Wenn Engel Halleluja singen
Der Kammerchor Stuttgart bringt mit Händels berühmtem „Messiah“Weihnachtsstimmung nach Weingarten
- Musikalischer Glanz zur Weihnachtszeit: Wie schön, dass man den in diesem Jahr noch erleben durfte, mit Abstand und Maske zwar und in einem nur zur Hälfte besetzten Weingartener Kultur- und Kongresszentrum. Doch die Chormusikfans durften sich dennoch an einer schwingenden und bestechend klaren Interpretation von Händels „Messiah“, gesungen im englischen Original.
Der Kammerchor Stuttgart, rund um das Orchester postiert und mit schlanken, jungen Stimmen besetzt, ist mit seinem Gründer und Leiter Frieder Bernius symbiotisch verbunden. Die berühmten Chöre mit ihren langen Koloraturen laufen mit größter Selbstverständlichkeit und gipfeln im berühmten „Halleluja“. Auch das Barockorchester Stuttgart hat Bernius, ein Pionier der historischen Aufführungspraxis seit den 1980erJahren, aufgebaut. Man kennt sich und bietet dem Chor die bewegliche Basis: Eine fein homogene Streichergruppe, ein kleines Generalbass-Ensemble, warm tönende Barockoboen und die von Händel so sparsam, dafür umso effektiver eingesetzten Trompeten und Pauken unterstreichen das festliche Gesamtbild. Ausgewogen und stilsicher ist auch das Ensemble der Solisten.
Georg Friedrich Händels Oratorium „Messiah“mit den von Charles Jennens aus dem Alten und dem Neuen Testament zusammengestellten Texten erzählt die Geschichte des Jesus von Nazareth auf ganz eigene Weise: mit einem großen Weihnachtsteil, der Passionsgeschichte und der Vorstellung von Erlösung und Auferstehung am Jüngsten Tag. Trost, Zuversicht, die Geburt Jesu im Stall, die Hirtenmusik, die Verkündigung des Engels an die Hirten und die jubilierenden Chöre sind uns natürlich in diesen Tagen besonders nah, doch das große Ganze des Oratoriums rundet sich in seiner Vielgestaltigkeit.
Weich und warm ist das Klangbild, das Frieder Bernius mit Chor und Orchester erzeugt. Die scharfen Punktierungen, die manche Interpreten fast überspitzt herausarbeiten, sind seine Sache weniger, trotzdem fehlt es natürlich nicht an Dramatik. Das macht schon die Einleitungssinfonia deutlich. Der polnische Tenor Krystian Adam entspricht dem mit weichen Legatobögen und einem fast baritonalen Kern in seinem ersten Versprechen „Comfort ye“. Lange muss er warten, bis er im zweiten Teil seine fein differenzierten Rezitative und Arien gestalten kann. Ganz und gar eins mit der Musik und dem Ausdruck ist der Altus des David Allsopp, ausgewogen in den Farben, frei in der Gestaltung der Rezitative oder in der wunderbaren Arie zu Beginn des Passionsteils „He was despised“.
Kurzfristig eingesprungen war der Bassbariton Krešimir Stražanac, der souverän und in engem Blickkontakt mit Bernius von Dunkelheit, Geheimnis und Licht, aber auch – im Dialog mit der Barocktrompete – von machtvoller Autorität künden durfte. Spät erst lässt Händel die Sopranistin auftreten, als Verkündigungsengel wird sie vom „Flügelschlagen“der Geigen begleitet: Hannah Morrison war mit ihrer glockenhellen und innig leuchtenden Stimme die ideale Interpretin für ihre Freudenbotschaft, ebenso später in ihrer gläubigen Gewissheit vom Kommen des Erlösers.
Bei allem Glanz, den die Sopranistin und ihre Kollegen bringen, spielt doch der Kammerchor Stuttgart im „Messiah“die Hauptrolle: Besonders hervorgehoben sei die Gruppe der Altstimmen, wo Bernius Männer und Frauen zu einem wunderbar homogenen Gesamtklang mischt. Die Leichtigkeit in den Koloraturen, die Reinheit in der Intonation, die Pianokultur und zugleich warme Strahlkraft aller Stimmen lassen Händels ewig gültige Botschaft immer neu erstrahlen: „For unto us a child is born!“