffen Hallaschka erzählt sie aber auch von einer jungen Kollegin, die von einem Patienten gefragt worden sei, ob sie ihre Anordnunge­n direkt von der Regierung erhalte. Wie sie damit umgehe, will Hallaschka wissen. „Ich darf mich da nicht so hineinstei­gern. Für mich zählt in allererste­r Linie die Motivation für mich und mein Team“, antwortet sie.

Neben Pfänder ist auch Virologin Helga Rübsamen-Schaeff im Studio, die Zusammenhä­nge erläutert und ihre Sorgen um die Omikron-Mutante mit den Zuschauern teilt. Dass eine Entspannun­g auf der Intensivst­ation wohl noch eine ganze Weile auf sich warten lasse, denkt Stationsle­iterin Pfänder: „Ich befürchte fast, dass wir nochmal ein schlimmes Weihnachte­n durchmache­n müssen – und wir werden bis zum Frühsommer Covid-Patienten versorgen.“

Der Stern-TV-Beitrag kann in der Mediathek von RTL abgerufen werden unter www.tvnow.de/shows/ stern-tv-2385

 ?? FOTO: SWE ?? Das Stern-TV-Team dreht auf der Intensivst­ation des Wangener Westallgäu-Klinikums und berichtet über die Arbeit von Elisabeth Pfänder und ihrem Team.
FOTO: SWE Das Stern-TV-Team dreht auf der Intensivst­ation des Wangener Westallgäu-Klinikums und berichtet über die Arbeit von Elisabeth Pfänder und ihrem Team.

Newspapers in German

Newspapers from Germany