Schlaflos im Breisgau
Freiburgs Trainer Streich will Königsklassen-Thema umschiffen – Rummenigge freut sich
(SID) - Eine der naheliegendsten Fragen umkurvte Christian Streich souverän. Es klang beinahe so als hätte er sich seine „Schlaflos im Breisgau“-Anekdote schon vorher zurechtgelegt. Ob er denn angesichts des dritten Platzes seines SC Freiburg zur Winterpause jetzt von der Champions League träume, wurde er nach dem 2:1-Sieg zum Hinrundenabschluss gegen Bayer Leverkusen gefragt. Antwort: „Ich träume manchmal davon, dass der SC Freiburg spielt, und ich bin nicht auf der Trainerbank. Und dann bin ich Gott froh, wenn ich aufwache.“Die ausweichende Replik sorgte für Lacher. Vor allem war sie ein Ausdruck der defensiven Kommunikationsstrategie, die sich die Freiburger auferlegt haben. Im Fokus eine Devise: Bloß keine Überheblichkeit ausstrahlen!
Dabei gäbe es sachlich betrachtet gute Gründe, sich in Freiburg zumindest hypothetisch ein bisschen mit dem Begriff „Champions League“auseinanderzusetzen. Wäre die Saison nach nur einer Hälfte beendet, hätte sich der Sportclub nämlich erstmals in seiner Vereinsgeschichte für die europäische Königsklasse qualifiziert. Zur Weihnachtspause stehen nur die Topteams vom FC Bayern München und Borussia Dortmund vor den Breisgauern, die eine herausragende Hinrunde in der Bundesliga als Tabellendritter beenden.
Die konstant starke Leistung der Mannschaft, die mit nur 16 Gegentoren einen weiteren Clubrekord aufgestellt hat, ist zur Halbzeit der Saison eines Champions-League-Teilnehmers würdig.
Das sehen auch andere so. „Das ist eine Ohrfeige für viele andere Mannschaften in der Liga“, sagte der frühere Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge bei Bild-TV: „Ich wünsche ihnen, dass sie am Ende der Saison da stehen. Es wäre etwas Frisches für die Bundesliga, wenn ein Club, der toll geleitet wird, etwas schafft, was man für unmöglich hält.“
Unmöglich scheint unter der Regie Streichs kaum noch etwas. Denn der Trainer steht im Fokus des Erfolgs – und zwar pünktlich zu seinem zehnjährigen Dienstjubiläum als Freiburger Cheftrainer am 29. Dezember. Der 56-Jährige hielt den
Sportclub – mit einer Ausnahme – in dieser Zeit nicht nur stetig im deutschen Oberhaus, sondern hatte auch entscheidenden Anteil, dass sich strukturell und finanziell vieles verbesserte. Inzwischen verfügen die Breisgauer über ein modernes Stadion und wirtschaftlich über mehr Puffer als früher.
Vor vielen Jahren habe der Club noch mehr Spieler verkaufen müssen – „das müssen wir jetzt nicht mehr in dem Maße. Das ist sehr positiv“, sagte Streich etwa mit Blick auf die Saison 2012/13, die der Club als Tabellenfünfter abgeschlossen hatte. Daraufhin verabschiedeten sich diverse Leistungsträger – ein Umbruch, den der SC damals nur schwer verkraftete, im Sommer 2015 folgte dann sogar der Abstieg.
Es sind wohl auch böse Erinnerungen wie diese, die Streich und seine Freiburger jetzt dazu verleiten, sich öffentlich voller Demut und Zurückhaltung zu präsentieren, anstatt neue Ziele zu formulieren. Zumal alle Clubs in der oberen Tabellenhälfte hinter den Bayern und dem BVB dicht beisammen liegen. So trennen die drittplatzierten Freiburger beispielsweise gerade mal zwei Zähler von Union Berlin auf Platz sieben. „Es ist extrem eng überall“, bemerkte Streich zur Tabellenkonstellation. „Wir sind sehr stabil. Wir haben durchgehend über 17 Spiele keine schwache Leistung gezeigt. Wir stehen super da, aber wenn du heute wieder verloren hättest, wärst du Siebter gewesen, dann hätte es nicht mehr so schön ausgesehen.“
Dass gegen Leverkusen am Sonntagabend die Saisonpunkte 27, 28 und 29 hinzukamen, hatten die über weite
Karl-Heinz Rummenigge Strecken überlegenen Gastgeber den Toren von Vincenzo Grifo (32. Minute/Handelfmeter) und des eingewechselten Kevin Schade (84.) zu verdanken. Für Leverkusen war der Treffer von Charles Aránguiz (45.+1) zu wenig.
Streichs 100. Bundesligasieg als Freiburger Trainer bescherte dem Sportclub auch punktemäßig die zweitbeste Bundesliga-Hinrunde der Clubgeschichte. Nur 1994/95 heimsten die Badener – gerechnet nach der Drei-Punkte-Regel – mit 33 Zählern noch etwas mehr ein. Damals belegten die Freiburger am Saisonende übrigens Platz drei. Seinerzeit hatte dieser Tabellenplatz noch keinen Champions-League-Status inne, es qualifizierte sich einzig der Meister für die noch wesentlich kleinere Königsklasse. Am Ende dieser Saison wäre das anders.
Und dass dieser Kader mehr will – wenn auch offiziell noch nicht die Königsklasse, – daraus machte Kapitän Christian Günter keinen Hehl: „Die Mannschaft ist sehr, sehr hungrig.“Und Streich nach dem Urlaub sicher sehr, sehr ausgeschlafen.