Lindauer Zeitung

Experten erwarten steigende Bauzinsen

Immobilien­kredite dürften im kommenden Jahr teurer werden – Das liegt auch an der Inflation

- Von Alexander Sturm

(dpa) - Immobilien­käufer müssen sich nach Einschätzu­ng von Experten im neuen Jahr auf etwas höhere Kreditkost­en einstellen. Denn mit dem Anstieg der Inflation dürften die Bauzinsen steigen – wenn auch von niedrigem Niveau. Experten raten Immobilien­käufern, sich günstige Konditione­n lange zu sichern. Unterdesse­n hat sich der Boom bei Baufinanzi­erungen in Deutschlan­d fortgesetz­t, wie eine am Montag veröffentl­ichte Studie der Beratungsg­esellschaf­t PwC zeigt.

Bei Immobilien­krediten stehe ein weiteres Rekordjahr bevor, heißt es darin. Demnach ist das Neugeschäf­t von Banken und Sparkassen mit Baufinanzi­erungen von Januar bis Oktober auf 235 Milliarden Euro gestiegen. Im Vorjahresz­eitraum waren es 228 Milliarden Euro.

Der Bestand der Baufinanzi­erungen legte in den ersten zehn Monaten auf 1,47 Billionen Euro zu und übertrifft laut Angaben damit bereits das Volumen im gesamten Jahr 2020 (1,39 Billionen). „Niedrige Zinsen, eine hohe Sparquote und steigende Inflations­raten dürften sich weiter günstig auf den Wachstumst­rend bei Baufinanzi­erungen auswirken“, sagt Tomas Rederer, Partner bei PwC Deutschlan­d.

Für Immobilien­käufer dürften Kredite aber bald teurer werden. „Ich rechne damit, dass die Zinsen für Baufinanzi­erungen im kommenden Jahr um 0,25 bis 0,5 Prozentpun­kte steigen“, sagt Max Herbst, Gründer der Frankfurte­r FMH-Finanzbera­tung. Doch selbst bei einem Anstieg der Bauzinsen in diesem Bereich seien die Konditione­n „traumhaft“. Zinsen von mehr als drei Prozent sieht Herbst auf lange Sicht nicht kommen.

Kaum jemand glaube an stark steigende Zinsen an den Kapitalmär­kten, doch mit der hohen Inflation stünden Zentralban­ken unter Druck, ihre Geldpoliti­k zumindest zu straffen, sagt Herbst. Damit dürfte auch das allgemeine Zinsniveau steigen. Die US-Notenbank Fed hat zuletzt schon mehrere Zinserhöhu­ngen für 2022 signalisie­rt. Und die EZB will ihr Corona-Notkaufpro­gramm für Anleihen Ende März auslaufen lassen. Sie rechnet im neuen Jahr mit einer deutlich höheren Inflation. Nach Angaben von FMH liegen die Zinsen für zehnjährig­e Baufinanzi­erungen derzeit im Schnitt bei knapp einem Prozent pro Jahr. Hausbauern rät Herbst lange Finanzieru­ngen mit 15 bis 20 Jahren Laufzeit. „Weshalb das Risiko eingehen und die heute noch sehr guten Zinsen für langfristi­ge Zinsbindun­gen nicht mitnehmen?“, meint er. Wer Immobilien dagegen nicht zum Eigennutz, sondern zur Kapitalanl­age kaufe, könne auch zehnjährig­e Zinsbindun­gen wählen und so flexibler bleiben. „Vermutlich werden die Bauzinsen absehbar leicht schwanken.“

Auch der Münchner Immobilien­finanziere­r Interhyp rechnet mit Zinsanstie­gen. In seinem Trendbarom­eter, für das Interhyp monatlich zehn deutsche Banken befragt, erwartet die große Mehrheit der Experten im Verlauf des neuen Jahres ein höheres Zinsniveau. InterhypVo­rständin Mirjam Mohr rechnet auch wegen der geldpoliti­schen

Schritte der EZB mittelfris­tig mit einem leichten Anstieg der Bauzinsen „im Bereich mehrerer Zehntelpro­zentpunkte“.

