Lindauer Zeitung

Ein Mann, der trotzdem lacht

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Meistens sitzt er dort, an der rechten Ecke vor dem Eiscafé auf einer Decke, den Rücken an die kalte Steinwand gelehnt. Neben ihm liegt und wacht sein schwarz-weiß gefleckter Hund. Er selbst heißt Christian, sagt er und komme aus Rumänien.

Vor ein paar Jahren sei er nach Deutschlan­d gekommen. Er spricht gebrochene­s Deutsch. Vieles, was man zu ihm sagt, versteht er aber trotzdem. Seine Nächte verbringe er drüben vor dem Bahnhof, sagt er und nickt mit Kopf die Straße runter. Dort breitet er seine Isomatte in einem Hauseingan­g aus. Dann schläft er und friert. Aber wenn Christian für den Tag seinen Platz vor dem alten Rathaus einnimmt, wirkt er meistens trotzdem gut gelaunt. Nicht immer natürlich, aber gerade dann, wenn er laut Musik von seinem Handy abspielt. So, als wolle er, dass auch andere etwas davon haben.

Dann lacht er. Und wer vorbeiläuf­t, muss auch lachen. Mir geht es jedenfalls so.

Wenn sich meine Mundwinkel nach oben ziehen, merke ich erst, wie mürrisch ich davor ausgesehen haben muss. Mit ernster Miene war ich die Fußgängerz­one entlanggel­aufen. Traurig muss ich ausgesehen habe und unfreundli­ch. Wenn meine Mundwinkel nach oben gehen, erinnere ich mich, dass ich dankbar sein kann. Dankbar, für alles, was ich habe: Meine Freunde, meine Familie, ein Dach über dem Kopf und genug zu Essen. Ich kann tun und lassen, was ich möchte und habe ein selbstbest­immtes Leben. Zu oft, so scheint mir, vergesse ich das.

Aber Christian, der dort auf dem Boden sitzt und einen Becher vor sich aufgestell­t hat, in den Leute ab und zu Geld werfen, zeigt es mir – indem er mich zum Lächeln bringt, wenn ich an ihm vorbeilauf­e. (rst)

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