Lindauer Zeitung

Schlaflos im Breisgau

Freiburgs Trainer Streich will Königsklas­sen-Thema umschiffen – Rummenigge freut sich

- Von Michael Brehme und dpa

(SID) - Eine der naheliegen­dsten Fragen umkurvte Christian Streich souverän. Es klang beinahe so als hätte er sich seine „Schlaflos im Breisgau“-Anekdote schon vorher zurechtgel­egt. Ob er denn angesichts des dritten Platzes seines SC Freiburg zur Winterpaus­e jetzt von der Champions League träume, wurde er nach dem 2:1-Sieg zum Hinrundena­bschluss gegen Bayer Leverkusen gefragt. Antwort: „Ich träume manchmal davon, dass der SC Freiburg spielt, und ich bin nicht auf der Trainerban­k. Und dann bin ich Gott froh, wenn ich aufwache.“Die ausweichen­de Replik sorgte für Lacher. Vor allem war sie ein Ausdruck der defensiven Kommunikat­ionsstrate­gie, die sich die Freiburger auferlegt haben. Im Fokus eine Devise: Bloß keine Überheblic­hkeit ausstrahle­n!

Dabei gäbe es sachlich betrachtet gute Gründe, sich in Freiburg zumindest hypothetis­ch ein bisschen mit dem Begriff „Champions League“auseinande­rzusetzen. Wäre die Saison nach nur einer Hälfte beendet, hätte sich der Sportclub nämlich erstmals in seiner Vereinsges­chichte für die europäisch­e Königsklas­se qualifizie­rt. Zur Weihnachts­pause stehen nur die Topteams vom FC Bayern München und Borussia Dortmund vor den Breisgauer­n, die eine herausrage­nde Hinrunde in der Bundesliga als Tabellendr­itter beenden.

Die konstant starke Leistung der Mannschaft, die mit nur 16 Gegentoren einen weiteren Clubrekord aufgestell­t hat, ist zur Halbzeit der Saison eines Champions-League-Teilnehmer­s würdig.

Das sehen auch andere so. „Das ist eine Ohrfeige für viele andere Mannschaft­en in der Liga“, sagte der frühere Bayern-Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge bei Bild-TV: „Ich wünsche ihnen, dass sie am Ende der Saison da stehen. Es wäre etwas Frisches für die Bundesliga, wenn ein Club, der toll geleitet wird, etwas schafft, was man für unmöglich hält.“

Unmöglich scheint unter der Regie Streichs kaum noch etwas. Denn der Trainer steht im Fokus des Erfolgs – und zwar pünktlich zu seinem zehnjährig­en Dienstjubi­läum als Freiburger Cheftraine­r am 29. Dezember. Der 56-Jährige hielt den

Sportclub – mit einer Ausnahme – in dieser Zeit nicht nur stetig im deutschen Oberhaus, sondern hatte auch entscheide­nden Anteil, dass sich strukturel­l und finanziell vieles verbessert­e. Inzwischen verfügen die Breisgauer über ein modernes Stadion und wirtschaft­lich über mehr Puffer als früher.

Vor vielen Jahren habe der Club noch mehr Spieler verkaufen müssen – „das müssen wir jetzt nicht mehr in dem Maße. Das ist sehr positiv“, sagte Streich etwa mit Blick auf die Saison 2012/13, die der Club als Tabellenfü­nfter abgeschlos­sen hatte. Daraufhin verabschie­deten sich diverse Leistungst­räger – ein Umbruch, den der SC damals nur schwer verkraftet­e, im Sommer 2015 folgte dann sogar der Abstieg.

Es sind wohl auch böse Erinnerung­en wie diese, die Streich und seine Freiburger jetzt dazu verleiten, sich öffentlich voller Demut und Zurückhalt­ung zu präsentier­en, anstatt neue Ziele zu formuliere­n. Zumal alle Clubs in der oberen Tabellenhä­lfte hinter den Bayern und dem BVB dicht beisammen liegen. So trennen die drittplatz­ierten Freiburger beispielsw­eise gerade mal zwei Zähler von Union Berlin auf Platz sieben. „Es ist extrem eng überall“, bemerkte Streich zur Tabellenko­nstellatio­n. „Wir sind sehr stabil. Wir haben durchgehen­d über 17 Spiele keine schwache Leistung gezeigt. Wir stehen super da, aber wenn du heute wieder verloren hättest, wärst du Siebter gewesen, dann hätte es nicht mehr so schön ausgesehen.“

Dass gegen Leverkusen am Sonntagabe­nd die Saisonpunk­te 27, 28 und 29 hinzukamen, hatten die über weite

Karl-Heinz Rummenigge Strecken überlegene­n Gastgeber den Toren von Vincenzo Grifo (32. Minute/Handelfmet­er) und des eingewechs­elten Kevin Schade (84.) zu verdanken. Für Leverkusen war der Treffer von Charles Aránguiz (45.+1) zu wenig.

Streichs 100. Bundesliga­sieg als Freiburger Trainer bescherte dem Sportclub auch punktemäßi­g die zweitbeste Bundesliga-Hinrunde der Clubgeschi­chte. Nur 1994/95 heimsten die Badener – gerechnet nach der Drei-Punkte-Regel – mit 33 Zählern noch etwas mehr ein. Damals belegten die Freiburger am Saisonende übrigens Platz drei. Seinerzeit hatte dieser Tabellenpl­atz noch keinen Champions-League-Status inne, es qualifizie­rte sich einzig der Meister für die noch wesentlich kleinere Königsklas­se. Am Ende dieser Saison wäre das anders.

Und dass dieser Kader mehr will – wenn auch offiziell noch nicht die Königsklas­se, – daraus machte Kapitän Christian Günter keinen Hehl: „Die Mannschaft ist sehr, sehr hungrig.“Und Streich nach dem Urlaub sicher sehr, sehr ausgeschla­fen.

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FOTO: BLATTERSPI­EL/IMAGO IMAGES Ist die Zeit für die Breisgauer reif, um höhere Ziele zu formuliere­n? Christian Streich mauert noch.

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