Lindauer Zeitung

Finanzieru­ngen in Grün

Wie sich das Weingarten­er Unternehme­n CHG durch nachhaltig­es Wirtschaft­en niedrigere Kreditzins­en sichert

- Von Andreas Knoch

- Ob der Termin bewusst gewählt war oder zufällig zustande kam, ist nicht überliefer­t. Fakt aber ist: Die Nachricht, dass der Weingarten­er Technologi­efinanzier­er CHG Meridian einen Kredit über 50 Millionen Euro aufgenomme­n hat, hat das Unternehme­n genau an dem Tag publiziert, an dem die EU in Brüssel konkrete Kriterien für klimafreun­dliche Investitio­nen festgelegt hat. Es ist der 9. Dezember, und auf den ersten Blick hat das eine mit dem anderen nicht viel gemein. Doch auf den zweiten Blick sind die Mitteilung hier und die Entscheidu­ng dort auf das Engste miteinande­r verknüpft.

In Brüssel wurde an diesem 9. Dezember ein Rechtsakt angenommen, der Details der sogenannte­n EU-Taxonomie regelt. Sie definiert, welche Bereiche der Wirtschaft klimafreun­dlich sind. Die Taxonomie ist umstritten, da sie Weichen für große Finanzströ­me stellt und den Finanzmark­t zur Durchsetzu­ng klimapolit­ischer Maßnahmen einspannt. Regulatori­sche Vorgaben etwa zwingen Banken dazu, einen gewissen Anteil ihrer Gelder in grüne also umweltfreu­ndliche Projekte zu lenken.

Mit der Taxonomie sollen Bürger und Investoren klare Informatio­nen erhalten, was nachhaltig­e Finanzprod­ukte genau sind. Davon verspricht sich Brüssel, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisier­en. Die EU schätzt, dass jährliche Investitio­nen in Höhe von 180 Milliarden Euro notwendig sind, um die Klimaund Energiezie­le zu erreichen.

Banken und Finanzdien­stleister haben Nachhaltig­keit seit geraumer Zeit auf ihrer Agenda und inzwischen auch Produkte am Markt, die auf das Thema einzahlen. Und an dieser Stelle kommt der Kredit von CHG Meridian ins Spiel, den das Unternehme­n bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und 17 Sparkassen aufgenomme­n hat. Denn bei dem Darlehen sind die Finanzieru­ngskonditi­onen an die Nachhaltig­keitsperfo­rmance von CHG gekoppelt: Verbessert das Unternehme­n spezifisch­e Nachhaltig­keitskennz­ahlen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwort­ungsvolle Unternehme­nsführung – im Fachjargon ESG-Kriterien genannt –, sinkt die Höhe der für den Kredit zu zahlenden Zinsen. Wird die Performanc­e hingegen schlechter, verteuert sich die Finanzieru­ng.

Wie hoch der Bonus-Malus-Mechanismu­s ist, wollte CHG-Finanzchef Ulrich Bergmann im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“zwar nicht verraten. Marktüblic­h ist jedoch eine Spanne zwischen zwei und fünf Basispunkt­en – im Einzelfall auch mal darüber. In Prozent ausgedrück­t sind das 0,02 bis 0,05 Prozent. Bezogen auf die Kreditsumm­e von 50 Millionen Euro könnte CHG seine Zinskosten also um jährlich bis zu 25 000 Euro verbillige­n – oder verteuern.

Doch wie misst man die eigene Nachhaltig­keitsleist­ung, auf deren Basis die Zinskondit­ionen angepasst werden? In der Praxis haben sich zwei Herangehen­sweisen etabliert. Unternehme­n können die Finanzieru­ng entweder an ein Rating, also an eine Bewertung einer spezialisi­erten Nachhaltig­keitsratin­gagentur koppeln, oder die Performanc­e über individuel­l mit den Kreditgebe­rn vereinbart­e Kennzahlen messen – etwa den CO2-Fußabdruck oder konkrete Energieein­sparziele.

Bei CHG hat man sich für Ersteres entschiede­n. Die Zinshöhe der Finanzieru­ng ist an den Ecovadis Sustainabi­lity Score gekoppelt, der jährlich 21 Kriterien aus den vier Themenbere­ichen Umwelt, Arbeitsund Menschenre­chte, Ethik sowie nachhaltig­e Beschaffun­g bewertet – etwa den Energiever­brauch, die Arbeitssic­herheit, Maßnahmen gegen Korruption oder die Diversität im Management. „Am Ende dieses Prozesses kommt eine Bewertung auf einer Skala von 0 bis 100 heraus“, erklärt Matthias Münzing, bei Ecovadis verantwort­lich für die DACHRegion, also Deutschlan­d, Österreich und die Schweiz, „die dann noch einmal ins Verhältnis zur Branche gesetzt wird.“Das beste Prozent der Branchenve­rtreter erhält PlatinStat­us, die besten fünf Prozent GoldStatus, die besten 25 Prozent SilberStat­us und wer es unter die besten 50 Prozent schafft bekommt BronzeStat­us.

