Schlichtes Denkmal erinnert an Frauenrechtlerin
Vor 150 Jahren starb Louise Aston – Wer war die Frau, die auf dem Alten Gottesacker in Wangen begraben liegt?
(sz/bee) - An Heiligabend des Jahres 1871 wurde Louise Aston auf dem Alten Gottesacker zu Grabe getragen. Neben einer nach ihr benannten Straße im Wohngebiet Haid erinnert heute, 150 Jahre später, noch eine Kupfertafel auf dem früheren Wangener Friedhof an die einst berühmte Frauenrechtlerin, die der „Argenbote“damals als „eine der ersten Verfechterinnen für die Emanzipation“bezeichnet hatte.
Das schlichte Aston-Denkmal ist eines der vielen „Stillen Schätze“des Gottesackers, über die Rainer Jensch in dem neu erschienenen Buch schreibt. Für die „Schwäbische Zeitung“erinnert der Stadtarchivar noch einmal an die Geschichte einer „Unangepassten“, die ein extravagantes Leben führte.
„Louise Aston wurde als jüngste Tochter eines evangelischen Theologen in Gröningen bei Magdeburg geboren.
ANZEIGEN Ihre Mutter war eine Gräfin, die einst ihren Stand verlassen hatte, um an der Seite ihres Gatten ein bescheidenes Leben zu führen. Als die schöne und geistvolle Tochter erwachsen war, wurde der englische Lord Samuel Aston, der in Magdeburg eine Baumwollweberei-Fabrik betrieb, auf sie aufmerksam.
Der 45-jährige war schon doppelt so alt wie Louise. Außerdem war der Unternehmer fettleibig und bereits der Vater von vier unehelichen Kindern, die er mit drei Frauen gezeugt hatte. So nimmt es kein Wunder, dass diese Konvenienz-Ehe bei der jungen Pfarrerstochter auf innere Ablehnung stieß.
Louise führte ein extravagantes Leben, das manche Skandale provozierte. In Karlsbad wurde sie von zwei Galanen umschwärmt, einem Prinzen und einem Gesandtschaftsattaché. Deren Rivalität um die attraktive
Schönheit mündete in einem Duell, bei dem der Attaché getötet wurde. Als Lord Aston mit seinem Magdeburger Baumwollunternehmen in Existenzschwierigkeiten geriet, trat jener Prinz, der sich in Karlsbad vergeblich der Lady Aston nähern wollte, mit Lord Aston in Verbindung. Durch die Zumutung ihres Gatten entehrt und im innersten Kern ihres Wesens verletzt, verließ Luise empört dessen Haus und ließ sich 1844 von ihm scheiden. Sie schrieb darüber: „Ich rettete die Heiligkeit der Ehe, indem ich diese zerriss.“
Die Wellen der gärenden Revolution trugen die nach Freiheit dürstende 33-Jährige nun nach Berlin. Dort lebte sie in wechselnden Beziehungen und widmete sich verstärkt der Schriftstellerei. Sie führte einen flammenden Kampf für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Mit Gedichten und sozialkritischen Romanen bekämpfte sie die Fesseln der Ehe, die sie als eine ausbeuterische Institution betrachtete. Ihre Gedichtsammlung „Wilde Rosen“, ein Bekenntnis zur sexuellen Freiheit, erschien im Jahr 1846.
In Männerkleidern soll sie auf den Barrikaden Berlins für die Freiheit des Volkes gekämpft haben. Sie rauchte in aller Öffentlichkeit und lehnte die „organisierte Religiosität“ab. Als „staatsgefährdende Person“aus Berlin ausgewiesen, begleitete sie als Krankenpflegerin eine Freischar nach Holstein.
Dort lernte sie den als Hilfsarzt tätigen Dr. Daniel Meier aus Bremen kennen, den sie im November 1850 heiratete. Ihr freizügiges Liebesleben und ihre anarchistische Gesinnung führten dazu, dass Meier 1851 aus Bremen verbannt wurde. Er begab sich als Oberstabsarzt in russische Dienste, wo er auf den blutigen Schlachtfeldern
des Krimkrieges (1853-1856) tätig war. Später kam er als Fabrikarzt der Baumwollspinnerei Ebensee nach Österreich. Nach seiner im Jahr 1870 gewährten Amnestie praktizierte er als Kurarzt im deutschen Bad Liebenzell.
Das unstete und kräfteraubende Wanderleben hatte zu Folge, dass Louise Aston an einer ernsten Atemwegserkrankung litt. Wegen des heilsamen Klimas übersiedelte das Paar in die Stadt Wangen im Allgäu. Wohnung und Arztpraxis richtete sie sich in einer Mietwohnung in einem Haus an der Leutkircher Straße ein. Der hilfsbereite Arzt und Menschenfreund machte sich in der Allgäustadt sehr schnell einen guten Namen. Im Oktober 1871 gelangte ein Handschreiben der deutschen Kaiserin nach Wangen, mit welchem sie die von Dr. Meier verfasste Schrift über „Künstliche Beine“anerkannte.
Durch sein im Krieg verlorenes Bein war er zu einem ausgewiesenen Spezialisten auf dem Fachgebiet der Beinprothesen gereift. Indessen verschlechterte sich das Lungenleiden seiner Ehefrau Louise so rapide, dass sie am 21. Dezember 1871 mit 57 Jahren an „Brustwassersucht“starb.
Das 1873 errichtete Testament des Witwers ist im Wangener Stadtarchiv. Darin bestimmte er, dass sein eigenes Begräbnis von der Wangener Stadtmusik mit jenen Chorälen begleitet werde solle, die beim Begräbnis seiner Frau erklungen waren. Das Grab solle von der evangelischen Kirchengemeinde gepflegt werden. Auch gab er den einzugravierenden Text der beiden Grabplatten vor. Wenn der Kupferstecher die hebräischen Buchstaben nicht schneiden könne, solle der deutsche Text lauten: „Wem Gott ein Weib gab, dem gab er ein Kleinod.“