Finanzierungen in Grün
Wie sich das Weingartener Unternehmen CHG durch nachhaltiges Wirtschaften niedrigere Kreditzinsen sichert
- Ob der Termin bewusst gewählt war oder zufällig zustande kam, ist nicht überliefert. Fakt aber ist: Die Nachricht, dass der Weingartener Technologiefinanzierer CHG Meridian einen Kredit über 50 Millionen Euro aufgenommen hat, hat das Unternehmen genau an dem Tag publiziert, an dem die EU in Brüssel konkrete Kriterien für klimafreundliche Investitionen festgelegt hat. Es ist der 9. Dezember, und auf den ersten Blick hat das eine mit dem anderen nicht viel gemein. Doch auf den zweiten Blick sind die Mitteilung hier und die Entscheidung dort auf das Engste miteinander verknüpft.
In Brüssel wurde an diesem 9. Dezember ein Rechtsakt angenommen, der Details der sogenannten EU-Taxonomie regelt. Sie definiert, welche Bereiche der Wirtschaft klimafreundlich sind. Die Taxonomie ist umstritten, da sie Weichen für große Finanzströme stellt und den Finanzmarkt zur Durchsetzung klimapolitischer Maßnahmen einspannt. Regulatorische Vorgaben etwa zwingen Banken dazu, einen gewissen Anteil ihrer Gelder in grüne also umweltfreundliche Projekte zu lenken.
Mit der Taxonomie sollen Bürger und Investoren klare Informationen erhalten, was nachhaltige Finanzprodukte genau sind. Davon verspricht sich Brüssel, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisieren. Die EU schätzt, dass jährliche Investitionen in Höhe von 180 Milliarden Euro notwendig sind, um die Klimaund Energieziele zu erreichen.
Banken und Finanzdienstleister haben Nachhaltigkeit seit geraumer Zeit auf ihrer Agenda und inzwischen auch Produkte am Markt, die auf das Thema einzahlen. Und an dieser Stelle kommt der Kredit von CHG Meridian ins Spiel, den das Unternehmen bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und 17 Sparkassen aufgenommen hat. Denn bei dem Darlehen sind die Finanzierungskonditionen an die Nachhaltigkeitsperformance von CHG gekoppelt: Verbessert das Unternehmen spezifische Nachhaltigkeitskennzahlen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung – im Fachjargon ESG-Kriterien genannt –, sinkt die Höhe der für den Kredit zu zahlenden Zinsen. Wird die Performance hingegen schlechter, verteuert sich die Finanzierung.
Wie hoch der Bonus-Malus-Mechanismus ist, wollte CHG-Finanzchef Ulrich Bergmann im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“zwar nicht verraten. Marktüblich ist jedoch eine Spanne zwischen zwei und fünf Basispunkten – im Einzelfall auch mal darüber. In Prozent ausgedrückt sind das 0,02 bis 0,05 Prozent. Bezogen auf die Kreditsumme von 50 Millionen Euro könnte CHG seine Zinskosten also um jährlich bis zu 25 000 Euro verbilligen – oder verteuern.
Doch wie misst man die eigene Nachhaltigkeitsleistung, auf deren Basis die Zinskonditionen angepasst werden? In der Praxis haben sich zwei Herangehensweisen etabliert. Unternehmen können die Finanzierung entweder an ein Rating, also an eine Bewertung einer spezialisierten Nachhaltigkeitsratingagentur koppeln, oder die Performance über individuell mit den Kreditgebern vereinbarte Kennzahlen messen – etwa den CO2-Fußabdruck oder konkrete Energieeinsparziele.