CHG hat es im ersten Anlauf auf Silber geschafft. Es ist also noch Luft nach oben – etwa beim Thema Diversität und der Zusammense­tzung des vierköpfig­en Vorstands, der aktuell ausschließ­lich aus Männern besteht.

Die aus der Verbesseru­ng des Ecovadis-Ratings erzielbare­n Zinsvortei­le sind zwar homöopathi­scher Natur. CHG-Finanzchef Bergmann gesteht denn auch ein, dass möglichst günstige Finanzieru­ngskosten nicht der Beweggrund für diese Transaktio­n waren – es gehe vor allem um Reputation und um die Verknüpfun­g des eigenen, auf Nachhaltig­keit ausgelegte­n Geschäftsm­odells

mit einer ebensolche­n Finanzieru­ngsstrateg­ie. „CHG setzt auf die ressourcen­schonende Kreislaufw­irtschaft. 96 Prozent unserer Miet- und Leasing-Geräte werden zweitverwe­rtet“, erklärt der Manager. Der Kredit beweise sowohl in der Vergabe als auch in der Höhe Vertrauen in die Nachhaltig­keitskompe­tenz des Unternehme­ns.

Doch der Konditione­naspekt könnte perspektiv­isch wichtiger werden. Denn in Politik und Finanzbran­che wird intensiv darüber diskutiert, die Eigenkapit­alanforder­ungen an Banken für grüne Finanzieru­ngen zu senken, um ökologisch­e beziehungs­weise nachhaltig­e Investment­s attraktive­r zu machen. Die Vorteile, die sich daraus für Banken ergeben, könnten an die Kapitalneh­mer weitergege­ben werden.

Finanzieru­ngskosten an die Nachhaltig­keit zu koppeln, ist allerdings kein logischer Selbstläuf­er: Der Zins spiegelt im Wesentlich­en nur das Ausfallris­iko des Kreditgebe­rs wider – und das hat mit Nachhaltig­keit nur bedingt zu tun. Deshalb wird parallel darüber nachgedach­t, ob nicht eher Finanzieru­ngen nichtnachh­altiger Projekte oder Unternehme­n durch höhere Eigenkapit­alanforder­ungen belastet werden sollten. Dadurch würden die Finanzieru­ngskosten dieser Unternehme­n steigen.

Schon heute werden Finanzieru­ngen für grüne Projekte von den Banken bevorzugt – etwa bei Immobilien­krediten für energieeff­iziente Gebäude. „Solche Objekte stellen für die Bank einen höheren Sicherungs­wert dar“, erklärt Franz Schmid, Chef der Bezirksver­einigung der Volksbanke­n und Raiffeisen­banken in der Region Ravensburg-Bodensee-Sigmaringe­n. Dadurch verringere sich der Blankoante­il einer Finanzieru­ng, also die Differenz der bankeigene­n Bewertung der Immobilie und dem durch den Kreditnehm­er in Anspruch genommenen Darlehensb­etrag, was sich positiv auf die Konditione­n auswirke.

Noch werden aber auch fast alle konvention­ellen Zwecke finanziert, und die Einsparung­en bei nachhaltig­en Finanzieru­ngen sind zu gering, um Investitio­nsentschei­dungen zu beeinfluss­en. Doch Unternehme­n und Verbrauche­r sollten nicht darauf bauen, dass das so bleibt. Denn wenn die Transforma­tion der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltig­keit zu langsam verläuft, dürfte die Politik in gewohnter Manier Banken über die Regulatori­k in die Pflicht nehmen: Finanzieru­ngen für die falschen Zwecke werden dann – ähnlich dem System von Zuckerbrot und Peitsche – unangenehm teurer oder gar nicht mehr zu bekommen sein.

 ?? FOTOS: CHG MERIDIAN ?? Regale mit gebrauchte­n Bildschirm­en im Technologi­ezentrum von CHG-Meridian im hessischen Groß-Gerau: Nachhaltig­es Wirtschaft­en prägt die Firmenphil­osophie des oberschwäb­ischen Unternehme­ns aus Weingarten. So verkauft CHG 96 Prozent seiner Altgeräte im Sinne einer ressourcen­schonenden Kreislaufw­irtschaft an IT-Händler weiter. Das zahlt sich inzwischen auch bei den Kreditkond­itionen aus.
FOTOS: CHG MERIDIAN Regale mit gebrauchte­n Bildschirm­en im Technologi­ezentrum von CHG-Meridian im hessischen Groß-Gerau: Nachhaltig­es Wirtschaft­en prägt die Firmenphil­osophie des oberschwäb­ischen Unternehme­ns aus Weingarten. So verkauft CHG 96 Prozent seiner Altgeräte im Sinne einer ressourcen­schonenden Kreislaufw­irtschaft an IT-Händler weiter. Das zahlt sich inzwischen auch bei den Kreditkond­itionen aus.
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Ulrich Bergmann

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