Politik und Antisemitismus-Experten alarmiert
Immer wieder judenfeindliche Inhalte auf „Querdenken“-Demos - Gegendemonstration in Würzburg
(dpa) Während die Corona-Zahlen in Bayern vielerorts auf hohem Niveau sind, reißen die Proteste von Gegnern der Schutzmaßnahmen nicht ab. Eine Dokumentationsstelle für Antisemitismus zeigte sich alarmiert über Vorfälle bei Protesten im Freistaat. In Würzburg gingen Menschen ebenfalls auf die Straße – die Versammlung richtete sich aber gegen die sogenannten Querdenker.
Rund 3700 Menschen demonstrierten am Mittwochabend in München gegen die Corona-Politik. Zuvor hatte die Kreisverwaltung angeordnet, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Demonstration FFP2-Masken tragen sollen, wie die Polizei in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer habe „eine ablehnende und emotionale Haltung gegenüber dieser beschränkenden Verfügung“gehabt. Im Verlauf des Abends wurden 18 Verstöße gegen die Maskenpflicht angezeigt. Insgesamt wurden laut Polizei 28 Menschen wegen Beleidigung und Körperverletzung festgenommen.
Münchens Oberbürgermeister Reiter sagte am Donnerstag: „Wenn auf Demonstrationen Gewalt ausgeübt wird, Infektionsschutzauflagen, die dem Schutz aller dienen, grob missachtet und als ,diktatorische Maßnahmen’ bezeichnet werden und der Holocaust verharmlost wird, wenn in Telegram-Gruppen Pläne für Angriffe auf Politiker, Journalistinnen und Wissenschaftler geschmiedet werden, dann ist das unerträglich und überschreitet die Grenze legitimer Kritik an CoronaMaßnahmen bei Weitem.“
Laut Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern wurde bei der Demo auf einem Schild ein bearbeitetes Foto von einem KZ-Tor gezeigt – mit der Aufschrift „Impfen macht frei“statt „Arbeit
macht frei“. Solche antisemitischen Äußerungen auf Corona-Demos in Bayern sind nach Angaben der Dokumentationsstelle längst kein Einzelfall mehr. Allein seit dem 1. Dezember seien 15 antisemitische Vorfälle mit Bezug zur Pandemie bekannt geworden – elf davon bei solchen Demonstrationen, zwei weitere am Rande davon.
So wurden demnach auf Demonstrationen in Bayern allein in den vergangenen Tagen Armbinden beziehungsweise ein „Judenstern“mit der
Aufschrift „ungeimpft“getragen, vom „Spritzenholocaust“gesprochen oder gefordert: „Keine Konzentrationslager für Ungeimpfte“. Eine Teilnehmerin gab „Rockefeller, Rothschild und Co.“die Schuld an der Pandemie und nutzte so laut RIAS antisemitische Chiffren.
Die judenfeindlichen Inhalte würden auf der Straße nur von relativ wenigen Personen verbreitet, sagte RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpaci am Donnerstag. „Es gibt aber keinerlei Distanzierung davon von anderen Teilnehmenden.“Durch den Zuwachs der Kundgebungen und das häufige Gewährenlassen durch die Polizei fühlten sich Demonstranten immer weiter ermächtigt.
Im Freistaat hatte es in den vergangenen Wochen zahlreiche Versammlungen gegen die aktuelle Corona-Politik gegeben, auch in Lindau. In Würzburg wurde am Mittwochabend gegen diese Entwicklung protestiert. Rund 100 Teilnehmer kamen laut Mitteilung der Polizei vom Donnerstag zu der Versammlung, die sich gegen „Querdenker“richtete. Mit 50 Personen aus der Querdenker-Szene habe es teilweise lebhafte Diskussionen gegeben, „die bis auf ein angezeigtes Körperverletzungsdelikt erfreulicherweise friedlich verliefen“, teilte die Polizei mit.