Ein Chor bahnt sich seinen Weg durch die Pandemie
Wieso der „Tatort“fürs Lindauer Vokalensemble eine genauso hohe Hürde darstellt wie Corona
- Chorsingen in Zeiten der Pandemie – geht das überhaupt? Und wenn, wie kann das dann aussehen? Es ist eine schwierige Frage für das Lindauer Vokalensemble gewesen. Denn größere Verluste an Mitgliedern wollte man nicht riskieren. Jörg Heide schildert, wie sein Chor durch die für Musiker sehr schwere Corona-Zeit kommt.
Jörg Heide muss schmunzeln: „Wir haben tatsächlich neue Sängerinnen und Sänger hinzugewonnen“, erzählt er. Es klingt ein wenig überraschend. Doch als sich coronabedingt Proben und Auftrittsmöglichkeiten ändern mussten, seien im Lindauer Vokalensemble nur wenige abgesprungen. Auch in Zeiten von Zoom-Proben wären die Chormitglieder zum Großteil dabeigeblieben.
„Es gibt halt die fast normalen Probleme wie die abendliche Kinderbetreuung. Oder auch die Kollision von unserer Probenzeit mit Fernsehsendungen wie dem Tatort“, stellt Heide fest. Denn das Vokalensemble probt alle zwei Wochen am Sonntagabend. Diese Zeiten änderten sich auch nicht, als vor einem Jahr alles heruntergefahren wurde. Heide gibt zu: Er sei sich nicht sicher gewesen, ob das Projekt Vokalensemble die CoronaPandemie überstehen würde. Er bot schließlich Online-Proben an. Die sehen so aus, dass jeder Teilnehmer zwar den Dirigenten sieht, jener aber nicht hört, was ein jeder da singenderweise von sich gibt.
Das gibt den Chormitgliedern die Möglichkeit, unter Anleitung Stimmbildungsübungen zu machen oder einzelne Stellen verschiedener Stücke zu proben. Bis Juni hat das Vokalensemble
diese Praxis fortgesetzt. Dann folgten endlich wieder gemeinsame Proben im Pausenhof des Bodenseegymnasiums: Ein Riesenerlebnis für alle, sich einmal wieder sehen und hören zu können. Nun, den Gesamtklang wollte man da erst einmal nicht so genau unter die Lupe nehmen. Aber das Gemeinschaftserlebnis bestätigte allen: Gut, dass wir dabeigeblieben sind.
Konzerte waren und sind natürlich Fehlanzeige in der ganzen Zeit. Einzige Ausnahme bildete die Frauengruppe des Vokalensembles, die bei Mendelssohns Sommernachtstraum Mitte August auf der CasinoWiese zum Erfolg dieser Aufführung beigetragen hatten. „Das hatte richtig Spaß gemacht“, bestätigt auch Heide. Es sei mal etwas völlig Anderes gewesen.
Nicht jeder Chor hat seinen Weg gefunden, durch die Pandemie zu kommen. Manche leiden unter Auflösungserscheinungen, vermutet Heide. Denn eine ganze Reihe von Sängern sei auf der Suche nach neuen Chancen, beobachtet der Dirigent. „Wobei trotz der Neuen auch bei uns weiterhin Bedarf an hohen Sopranen, tiefen Bässen und natürlich vor allem Tenören besteht“, gibt er freimütig zu. Heide hofft, durch Aktionen wie Anzeigen und Handzettel auf das Lindauer Vokalensemble aufmerksam machen zu können,. Dass es dort trotz Pandemie weiterhin möglich sei, im Chor zu singen.
Dabei kann Heide der Corona-Zeit auch etwas Positives abgewinnen kann: „Die Tatsache, dass wir derzeit nur in kleinen Gruppen proben und auch mit weiten Abständen ganz anders aufeinander hören müssen, kommt dem Gesamtklang ungeheuer zugute“, stellt er fest. Und es könne viel individueller auf den einzelnen Chorsänger eingegangen werden. Auch in Sachen Stimmbildung käme der Chor gut voran. „Chorproben sind ein Lernvorgang, kein Training“, sagt der Dirigent. Und das habe das Vokalensemble bis jetzt gut umgesetzt.
„Wen wir alle dabeibleiben und nicht den Kopf in den Sand stecken, werden wir sogar gestärkt aus dieser Zeit hervorkommen“, ist sich Heide sicher. Zwar sind die Corona-Inzidenzzahlen seit Herbst explodiert. Doch das Vokalensemble habe seinen Weg weiter gehen und proben können. In kleinen Gruppen, mit viel Lüften und unter der Vorgabe „geimpft, genesen plus Test“, also 2G+, arbeite das Ensemble an den zwei Konzertprogrammen. Diese, ein geistliches und eines mit weltlichen Lieder, sollen dann – so hoffen Chor und Dirigent – im kommenden Jahr endlich aufgeführt werden. So das kleine, aber fiese Virus mitspielt oder mitsingt.
„Wenn nächstes Jahr die Konzerte wieder losgehen sollten, sind wir voll dabei“, ist Jörg Heide überzeugt. Trotz anhaltender Corona-Pandemie ist der Chorleiter voller Hoffnung.