Strafbefehl für Holocaust-Anspielung bei Demo
Kritisiertes Symbol schon zweimal in Ravensburg getragen – Nicht die einzige Straftat bei Versammlungen
- Die Staatsanwaltschaft wertet eine Holocaust-Anspielung bei einer Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen in Ravensburg als Straftat. Gegen eine Person, die bei einer Versammlung auf dem Marienplatz Anfang Dezember einen sogenannten Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“trug, hat die Ravensburger Behörde einen Strafbefehl beantragt. Das teilte die Pressesprecherin Tanja Vobiller auf Anfrage mit. Sie erklärt auch, wo Veranstalter, Leiter und Teilnehmer unangemeldeter Demonstrationen die Grenzen des Gesetzes übertreten und was ihnen droht.
Bei der angemeldeten Versammlung am 1. Dezember auf dem Marienplatz trug eine Person einen Stern auf dem Kopf, im Stil wie ihn Juden während der Herrschaft des Nationalsozialismus als Zwangskennzeichen tragen mussten. Die Aufschrift lautete „ungeimpft“. Der Fall wurde angezeigt und von der Polizei zur Prüfung der Ravensburger Staatsanwaltschaft vorgelegt. Die kam nun zum Ergebnis, dass dies als Volksverhetzung zu werten ist.
„Das Tragen des Sterns verharmlost den Holocaust“, erklärte Pressesprecherin Tanja Vobiller. Weil das in der Öffentlichkeit geschehen ist, sehe die Staatsanwaltschaft die Voraussetzung für die Volksverhetzung erfüllt. Ob die betroffene Person den Strafbefehl akzeptiert oder Einspruch dagegen einlegt, ist noch nicht bekannt.
Die Staatsanwaltschaft hat derzeit immer wieder mit den Folgen der Demonstrationen zu tun, vor allem, seitdem die ohne jede offizielle Ankündigung stattfinden. Wenn eine Demonstration jedoch nicht angemeldet wird, dann machen sich die Veranstalter und Leiter der Versammlung, sofern sie diese trotzdem durchführen, strafbar.
Bereits 48 Stunden bevor eine Versammlung unter freiem Himmel überhaupt angekündigt oder dazu eingeladen wird, muss sie laut Versammlungsgesetz angemeldet werden. Wer die Versammlung ohne Anmeldung trotzdem durchzieht und dabei als Veranstalter oder Leiter auftritt, dem droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, wie die Erste Staatsanwältin ausführt.
Die Definition, wer als Leiter oder Veranstalter gilt, ist nicht ganz einfach. Veranstalter ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft, wer im eigenen Namen zu der Versammlung einlädt oder öffentlich zur Teilnahme auffordert. Und auch wer einen Aufruf anderer wiederholt, könne als Veranstalter gelten, so die Staatsanwaltschaft. „Im Einzelfall müsste geprüft werden, ob allein das Weiterleiten einer Einladung in einem (sozialen) Netzwerk ausreichend ist um als Veranstalter zu gelten“, so Pressesprecherin
Vobiller. Als faktischer Leiter gilt, wer zum Beispiel den Ablauf einer Versammlung bestimmt. „Dies können im Einzelfall auch Personen sein, die es vor Ort übernehmen, den Teilnehmern einer Versammlung beziehungsweise eines Aufzugs den Weg zu weisen“, erklärt die Pressesprecherin.
Beim unangemeldeten Protestzug am 13. Dezember durch die Ravensburger Altstadt mit laut Polizei rund 1000 Teilnehmern haben Beamte auch tatsächlich drei faktische Leiter der Versammlung identifiziert, wie Polizeisprecherin Daniela Baier mitteilte. Gegen die drei wurde Anzeige erstattet und ein Strafverfahren eingeleitet. Außerdem kam es auch an diesem Tag erneut zu einer Anzeige gegen eine
Person, die einen Davidstern mit der Aufschrift „ungeimpft“trug, wie die Polizei auf Anfrage am Mittwoch rückblickend mitteilte – ob es sich dabei um dieselbe Person handelt, die auch schon am 1. Dezember damit aufgetaucht war, konnte die Pressesprecherin kurzfristig nicht sagen.
Wer am 20. Dezember beim Protest gegen die Corona-Schutzmaßnahmen mit Polizeischätzungen zufolge 2000 Teilnehmern als Leiter beziehungsweise Veranstalter aufgetreten ist, wird noch geklärt. Mithilfe von Videomaterial von der illegalen Demonstration werde in dieser Sache ermittelt, so Polizeisprecherin Baier. Polizeipräsident Uwe Stürmer hat im Interview mit dem „SWR“schon angekündigt, bei einer möglichen nächsten unangemeldeten Versammlung noch mehr auf Videoaufzeichnung zu setzen.
Bereits jetzt hat die Versammlung aber drei Anzeigen nach sich gezogen: Zwei gegen Personen, die je eine Polizeikette zu durchbrechen versuchten, wegen tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte. Eine weitere kam inzwischen hinzu wegen Beleidigung eines Beamten. Die Nachbearbeitung der illegalen Versammlung läuft noch. Laut Polizei wurden auch die Personalien von einer Vielzahl an Teilnehmern festgestellt, auf die jetzt eine Ordnungswidrigkeiten-Anzeige zukommt, weil sie an einer verbotenen Versammlung teilgenommen haben – auch die Schussenstraße, der Frauentorplatz und die Wilhelmstraße gehörten laut Polizei zum Gebiet, in dem das Versammlungsverbot der Stadt galt. Unter den Teilnehmern zeigten sich zuletzt einige überzeugt, dass man ihnen einen „Abendspaziergang“, den sie montagabends durch die Stadt unternähmen, ja nicht verbieten könne. Doch die Staatsanwaltschaft sieht eine deutliche Abgrenzung zwischen einem Spaziergang, der jedem Bürger gestattet ist, und einer anzumeldenden Versammlung. Spaziergänge, um frische Luft zu schnappen oder sich fit zu halten, seien nicht Teil einer Meinungsäußerung. „Eine Versammlung zeichnet sich dadurch aus, dass die Beteiligten gemeinsam einen sie innerlich verbindenden Zweck verfolgen und sie auf eine kollektive Meinungsäußerung gerichtet ist“, erklärt Vobiller.