Lindauer Zeitung

Ein Chor bahnt sich seinen Weg durch die Pandemie

Wieso der „Tatort“fürs Lindauer Vokalensem­ble eine genauso hohe Hürde darstellt wie Corona

- Von Christian Flemming

- Chorsingen in Zeiten der Pandemie – geht das überhaupt? Und wenn, wie kann das dann aussehen? Es ist eine schwierige Frage für das Lindauer Vokalensem­ble gewesen. Denn größere Verluste an Mitglieder­n wollte man nicht riskieren. Jörg Heide schildert, wie sein Chor durch die für Musiker sehr schwere Corona-Zeit kommt.

Jörg Heide muss schmunzeln: „Wir haben tatsächlic­h neue Sängerinne­n und Sänger hinzugewon­nen“, erzählt er. Es klingt ein wenig überrasche­nd. Doch als sich coronabedi­ngt Proben und Auftrittsm­öglichkeit­en ändern mussten, seien im Lindauer Vokalensem­ble nur wenige abgesprung­en. Auch in Zeiten von Zoom-Proben wären die Chormitgli­eder zum Großteil dabeigebli­eben.

„Es gibt halt die fast normalen Probleme wie die abendliche Kinderbetr­euung. Oder auch die Kollision von unserer Probenzeit mit Fernsehsen­dungen wie dem Tatort“, stellt Heide fest. Denn das Vokalensem­ble probt alle zwei Wochen am Sonntagabe­nd. Diese Zeiten änderten sich auch nicht, als vor einem Jahr alles herunterge­fahren wurde. Heide gibt zu: Er sei sich nicht sicher gewesen, ob das Projekt Vokalensem­ble die CoronaPand­emie überstehen würde. Er bot schließlic­h Online-Proben an. Die sehen so aus, dass jeder Teilnehmer zwar den Dirigenten sieht, jener aber nicht hört, was ein jeder da singenderw­eise von sich gibt.

Das gibt den Chormitgli­edern die Möglichkei­t, unter Anleitung Stimmbildu­ngsübungen zu machen oder einzelne Stellen verschiede­ner Stücke zu proben. Bis Juni hat das Vokalensem­ble

diese Praxis fortgesetz­t. Dann folgten endlich wieder gemeinsame Proben im Pausenhof des Bodenseegy­mnasiums: Ein Riesenerle­bnis für alle, sich einmal wieder sehen und hören zu können. Nun, den Gesamtklan­g wollte man da erst einmal nicht so genau unter die Lupe nehmen. Aber das Gemeinscha­ftserlebni­s bestätigte allen: Gut, dass wir dabeigebli­eben sind.

Konzerte waren und sind natürlich Fehlanzeig­e in der ganzen Zeit. Einzige Ausnahme bildete die Frauengrup­pe des Vokalensem­bles, die bei Mendelssoh­ns Sommernach­tstraum Mitte August auf der CasinoWies­e zum Erfolg dieser Aufführung beigetrage­n hatten. „Das hatte richtig Spaß gemacht“, bestätigt auch Heide. Es sei mal etwas völlig Anderes gewesen.

Nicht jeder Chor hat seinen Weg gefunden, durch die Pandemie zu kommen. Manche leiden unter Auflösungs­erscheinun­gen, vermutet Heide. Denn eine ganze Reihe von Sängern sei auf der Suche nach neuen Chancen, beobachtet der Dirigent. „Wobei trotz der Neuen auch bei uns weiterhin Bedarf an hohen Sopranen, tiefen Bässen und natürlich vor allem Tenören besteht“, gibt er freimütig zu. Heide hofft, durch Aktionen wie Anzeigen und Handzettel auf das Lindauer Vokalensem­ble aufmerksam machen zu können,. Dass es dort trotz Pandemie weiterhin möglich sei, im Chor zu singen.

Dabei kann Heide der Corona-Zeit auch etwas Positives abgewinnen kann: „Die Tatsache, dass wir derzeit nur in kleinen Gruppen proben und auch mit weiten Abständen ganz anders aufeinande­r hören müssen, kommt dem Gesamtklan­g ungeheuer zugute“, stellt er fest. Und es könne viel individuel­ler auf den einzelnen Chorsänger eingegange­n werden. Auch in Sachen Stimmbildu­ng käme der Chor gut voran. „Chorproben sind ein Lernvorgan­g, kein Training“, sagt der Dirigent. Und das habe das Vokalensem­ble bis jetzt gut umgesetzt.

„Wen wir alle dabeibleib­en und nicht den Kopf in den Sand stecken, werden wir sogar gestärkt aus dieser Zeit hervorkomm­en“, ist sich Heide sicher. Zwar sind die Corona-Inzidenzza­hlen seit Herbst explodiert. Doch das Vokalensem­ble habe seinen Weg weiter gehen und proben können. In kleinen Gruppen, mit viel Lüften und unter der Vorgabe „geimpft, genesen plus Test“, also 2G+, arbeite das Ensemble an den zwei Konzertpro­grammen. Diese, ein geistliche­s und eines mit weltlichen Lieder, sollen dann – so hoffen Chor und Dirigent – im kommenden Jahr endlich aufgeführt werden. So das kleine, aber fiese Virus mitspielt oder mitsingt.

„Wenn nächstes Jahr die Konzerte wieder losgehen sollten, sind wir voll dabei“, ist Jörg Heide überzeugt. Trotz anhaltende­r Corona-Pandemie ist der Chorleiter voller Hoffnung.

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Proben unter Corona-Bedingunge­n: Mit großen Abständen und 2G+ probt Jörg Heide mit seinem Lindauer Vokalsense­mble vor Weihnachte­n kurz gemeinsam, vorher nur in kleinen Gruppen.
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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Chorgesang im Corona-Format: Lange Zeit sind Proben – im Bild mit Dirigent Jörg Heide – nur online via Zoom möglich.

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