Legal kiffen, illegal am Steuer
Cannabiskonsum soll für Erwachsene erlaubt werden – Wie Grüne und FDP deshalb die Verkehrsregeln ändern wollen
- Legalisieren oder verbieten, kleine Mengen ignorieren oder hart durchgreifen? Die Frage, wie der Staat mit Cannabiskonsumenten umgehen soll, beschäftigt die Politik seit Jahrzehnten. Die neue Bundesregierung hat will nun Erwachsenen den Cannabiskonsum unter Auflagen erlauben. Doch wenn diese sich ans Steuer ihres Autos setzen, könnten sie nach wie vor Probleme bekommen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was steht im Koalitionsvertrag zum Cannabiskonsum?
Die Ampel-Koalitionäre von SPD, Grünen und FDP haben sich darauf verständigt, es Erwachsenen zu ermöglichen, auf legalem Wege Cannabis zu erwerben. Durch die Abgabe in Geschäften werde „die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet“, heißt es im Koalitionsvertrag. Nach vier Jahren will die Regierung überprüfen, wie die Auswirkungen des geplanten Gesetzes sind.
Was ist neu an diesem Vorhaben? Bislang gilt Cannabis in Deutschland rechtlich als Betäubungsmittel und fällt unter das Betäubungsmittelgesetz. Erwerb, Besitz, Anbau, Verkauf sind verboten, wer sich nicht daran hält, riskiert eine Geld- oder Haftstrafe.
Der bloße Konsum von Haschisch (aus dem Harz der Pflanze) oder Marihuana (die getrockneten Blüten) ist seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 1994 nicht mehr illegal, deshalb wird der Besitz kleinerer Mengen zum Eigenbedarf toleriert. Die Toleranzgrenzen sind in den Bundesländern allerdings unterschiedlich.
Während in Berlin und Bremen bis zu 15 Gramm als „geringe Menge“betrachtet werden, liegt dieser Wert in Baden-Württemberg bei zehn und in Bayern bei maximal sechs Gramm.
Was gilt für Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr?
Wer sich mit mehr als einem Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum hinter Steuer setzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit oder sogar eine
Straftat, wenn er nicht fahrtüchtig ist. Ob dieser Wert eher hoch oder niedrig angesetzt wird, ist unter Fachleuten umstritten. Wer diesen Ein-Nanogramm-Grenzwert überschreitet, muss auf jeden Fall mit einem Bußgeld, Fahrverbot und Punkten in Flensburg rechnen – unabhängig davon, ob er tatsächlich fahruntüchtig ist oder nicht.
Was Cannabiskonsumenten besonders ärgert: Ihr Risiko, den Führerschein erst dann wiederzubekommen, wenn sie eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) gemacht haben, ist hoch. Der Deutsche Hanfverband kritisierte in einer Anhörung im Verkehrsausschuss im Februar, dass bei Cannabiskonsumenten häufig eine MPU „ohne jeden Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“angeordnet werde. Diese Aussage ist jedoch umstritten.
Wie sind die Grenzwerte bei Alkohol geregelt?
Wer alkoholisiert Auto fährt, geht immer ein gewisses Risiko ein. Denn auch wer weniger als 0,5 Promille Alkohol im Blut hat, muss mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe und Führerscheinentzug rechnen, wenn er einen Unfall verursacht. Von 0,5 Promille an bis 1,09 Promille werden mindestens 500 Euro Bußgeld, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot fällig. Wer mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille und mehr erwischt wird, braucht Geduld und viel Geld, um seinen Führerschein wiederzubekommen. Denn die Führerscheinstelle
kann bereits in diesen Fällen eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen, die ab 1,6 Promille immer ansteht. Die LinkenFraktion im Bundestag hatte in der vergangenen Legislatur einen Antrag auf Gleichstellung von Cannabis und Alkohol konsumierenden Führerscheininhabern eingebracht und für Cannabiskonsumenten einen Grenzwert von zehn Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum gefordert. Dass dieser Wert der 0,5-Promille-Grenze entspricht, wird von Experten aber bezweifelt.
Was sagen Experten dazu?
Die sind sich uneins. Vertreter von Dekra, TÜV und Polizeihochschule warnten bei der öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss vor den
Gefahren für die Verkehrssicherheit, sollte die Ein-Nanogramm-Grenze aufgeweicht werden. Laut Bundesanstalt für Straßenwesen belegten Studien, dass bei einem THC-Wert von 3,8 Nanogramm pro Milliliter Blutserum ähnliche Einschränkungen wie bei einem Alkoholwert von 0,5 Promille zu erkennen seien. Bernd Werse vom Schildower Kreis, ein Expertenkreis, der sich für eine alternative Drogenpolitik einsetzt, befürwortet einen Grenzwert von drei Nanogramm THC/Milliliter Blutserum. Viel wichtiger sei es aber, die Fahrerlaubnis-Verordnung zu ändern. Denn diese lässt nach wie vor zu, regelmäßigen Cannabiskonsumenten den Führerschein zu entziehen, auch wenn sie noch nie berauscht am Steuer erwischt wurden. „Hier steckt eine komplett antiquierte Vorstellung von Menschen mit Drogenerfahrungen als charakterlich nicht für den Führerschein geeignet dahinter“, sagt Werse der „Schwäbischen Zeitung“.
Was passiert mit den Grenzwerten, wenn Cannabis legalisiert ist? Darüber berät eine Grenzwertekommission, die bereits in der vergangenen Legislaturperiode beim Verkehrsministerium eingerichtet wurde. Deren Stellungnahme bleibe abzuwarten, teilt eine Sprecherin des Ministeriums für Digitales und Verkehr mit. Wenn es nach Grünen und FDP geht, ist die Richtung klar: Sie wollen ran an die Grenzwerte im Verkehr. „Mit der kontrollierten Abgabe von Cannabis muss auch ein Grenzwert für THC im Straßenverkehr eingeführt werden, der sich am Grenzwert für Alkohol orientiert“, sagt die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther der „Schwäbischen Zeitung“. Eine Nulltoleranzgrenze für THC sei nicht sinnvoll, da es auch dann noch im Blut nachgewiesen werden könne, „wenn es keinerlei berauschende Wirkung mehr entfaltet“. Der stellvertretende FDPFraktionsvorsitzende Lukas Köhler sagt, die Fraktion werde über neue Grenzwerte „auf wissenschaftlicher Grundlage diskutieren und dann gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern zu einer praktikablen Lösung kommen“. Die SPD-Fraktion hatte in der vergangenen Legislatur gegen die Anträge von Grünen und Linken für eine liberalere CannabisPolitik gestimmt. Diesen Kurs muss sie jetzt wohl überdenken.
Wie halten es andere Staaten?
In allen europäischen Ländern, die eine Regelung für den Straßenverkehr haben, gelten Grenzwerte zwischen null und sechs Nanogramm THC im Blutserum. In den Niederlanden und Norwegen gelten abgestufte Regelungen, höhere Werte führen zu einem höheren Strafmaß. In den USA gibt es Staaten, in denen der Konsum von Cannabis komplett legalisiert ist, aber im Straßenverkehr eine Nulltoleranzpolitik angewandt wird. Dennoch deuten Studien von US-Wissenschaftlern darauf hin, dass die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen bekiffte Fahrer beteiligt waren, seit der Legalisierung zugenommen habe.