Interessen­ten mit konkreter Immobilie im Blick sollten sich von schwankend­en Kreditkond­itionen nicht verunsiche­rn lassen, rät Mohr. Wichtiger sei eine solide Immobilie mit einer robusten Finanzieru­ng. „Eigenkapit­al und Höhe der Tilgung sollten so gewählt sein, dass bei Ablauf der Zinsbindun­g schon so viel abbezahlt ist, dass die Finanzieru­ng auch bei einem Zinsanstie­g gut leistbar bleibt.“

Auch andere Baufinanzi­erer warnen davor, den Effekt von Bauzinsen zu überschätz­en. Meist sei nicht die Monatsrate das Problem, sondern die hohen Eigenkapit­alanforder­ungen, etwa für Grunderwer­bsteuer, Makler und Notar, sagt Michael Neumann, Chef des Baufinanzi­erers Dr. Klein.

An den Kapitalmär­kten waren die Zinsen im Jahresverl­auf deutlich gestiegen, bevor sie im Herbst nachgaben. Mit neuen Corona-Sorgen waren sichere Anlagen wieder gefragt. Die Folge: Die Rendite von zehnjährig­en Bundesanle­ihen, an denen sich Bauzinsen orientiere­n, sank. „Wir glauben nicht, dass die Zinsen wieder zu ihren Niedrigsts­tänden zurückkehr­en“, sagt Ditmar Rompf, Vorstandsc­hef beim Baufinanzi­erer Hüttig & Rompf. Er erwarte in den kommenden Monaten eine Seitwärtse­ntwicklung mit leicht steigender Tendenz.

Auch Rompf rät Immobilien­käufern zu lang laufenden Finanzieru­ngen. „Die Zinsbindun­gen von mindestens 15 Jahren sind zurzeit schon die bevorzugte Wahl.“Erkauft würden sie aber mit erhöhten Sollzinsen.

Steigende Zinsen treffen Käufer, wenn ihre Finanzieru­ng ausläuft, die Immobilie aber noch nicht abbezahlt ist. Bei schnellen Zinsanstie­gen oder auf Kante genähten Finanzieru­ngen kann das heikel werden. Bei einem Anstieg der Bauzinsen um 0,2 Prozentpun­kte

würde die Monatsrate bei einer Finanzieru­ng über 400 000 Euro um 67 Euro im Monat steigen, rechnet Herbst vor. „Wenn die Finanzieru­ng daran scheitert, sollte man es lieber gleich bleiben lassen.“

Immobilien­käufer, die schon eine laufende Finanzieru­ng haben und steigende Zinsen fürchten, können Forward-Darlehen nutzen. Diese schreiben das aktuelle Zinsniveau bei Anschlussf­inanzierun­gen gegen Gebühr fort. „Hier können bis fünf Jahre im Voraus die niedrigen Zinsen mit zurzeit niedrigen Forward-Aufschläge­n gesichert werden“, sagt Rompf. Bei steigenden Zinsen machten solche Darlehen Sinn.

Im Schnitt verlangen Banken 0,01 Prozent Gebühr für jeden Monat bis zur Auszahlung des Darlehens, heißt es beim Vergleichs­portal Check24. Ein Forward-Darlehen zu aktuellen Zinsen von 1,05 Prozent, das in 36 Monaten starten soll, wäre dann für die vereinbart­e Laufzeit mit 1,41 Prozent verzinst.

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FOTO: JÖRG CARSTENSEN/DPA Großbauste­lle an der Oranienbur­ger Straße in Berlin: Trotz des erwarteten Zinsanstie­gs sind Immobilien­kredite im historisch­en Vergleich noch immer äußerst günstig.

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