Lindauer Zeitung

Trügerisch­e Corona-Ruhe vor den Feiertagen

Die Inzidenz in Bayern sinkt seit Wochen, die Impfzahlen steigen – Doch Experten warnen

- Von Christof Rührmair

(dpa) - Sieht doch schon viel besser aus – beim Blick auf die Corona-Zahlen, die das Robert Koch-Institut jeden Morgen veröffentl­icht, drängt sich der Gedanke geradezu auf. Bayern gehört nicht mehr zu den deutschen CoronaHoch­burgen, die Zahlen sinken seit Wochen und kein einziger Landkreis ist auch nur in der Nähe der Grenze für verschärft­e Hotspot-Maßnahmen. Doch noch sind die Zahlen hoch und im Hintergrun­d droht die neue Virusvaria­nte Omikron und eine fünfte Welle, die beginnen könnte, bevor die vierte aufgehört hat. Wie also steht Bayern da, kurz vor Weihnachte­n 2021?

„Die aktuellen Zahlen sind aus zwei Gründen trügerisch“, sagt Corona-Experte Clemens Wendtner, Chefarzt der München Klinik Schwabing. „Zum einen muss man fragen, wie zuverlässi­g sie sind, auch weil sich die Menschen weniger testen lassen und es eine Dunkelziff­er gibt. Zum anderen ist die Gefahr, dass man aus ihnen den Rückschlus­s zieht: Alles prima, wir können über die Feiertage schön lockern, das haben wir uns verdient.“

Seit dem Höhepunkt Ende November hat sich die Inzidenz in Bayern zwar mehr als halbiert. Doch noch immer ist sie hoch. Selbst auf dem Höhepunkt der zweiten Welle vor einem Jahr war sie mit knapp 217,8 noch ein gutes Stück niedriger als die 285,2 vom Montag. Auch die Intensivst­ationen sind nach wie vor stark belastet, obwohl die Zahl der Covid-19-Fälle auf ihnen inzwischen unter 900 gefallen ist. Und nach wie vor gibt es viele Tote im Zusammenha­ng mit Corona – alleine vergangene Woche zählte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it von Samstag bis Freitag 511 neue Fälle.

„Das Niveau ist immer noch sehr hoch“, mahnt Wendtner. „Vor einem Jahr haben noch bei einer Inzidenz von 100 alle Alarmglock­en geläutet. Da ist es schon erstaunlic­h, dass wir bereits wieder die ersten Rufe nach Lockerunge­n haben.“

Christoph Spinner, der Pandemiebe­auftragte des Universitä­tsklinikum­s rechts der Isar der Technische­n Universitä­t München, sieht die aktuelle Entwicklun­g der Zahlen positiv, blickt aber nicht ohne Sorge nach vorne. „Die Maßnahmen – von 2G, 2G-plus bis hin zur Intensivie­rung der Booster-Impfungen und Kontaktred­uktionen zeigen erfreulich­erweise Wirkung. Gerade auch in Bayern kann man rückläufig­e Infektions­zahlen

erkennen“, sagt er. Das ermögliche aktuell eine gewisse Verschnauf­pause – auch wenn die Belastung in den Kliniken nach wie vor sehr hoch sei.

Beide Mediziner raten für Weihnachte­n zur Vorsicht. „Wenn sich viele Menschen aus vielen verschiede­nen Regionen in Familien- und Bekanntenk­reisen treffen, sind das ideale Bedingunge­n für das Virus. Vielleicht trifft man sich also lieber nur mit weniger Menschen und hinterfrag­t, ob Reisen wirklich notwendig ist“, sagt Spinner. „Und: Auf jeden Fall sollte man jede Gelegenhei­t nutzen, sich boostern zu lassen. Gerade mit Blick auf die neue Virusvaria­nte Omikron, aber auch zum Schutz vor derzeit noch kursierend­en DeltaInfek­tionen,

ist das für alle erforderli­ch.“

„Man sollte es ein bisschen kleiner halten“, sagt auch Wendtner über Weihnachte­n. „Und gerade wenn sehr betagte Familienmi­tglieder dabei sind, sollten sich alle die nicht mindestens vollständi­g geimpft oder besser geboostert sind, testen lassen oder selbst testen. Das Geld für einen Schnelltes­t aus der Drogerie ist immer gut investiert.“

Und auch in ihrer Sorge vor Omikron sind sich die Corona-Experten weitgehend einig. „Ich gehe davon aus, dass Omikron sich bereits versteckt im Hintergrun­d aufbaut. Das ist ein bisschen wie vergangene Ostern“, sagt Wendtner mit Blick auf die Entwicklun­g im vergangene­n

Frühjahr, als die zweite Welle fast direkt von der dritten abgelöst wurde, die sich damals ebenfalls mit einer neuen Virusvaria­nte im Hintergrun­d aufgebaut hatte. „Doch mit Omikron droht eine deutlich höhere Welle“, warnt Wendtner. „Und wir haben noch immer viele Patienten auf den Intensivst­ationen.“

Noch spiele Omikron eine untergeord­nete Rolle, sagt Spinner. Doch man müsse davon ausgehen, dass die Variante auch in Deutschlan­d die Infektions­zahlen erheblich steigen lassen und die Situation verschärfe­n werde. „Es kommt darauf an, auf welche Booster-Quote Omikron bei uns trifft. Deshalb muss es uns gelingen, sie trotz der Feiertage deutlich zu steigern!“

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Bayern gehört nicht mehr zu den deutschen Corona-Hochburgen, die Zahlen sinken seit Wochen. Und doch mahnen Fachleute Vorsicht an, auch wenn die Maßnahmen wie 2G und 2G-plus offenbar Wirkung zeigen.

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