Der Zauberer hinter der Kamera
Steven Spielberg wird 75 – Der Regisseur und Produzent hat sich nie auf ein Genre festgelegt und beweist immer aufs Neue den Blick für den einen dramatischen Moment
SVon Katja Waizenegger
und Agenturen
uperlative finden sich unzählige bei Steven Spielberg: Als die einflussreichste Person der Filmgeschichte bezeichnete ihn das US-Magazin „Premiere“, das „Life Magazine“ernannte ihn zum einflussreichsten Menschen seiner Generation. Doch die meisten Kinogänger denken beim Namen Spielberg eher an zunächst harmlos wirkende Bilder und Gesten, die in der Folge eine unglaubliche Dramatik entwickeln: Die Haiflosse, die ruhig durchs Wasser zieht, der kleine Elliott, der einem Außerirdischen seinen Finger hinhält, der rote Mantel eines Mädchens im Krakauer Getto, der später im KZ wieder auf einem Karren mit Toten auftaucht. Das Gespür für den einen dramatischen Moment hat sich der Regisseur und Produzent stets bewahrt. Am Samstag wird Steven Spielberg 75 Jahre alt, denkt aber nicht ans Aufhören.
Der jüngste Coup von Spielberg beruht auf einer Kindheitserinnerung. Er sei elf Jahre alt gewesen, als seine Eltern eine Schallplatte des Broadway-Hits „West Side Story“(1957) nach Hause gebracht hätten, erzählte der Regisseur Anfang Dezember der Zeitung „Boston Herald“. Mit Begeisterung habe er die Texte gelernt und die Lieder gesungen. Seine eigene Adaption, basierend auf dem Musical-Klassiker aus der Feder von Leonard Bernstein (Musik), Stephen Sondheim (Liedtexte) und Arthur Laurents (Buch), läuft seit dem 9. Dezember in den deutschen Kinos.
Während Filmkritiker der „West Side Story“gute Oscar-Chancen einräumen – die Verleihung findet Ende März statt – arbeitet Spielberg längst an seinem nächsten Projekt. Mit dem autobiografisch geprägten Drama „The Fabelmans“schaut der Sohn einer jüdischen Familie auf seine Kindheit zurück. Man darf gespannt sein, ob man in diesem Film mehr erfährt über die Herkunft von Steven Spielberg. Bekannt ist, dass seine jüdischen Vorfahren ursprünglich aus dem gleichnamigen Städtchen Spielberg in der Steiermark kamen.
Steven Spielberg wuchs als Sohn einer Pianistin und eines Elektroingenieurs zunächst in einem kleinen Ort in New Jersey auf. Nach der Scheidung der Eltern zog er mit seinem Vater nach Kalifornien. Bereits mit zwölf Jahren drehte Spielberg erste Amateurfilme, mit 13 gewann er einen Wettbewerb mit dem Kriegsfilm „Escape to Nowhere“(1960). Die University of California wollte ihn dennoch nicht als Filmstudenten aufnehmen. Zweimal wurde er abgelehnt, behalf sich mit einem Praktikum bei den Universal Studios in Los Angeles. 1969 drehte er den Kurzfilm, „Amblin“, der erfolgreich auf Festivals lief. Der erst 22-Jährige erhielt daraufhin einen Vertrag bei den Universal Studios, für die er Episoden von TV-Serien wie „Dr. med Marcus Welby“inszenierte. Zunächst fürs Fernsehen drehte er 1971 „Duell“, das die nervenaufreibende Jagd eines Lasters auf ein Auto zeigt.
1974 lief Spielbergs Kinodebüt „Sugarland Express“. Doch auch wenn der Film beim Publikum durchfiel, die Kritiker waren begeistert, feierten euphorisch das Ausnahmetalent. Diese mediale Aufmerksamkeit half sicher dabei, dass im darauffolgenden Jahr „Der weiße Hai“in die Kinos kommen konnte. Die Menschen standen Schlange an den Kinokassen. „Der weiße Hai“war der erste von vielen Blockbusterfilmen, die folgen sollten.
