Lindauer Zeitung

Sehnsucht nach dem Bekannten

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Die CDU hat demnächst einen neuen Parteivors­itzenden, den dritten innerhalb von drei Jahren. Drei Anläufe hat auch Friedrich Merz gebraucht, um an die Spitze aufzusteig­en. Dass sich die Basis in der Mitglieder­befragung überrasche­nd deutlich für ihn ausgesproc­hen hat, zeigt, wie groß die Sehnsucht nach einer klaren, aber auch konservati­ven politische­n Linie der CDU ist – und nach einem Neuanfang nach Merkel.

Es zeigt auch, dass ein Kandidat wie Norbert Röttgen, der die Partei modernisie­ren, verjüngen und für Frauen attraktive­r machen wollte, einen schwereren Stand in der CDU hat als der 66-jährige Merz, der bereits vor 20 Jahren Unionsfrak­tionschef war. Bei einem Durchschni­ttsalter der Parteimitg­lieder von 61 Jahren und 70 Prozent Männerante­il ist dies wenig überrasche­nd. Auch das schlechte Abschneide­n des ehemaligen Kanzleramt­schefs Helge Braun war zu erwarten. Für welchen Kurs er steht, war bis zum Schluss unklar.

Der Mann der näheren CDU-Zukunft heißt also Merz. Sein haushoher Erfolg lässt sich auch damit erklären, dass er in der jetzigen Konstellat­ion selbst für jene wählbar war, die ihn wegen seiner forschen Art nur bedingt für kanzlertau­glich hielten. Doch in Zeiten der Krise sieht das anders aus. Jetzt wird dem Sauerlände­r genau wegen seiner Art zugetraut, die Partei aus dem Sumpf zu ziehen.

Höchste Priorität muss es für ihn haben, dass die CDU in der Opposition ankommt – nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit Leidenscha­ft. In 16 Jahren in Regierungs­verantwort­ung hat die CDU inhaltlich­e Debatten viel zu lange weggedrück­t, weil sie wegen des Merkel-Bonus ohnehin gewählt wurde. Aber auch den Angriffsmo­dus muss die Union wieder lernen, wenn sie neben den frischen Ampel-Koalitionä­ren nicht wie ein Auslaufmod­ell erscheinen will. Viele Junge haben sich ohnehin schon abgewandt, dieser Trend könnte sich beschleuni­gen.

Von Merz verlangt das zweierlei: größere integriere­nde Fähigkeite­n, als er sie bislang gezeigt hat, und genau den Biss, den er ohnehin hat. Nur wenn er beides hinbekommt, wird er als Parteichef und die CDU als Partei am Ball bleiben.

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