Sehnsucht nach dem Bekannten
Die CDU hat demnächst einen neuen Parteivorsitzenden, den dritten innerhalb von drei Jahren. Drei Anläufe hat auch Friedrich Merz gebraucht, um an die Spitze aufzusteigen. Dass sich die Basis in der Mitgliederbefragung überraschend deutlich für ihn ausgesprochen hat, zeigt, wie groß die Sehnsucht nach einer klaren, aber auch konservativen politischen Linie der CDU ist – und nach einem Neuanfang nach Merkel.
Es zeigt auch, dass ein Kandidat wie Norbert Röttgen, der die Partei modernisieren, verjüngen und für Frauen attraktiver machen wollte, einen schwereren Stand in der CDU hat als der 66-jährige Merz, der bereits vor 20 Jahren Unionsfraktionschef war. Bei einem Durchschnittsalter der Parteimitglieder von 61 Jahren und 70 Prozent Männeranteil ist dies wenig überraschend. Auch das schlechte Abschneiden des ehemaligen Kanzleramtschefs Helge Braun war zu erwarten. Für welchen Kurs er steht, war bis zum Schluss unklar.
Der Mann der näheren CDU-Zukunft heißt also Merz. Sein haushoher Erfolg lässt sich auch damit erklären, dass er in der jetzigen Konstellation selbst für jene wählbar war, die ihn wegen seiner forschen Art nur bedingt für kanzlertauglich hielten. Doch in Zeiten der Krise sieht das anders aus. Jetzt wird dem Sauerländer genau wegen seiner Art zugetraut, die Partei aus dem Sumpf zu ziehen.
Höchste Priorität muss es für ihn haben, dass die CDU in der Opposition ankommt – nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit Leidenschaft. In 16 Jahren in Regierungsverantwortung hat die CDU inhaltliche Debatten viel zu lange weggedrückt, weil sie wegen des Merkel-Bonus ohnehin gewählt wurde. Aber auch den Angriffsmodus muss die Union wieder lernen, wenn sie neben den frischen Ampel-Koalitionären nicht wie ein Auslaufmodell erscheinen will. Viele Junge haben sich ohnehin schon abgewandt, dieser Trend könnte sich beschleunigen.
Von Merz verlangt das zweierlei: größere integrierende Fähigkeiten, als er sie bislang gezeigt hat, und genau den Biss, den er ohnehin hat. Nur wenn er beides hinbekommt, wird er als Parteichef und die CDU als Partei am Ball bleiben.