Geld spielte von da an keine Rolle mehr in Spielbergs Produktionen. Die Budgets der Filme stiegen in den 1970er-Jahren ins Unermessliche, den Special Effects und vor allem auch dem Merchandising kam eine immer größere Bedeutung zu. Mit „Jäger des verlorenen Schatzes“ drehte Spielberg 1981 den ersten Film um den Abenteurer und Wissenschaftler Indiana Jones, der sich mit den Nazis („Nazis? I hate these guys!“) um die Bundeslade streitet. Für diese Reihe arbeitete er mit seinem Freund Georg Lucas, dem „Star Wars“-Erfinder, zusammen.
Ab Ende der 1970er-Jahre reihte sich ein Kassenschlager an den anderen, bevor Spielberg 1982 mit „E.T.“seine eigenen Rekorde einstellte. Die Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Außerirdischen rührte Zuschauer auf der ganzen Welt zu Tränen und gilt bis heute als einer der erfolgreichsten Kinofilme.
Neue Töne schlug Steven Spielberg 1985 mit „Die Farbe Lila“an. Das Drama über das Schicksal einer schwarzen Frau in den US-Südstaaten holte elf Oscar-Nominierungen, ging bei der Verleihung allerdings leer aus. Auch Spielberg musste die Erfahrung machen, dass sich ein Film mit einer schwarzen Hauptdarstellerin, in dem Fall Whoopie Goldberg, im weißen Hollywood schwer tat.
Spielbergs Oscar-Triumph kam dann mit dem Holocaust-Drama „Schindlers Liste“. Der Film über das Leben des Industriellen Oskar Schindler, der während des Zweiten Weltkriegs Juden in seinen Betrieben beschäftigte und so vor dem Tod rettete, kam im Dezember 1993 in die US-Kinos. Der Regisseur drehte über Monate hinweg an vielen Originalschauplätzen, etwa vor den Toren des Konzentrationslagers Auschwitz.
„Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich war, bevor ich nach Polen ging“, sagte Spielberg damals. Der Film gewann insgesamt sieben OscarTrophäen. 1994 gründete er die „Shoah Foundation“, die in großem Umfang Schilderungen von HolocaustÜberlebenden aufzeichnet und bewahren will. Seinen zweiten RegieOscar nahm Spielberg 1999 für den Kriegsfilm „Der Soldat James Ryan“entgegen.
Dass sich Spielberg nie auf ein Genre festlegen ließ, bewieß „Jurrasic Parc“, der wie „Schindlers Liste“1993 in die Kinos kam. Mal kindlich und abenteuerlustig, bunt und knallig wie in diesem Dino-Film, mal nachdenklich, kritisch und investigativ, vor allem was die Zeit des Zweiten Weltkriegs betraf – Spielberg passte und passt immer noch in keine Filmschublade. In diesem Genremix setzte er seine Karriere fort. Und es war auch Kassengift dabei: „Always“(1989) und „Hook“(1991) zum Beispiel, die weder bei der Kritik noch bei den Zuschauern ankamen.
„Catch me if you can“(2002) mit Leonardo DiCaprio und „Terminal“(2004) mit Tom Hanks hingegen sind Beispiele für die Kunst Spielbergs, das Schicksal eines Einzelgängers tragisch-komisch in Szene zu setzen. 2012 kam dann wieder der Historienfilm „Lincoln“zu Oscar-Ehren.
Einen Rückzieher von einem Herzensprojekt machte Spielberg aber doch. Nach vier „Indiana Jones“-Filmen war er 2020 von dem geplanten fünften Teil der Abenteuersaga abgesprungen. Den Job gab er an den jüngeren Kollegen James Mangold („Walk the Line“) ab, als Produzent ist er aber weiter an Bord. „Indiana Jones 5“mit dem ergrauten Harrison Ford soll 2023 in die Kinos kommen.
Sein Privatleben schirmt Steven Spielberg, der mit seiner Familie in Hollywood lebt, ab. Er ist seit 1991 in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Kate Capshaw (68) verheiratet. Zusammen mit einem Sohn aus erster Ehe und zwei Adoptivkindern hat er sieben Kinder. Woraus Spielberg allerdings nie ein Geheimnis gemacht hat, ist die Unterstützung der demokratischen Partei. Sein Film „Die Verlegerin“mit der befreundeten Meryl Streep (2017) belegt das. Es geht darin um die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere 1971 und ist ein flammendes Plädoyer für die freie Presse in Zeiten von Donald Trump.