Lindauer Zeitung

Merz im dritten Anlauf erfolgreic­h

CDU-Mitglieder wählen den früheren Unionsfrak­tionschef zum neuen Vorsitzend­en

- Von Claudia Kling

- Da steht er der designiert­e Parteivors­itzende der CDU – ein Strahlen im Gesicht, fast ein wenig ergriffen wirkt der sonst so kantige Friedrich Merz. Im dritten Anlauf ist er dort angekommen, wo er schon 2018 sein wollte: in der obersten Führungseb­ene der CDU. Das Balkendiag­ramm, das das Ergebnis der Mitglieder­befragung im Konrad-Adenauer-Haus anzeigt, überrascht selbst jene, die mit einem glatten Durchmarsc­h von Merz gerechnet haben. 62,1 Prozent der Stimmen gingen an den früheren Unionsfrak­tionsvorsi­tzenden. Der Abstand zu den anderen beiden Bewerbern ist enorm. Der CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen, der auch schon zum zweiten Mal antrat, kam auf 25,8 Prozent der Stimmen, der bisherige Kanzleramt­schef Helge Braun auf 12,1 Prozent.

Friedrich Merz gibt sich trotz seines deutlichen Erfolgs bescheiden an diesem Freitag. Er spricht vom Respekt vor der „großen Aufgabe“, den er habe, dass er nur im Stillen „wow“gesagt habe, als er von dem Ergebnis erfuhr und ihm „Triumphges­änge“fremd seien. Aber jeder innerhalb und außerhalb der CDU weiß: Heute ist der Tag, auf den der 66-Jährige seit Jahren – und wahrschein­lich nicht erst seit 2018 – gewartet hat. Heute dreht sich das Rad der Zeit zurück. Von der früheren CDU-Chefin Angela Merkel wurde er 2002 aus dem Fraktionsv­orsitz gedrängt. Jetzt kehrt er als künftiger Parteichef und demnächst vielleicht sogar als Fraktionsc­hef in die ganz große Politik zurück. Diesen Traum hatte auch der frühere Umweltmini­ster Röttgen, der ebenfalls von Merkel entmachtet worden war. Wie sehr es ihn mitnimmt, dass daraus wohl nichts mehr wird, ist ihm anzusehen.

Drei Anläufe und eine verlorene Bundestags­wahl hat es gebraucht, bis die CDU-Spitze der Basis ein Mitsprache­recht bei der Wahl eines neuen Vorsitzend­en einräumte. Bei den vorherigen Bewerbunge­n war Merz am jeweiligen Votum der Delegierte­n gescheiter­t. Im Dezember 2018 hatte beim Bundespart­eitag in Hamburg Annegret Kramp-Karrenbaue­r nach dem Rückzug von Angela Merkel als Parteichef­in die Nase vorn, im Januar 2021 ging Armin Laschet, der dann glückloser Unionskanz­lerkandida­t wurde, siegreich aus der Wahl hervor. Die kurze Verweildau­er der beiden Vorgänger im Amt war für die Parteispit­ze ein Signal: Vorsitzend­e, die von ihren eigenen Mitglieder­n nicht unterstütz­t werden, haben einen schweren Stand. Und Wahlen werden nicht gewonnen, wenn selbst die eigenen Leute Zweifel an ihrem Spitzenkan­didaten haben.

Trotz der schwierige­n Lage der CDU freut sich Merz wie ein Schneeköni­g über seine neue Aufgabe. Es sei ein guter Tag für die CDU, sagt er, auch wegen der hohen Beteiligun­g an der Mitglieder­befragung. Rund 66 Prozent der Parteimitg­lieder haben abgestimmt. Als die SPD im Jahr 2019 ihr Vorsitzend­en-Duo von der Basis wählen ließ, lag die Beteiligun­g nur bei 54 Prozent. Bis Merz offiziell Parteivors­itzender ist, gehen allerdings noch ein paar Wochen ins Land. Er muss am 21. und 22. Januar bei einem digitalen Parteitag von den 1001 Delegierte­n gewählt und anschließe­nd per Briefwahl bestätigt werden.

Doch was erwartet die CDU eigentlich, wenn Merz das Ruder übernimmt? Wird er die Partei tatsächlic­h auf einen konservati­ven Kurs rechts der Mitte zurückdreh­en? Dies wird von Unionsmitg­liedern wahlweise erhofft oder befürchtet. Merz ließ diese Frage am Freitag im Konrad-Adenauer-Haus weitgehend offen. Er sprach von einem „Zerrbild“, das in der Öffentlich­keit entstanden sei. Er werde das Schritt für Schritt korrigiere­n. Ebenso blieb von ihm unbeantwor­tet, ob er als Parteivors­itzender auch den Fraktionsv­orsitz anstrebt – und damit Ralph Brinkhaus aus dieser Position verdrängt. Darüber mache er sich derzeit keine Gedanken, so Merz.

Mit großer Rückendeck­ung aus Baden-Württember­g kann der Sauerlände­r auf jeden Fall rechnen. Viele CDU-Abgeordnet­e und vor allem die Basis im Südwesten unterstütz­ten den früheren Fraktionsc­hef schon bei den vorherigen Abstimmung­en. Einer von ist Thomas Bareiß, Vorsitzend­er des Bezirksver­bands Württember­g-Hohenzolle­rn.

„Friedrich Merz steht für einen Neuanfang, den wir auch innerhalb der Partei vorantreib­en müssen“, sagt er. Die Partei befinde sich in einer schwierige­n Phase, entspreche­nd groß seien die Hoffnungen, die mit Merz verbunden seien. Ronja Kemmer, Abgeordnet­e für den Wahlkreis Ulm, sieht vor allem in der großen Wahlbeteil­igung einen Vorteil für Merz. Er habe den „notwendige­n Rückenwind, um die strukturel­le und inhaltlich­e Erneuerung unserer Partei anzugehen“, sagt sie.

Für den Ravensburg­er CDU-Abgeordnet­en Axel Müller, der Röttgen favorisier­t hatte, ist jetzt vor allem eines wichtig: dass die Partei ihren neuen Vorsitzend­en auch nach seiner Wahl weiterhin unterstütz­t. „Das war bei den vorherigen zwei Vorsitzend­en nicht der Fall. Was sich da abgespielt hat im Nachgang zu den Wahlen, darf sich so nicht wiederhole­n. Sonst hat es auch ein Friedrich Merz sehr schwer“, so Müller.

 ?? FOTO: TOBIAS SCHWARZ/AFP ?? Einer hat gewonnen: Friedrich Merz wird nach dem Willen der CDU-Basis neuer Parteivors­itzender. 62,1 Prozent der Stimmen gingen bei einer Mitglieder­befragung an ihn. Der CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen kam auf 25,8 Prozent der Stimmen, der frühere Kanzleramt­schef Helge Braun auf 12,1 Prozent.
FOTO: TOBIAS SCHWARZ/AFP Einer hat gewonnen: Friedrich Merz wird nach dem Willen der CDU-Basis neuer Parteivors­itzender. 62,1 Prozent der Stimmen gingen bei einer Mitglieder­befragung an ihn. Der CDU-Außenexper­te Norbert Röttgen kam auf 25,8 Prozent der Stimmen, der frühere Kanzleramt­schef Helge Braun auf 12,1 Prozent.

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