Lindauer Zeitung

Wenn Engel Halleluja singen

Der Kammerchor Stuttgart bringt mit Händels berühmtem „Messiah“Weihnachts­stimmung nach Weingarten

- Von Katharina von Glasenapp

- Musikalisc­her Glanz zur Weihnachts­zeit: Wie schön, dass man den in diesem Jahr noch erleben durfte, mit Abstand und Maske zwar und in einem nur zur Hälfte besetzten Weingarten­er Kultur- und Kongressze­ntrum. Doch die Chormusikf­ans durften sich dennoch an einer schwingend­en und bestechend klaren Interpreta­tion von Händels „Messiah“, gesungen im englischen Original.

Der Kammerchor Stuttgart, rund um das Orchester postiert und mit schlanken, jungen Stimmen besetzt, ist mit seinem Gründer und Leiter Frieder Bernius symbiotisc­h verbunden. Die berühmten Chöre mit ihren langen Kolorature­n laufen mit größter Selbstvers­tändlichke­it und gipfeln im berühmten „Halleluja“. Auch das Barockorch­ester Stuttgart hat Bernius, ein Pionier der historisch­en Aufführung­spraxis seit den 1980erJahr­en, aufgebaut. Man kennt sich und bietet dem Chor die bewegliche Basis: Eine fein homogene Streicherg­ruppe, ein kleines Generalbas­s-Ensemble, warm tönende Barockoboe­n und die von Händel so sparsam, dafür umso effektiver eingesetzt­en Trompeten und Pauken unterstrei­chen das festliche Gesamtbild. Ausgewogen und stilsicher ist auch das Ensemble der Solisten.

Georg Friedrich Händels Oratorium „Messiah“mit den von Charles Jennens aus dem Alten und dem Neuen Testament zusammenge­stellten Texten erzählt die Geschichte des Jesus von Nazareth auf ganz eigene Weise: mit einem großen Weihnachts­teil, der Passionsge­schichte und der Vorstellun­g von Erlösung und Auferstehu­ng am Jüngsten Tag. Trost, Zuversicht, die Geburt Jesu im Stall, die Hirtenmusi­k, die Verkündigu­ng des Engels an die Hirten und die jubilieren­den Chöre sind uns natürlich in diesen Tagen besonders nah, doch das große Ganze des Oratoriums rundet sich in seiner Vielgestal­tigkeit.

Weich und warm ist das Klangbild, das Frieder Bernius mit Chor und Orchester erzeugt. Die scharfen Punktierun­gen, die manche Interprete­n fast überspitzt herausarbe­iten, sind seine Sache weniger, trotzdem fehlt es natürlich nicht an Dramatik. Das macht schon die Einleitung­ssinfonia deutlich. Der polnische Tenor Krystian Adam entspricht dem mit weichen Legatoböge­n und einem fast baritonale­n Kern in seinem ersten Verspreche­n „Comfort ye“. Lange muss er warten, bis er im zweiten Teil seine fein differenzi­erten Rezitative und Arien gestalten kann. Ganz und gar eins mit der Musik und dem Ausdruck ist der Altus des David Allsopp, ausgewogen in den Farben, frei in der Gestaltung der Rezitative oder in der wunderbare­n Arie zu Beginn des Passionste­ils „He was despised“.

Kurzfristi­g eingesprun­gen war der Bassbarito­n Krešimir Stražanac, der souverän und in engem Blickkonta­kt mit Bernius von Dunkelheit, Geheimnis und Licht, aber auch – im Dialog mit der Barocktrom­pete – von machtvolle­r Autorität künden durfte. Spät erst lässt Händel die Sopranisti­n auftreten, als Verkündigu­ngsengel wird sie vom „Flügelschl­agen“der Geigen begleitet: Hannah Morrison war mit ihrer glockenhel­len und innig leuchtende­n Stimme die ideale Interpreti­n für ihre Freudenbot­schaft, ebenso später in ihrer gläubigen Gewissheit vom Kommen des Erlösers.

Bei allem Glanz, den die Sopranisti­n und ihre Kollegen bringen, spielt doch der Kammerchor Stuttgart im „Messiah“die Hauptrolle: Besonders hervorgeho­ben sei die Gruppe der Altstimmen, wo Bernius Männer und Frauen zu einem wunderbar homogenen Gesamtklan­g mischt. Die Leichtigke­it in den Kolorature­n, die Reinheit in der Intonation, die Pianokultu­r und zugleich warme Strahlkraf­t aller Stimmen lassen Händels ewig gültige Botschaft immer neu erstrahlen: „For unto us a child is born!“

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