Bei CHG hat man sich für Ersteres entschieden. Die Zinshöhe der Finanzierung ist an den Ecovadis Sustainability Score gekoppelt, der jährlich 21 Kriterien aus den vier Themenbereichen Umwelt, Arbeitsund Menschenrechte, Ethik sowie nachhaltige Beschaffung bewertet – etwa den Energieverbrauch, die Arbeitssicherheit, Maßnahmen gegen Korruption oder die Diversität im Management. „Am Ende dieses Prozesses kommt eine Bewertung auf einer Skala von 0 bis 100 heraus“, erklärt Matthias Münzing, bei Ecovadis verantwortlich für die DACHRegion, also Deutschland, Österreich und die Schweiz, „die dann noch einmal ins Verhältnis zur Branche gesetzt wird.“Das beste Prozent der Branchenvertreter erhält PlatinStatus, die besten fünf Prozent GoldStatus, die besten 25 Prozent SilberStatus und wer es unter die besten 50 Prozent schafft bekommt BronzeStatus.
CHG hat es im ersten Anlauf auf Silber geschafft. Es ist also noch Luft nach oben – etwa beim Thema Diversität und der Zusammensetzung des vierköpfigen Vorstands, der aktuell ausschließlich aus Männern besteht.
Die aus der Verbesserung des Ecovadis-Ratings erzielbaren Zinsvorteile sind zwar homöopathischer Natur. CHG-Finanzchef Bergmann gesteht denn auch ein, dass möglichst günstige Finanzierungskosten nicht der Beweggrund für diese Transaktion waren – es gehe vor allem um Reputation und um die Verknüpfung des eigenen, auf Nachhaltigkeit ausgelegten Geschäftsmodells
mit einer ebensolchen Finanzierungsstrategie. „CHG setzt auf die ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft. 96 Prozent unserer Miet- und Leasing-Geräte werden zweitverwertet“, erklärt der Manager. Der Kredit beweise sowohl in der Vergabe als auch in der Höhe Vertrauen in die Nachhaltigkeitskompetenz des Unternehmens.
Doch der Konditionenaspekt könnte perspektivisch wichtiger werden. Denn in Politik und Finanzbranche wird intensiv darüber diskutiert, die Eigenkapitalanforderungen an Banken für grüne Finanzierungen zu senken, um ökologische beziehungsweise nachhaltige Investments attraktiver zu machen. Die Vorteile, die sich daraus für Banken ergeben, könnten an die Kapitalnehmer weitergegeben werden.
Finanzierungskosten an die Nachhaltigkeit zu koppeln, ist allerdings kein logischer Selbstläufer: Der Zins spiegelt im Wesentlichen nur das Ausfallrisiko des Kreditgebers wider – und das hat mit Nachhaltigkeit nur bedingt zu tun. Deshalb wird parallel darüber nachgedacht, ob nicht eher Finanzierungen nichtnachhaltiger Projekte oder Unternehmen durch höhere Eigenkapitalanforderungen belastet werden sollten. Dadurch würden die Finanzierungskosten dieser Unternehmen steigen.
Schon heute werden Finanzierungen für grüne Projekte von den Banken bevorzugt – etwa bei Immobilienkrediten für energieeffiziente Gebäude. „Solche Objekte stellen für die Bank einen höheren Sicherungswert dar“, erklärt Franz Schmid, Chef der Bezirksvereinigung der Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Region Ravensburg-Bodensee-Sigmaringen. Dadurch verringere sich der Blankoanteil einer Finanzierung, also die Differenz der bankeigenen Bewertung der Immobilie und dem durch den Kreditnehmer in Anspruch genommenen Darlehensbetrag, was sich positiv auf die Konditionen auswirke.
Noch werden aber auch fast alle konventionellen Zwecke finanziert, und die Einsparungen bei nachhaltigen Finanzierungen sind zu gering, um Investitionsentscheidungen zu beeinflussen. Doch Unternehmen und Verbraucher sollten nicht darauf bauen, dass das so bleibt. Denn wenn die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit zu langsam verläuft, dürfte die Politik in gewohnter Manier Banken über die Regulatorik in die Pflicht nehmen: Finanzierungen für die falschen Zwecke werden dann – ähnlich dem System von Zuckerbrot und Peitsche – unangenehm teurer oder gar nicht mehr zu bekommen sein.