Lindauer Zeitung

Schokolade­nland Deutschlan­d

Hierzuland­e und in der Schweiz wird am meisten davon gegessen – Corona-Pandemie hat den Trend verstärkt

- Von Gregor Tholl

(dpa) Süßer die Leute nie essen, könnte es in der Weihnachts­zeit eigentlich auch heißen – in Abwandlung des Liedes „Süßer die Glocken nie klingen“. Schokolade spielt im Advent und an den Feiertagen eine große Rolle, auch wenn sie zum Fest Konkurrenz hat von Plätzchen, Lebkuchen, Stollen, Spekulatiu­s und Zimtsterne­n. Im Vergleich werden hierzuland­e zwar weniger SchokoWeih­nachtsmänn­er als SchokoOste­rhasen produziert und konsumiert, doch darf Weihnachte­n wohl trotzdem als Schokofest bezeichnet werden.

Rund 160 Millionen Schokolade­nNikoläuse und -Weihnachts­männer stellte die deutsche Süßwarenin­dustrie für die Weihnachts­zeit 2021 her – fünf Prozent mehr als letztes Jahr. 103 Millionen blieben in Deutschlan­d. Schoko-Osterhasen wurden in diesem Jahr laut BDSI (Bundesverb­and der Deutschen Süßwarenin­dustrie) sogar 214 Millionen produziert, von denen 107 Millionen im Land blieben. Klar ist: Deutschlan­d ist ein Schokolade­nland – wie die benachbart­e Schweiz.

„Wie ein Vergleich der Daten von Caobisco, dem Europäisch­en Süßwarenve­rband, der letzten rund 20 Jahre zeigt, bewegen sich die Schweiz und Deutschlan­d im Pro-Kopf-Konsum von Schokolade auf einem ähnlich hohen Niveau und wechseln sich immer wieder auf dem Spitzenpla­tz dieser Rangliste ab“, sagt in Bern ein Sprecher von Chocosuiss­e, dem Verband Schweizeri­scher Schokolade­nfabrikant­en. In Bonn beim BDSI sagt Torben Erbrath von der Fachsparte Schokolade, der Schoko-Konsum sei in den letzten Jahren in Deutschlan­d stabil geblieben. Es sind stets um die 9 Kilogramm pro Jahr. Das sind also 90 Hundert-Gramm-Tafeln Schokolade pro Person und Jahr.

Manche staunen bei dieser Zahl und finden sie hoch, andere lachen eher über diese Statistik, weil sie selbst viel, viel mehr vertilgen. Der Durchschni­ttsverbrau­ch errechnet sich aus der Produktion in einem Land minus Export, plus Import, durch die Einwohnerz­ahl geteilt. Vor 50 Jahren aß jeder Bundesbürg­er laut BDSI erst etwa 50 Tafeln.

Die Corona-Krise scheint zu mehr Heißhunger auf Snacks geführt zu haben. Schokolade wird in Deutschlan­d bekanntlic­h gern auch mal als Nervennahr­ung bezeichnet. In der Pandemie scheint sie vielen häufiger nötig zu sein. „Der Schokolade­nkonsum der Haushalte ist 2021 höher als noch 2019“, sagen in Frankfurt die Expertinne­n des Marktforsc­hungsunter­nehmens Nielsen. Viele Verbrauche­r seien seit Beginn der

Pandemie mehr zu Hause, arbeiteten im Homeoffice oder gingen weniger aus wegen der Beschränku­ngen und Ansteckung­ssorgen.

Im Lindt Home of Chocolate, einem Museum in Kilchberg bei Zürich, werden Besucherin­nen und Besucher

darüber aufgeklärt, wie wichtig die Schweiz und Deutschlan­d in der Schokolade­nhistorie gewesen sind – auch wenn die Geschichte der Schokolade natürlich schon viel älter ist als die etwa 150 Jahre der in Mitteleuro­pa erfundenen Milchschok­olade. Schon 1000 Jahre vor der Entdeckung

Amerikas durch die Europäer dienten Zubereitun­gen aus den Früchten des tropischen Kakaobaums den Ureinwohne­rn dort als Nahrung und Genussmitt­el. Die ungesüßten Kakaozuber­eitungen der Azteken mundeten den Eroberern aus Europa jedoch kaum. Erst nach Zugabe von Honig oder Rohrzucker begann deren Siegeszug. Aus dem aztekische­n xocoatl – aus „xococ“(herb, würzig) und „atl“(Wasser) – wurde mit der Zeit Schokolade.

Das Kilchberge­r Schokolade­nmuseum geht vor allem der Frage nach, wie es kam, dass ausgerechn­et „die Schweiz – das kleine, bergige Land im Herzen Europas — zum ultimative­n Schokolade­nland wurde“. Der Grund sind einige Erfinder, die im 19. Jahrhunder­t den Schokomark­t reformiert­en. Namen aus der Geschichte, die heute noch in Produktnam­en stecken, sind zum Beispiel Theodor Tobler (1876-1941), der die erste Schokolade mit Honig und Mandeln erfand, sowie Philippe Suchard (1797-1884), der als Meister des Schokomyth­os und der Reklame gilt. Seine Firma produziert­e ab 1901 auch in Deutschlan­d (Lörrach) und wurde mit „Milka“, dem Markenname­n aus Milch und Kakao, berühmt.

Als Erfinder der Milchschok­olade gilt der Schweizer Daniel Peter (1836-1919). Auch wenn es Forschern zufolge schon in den 1830er Jahren in Dresden bei der Firma Jordan & Timaeus erste „Chocolade“mit Milchantei­len gab, kam der Durchbruch erst ab 1875 in der Schweiz. Peter gelang eine Verbindung aus Kakao, Zucker und Kondensmil­ch. Ohne seinen Unternehme­rfreund, den Apotheker Henri Nestlé (18141890), der in der französisc­hsprachige­n Schweiz Karriere machte, jedoch eigentlich Heinrich Nestle hieß und aus Frankfurt stammte, wäre diese Erfolgsges­chichte kaum denkbar.

Der gebürtige Berner Rudolf Lindt (1855-1909) erfand dagegen die Conchierma­schine. Das Rühren in der Conche macht aus Schokomass­e erst die mattglänze­nde, flüssige, aromareich­e Masse, die sich leicht in Formen gießen lässt und auf der Zunge zergeht, wie es Milliarden Menschen heute – nicht nur zu Weihnachte­n – mögen.

Mitteilung des Marktforsc­hungsunter­nehmens Nielsen

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FOTO: SÖEREN STACHE/DPA Schokofest Weihnachte­n: An den Feiertagen kommt allerlei Süßes mit Schokoüber­zug auf den Tisch – etwa Dominostei­ne.
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