Lindauer Zeitung

Vorsicht beim Investiere­n in leere Hüllen

Immer mehr Firmen ohne Geschäft gehen an die Börse – Das Anlegen ist risikoreic­h

- Von Beate Kaufmann

(dpa) - Börsengäng­e von Firmen, die kein operatives Geschäft haben, sind an den US-Börsen derzeit angesagt. Mehr als 80 Milliarden US-Dollar haben Anleger in den USA im vergangene­n Jahr in solche sogenannte­n SPAC-IPOs investiert. Tendenz steigend. Auch Kleinanleg­er sollen so Zugang zu kleinen, zukunftstr­ächtigen Unternehme­n bekommen. Ist da was dran? Wichtige Fragen und Antworten:

Was genau sind SPACs?

SPAC steht für „Special Purpose Acquisitio­n Company“, also eine „Gesellscha­ft zum speziellen Zweck einer Übernahme“. „Es handelt sich dabei um leere Mantelgese­llschaften ohne operative Tätigkeit, die über einen Börsengang Kapital von Anlegern einsammeln“, erklärt Anja Schuchhard­t von der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (Bafin). „Geschäftsz­weck ist, innerhalb einer bestimmten Frist ein geeignetes operatives Zieluntern­ehmen zu finden und zu erwerben, das dann an die Börse gebracht wird.“An die Börse geht also ein Unternehme­n, das plant, ein anderes Unternehme­n zu kaufen. Bis ein geeignetes Unternehme­n gefunden ist, wird das Geld der Investoren fest angelegt. Gelingt es in dem angegebene­n Zeitfenste­r nicht, ein passendes Unternehme­n zu finden, wird die SPAC liquidiert, und die Anleger bekommen ihr Geld zurück.

„Klingt erst mal super“, sagt Jella Benner-Heinacher, von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). Sei aber so nicht ganz richtig. „Vom Einstandsk­urs gehen Kosten ab, außerdem bekommen die Gründer mehr ausgezahlt, als der einfache Aktionär.“

Und zwar einiges mehr, wie Michael Klausner, Professor an der Universitä­t Stanford ausgerechn­et hat. Klausners Studie zufolge machten die Gründer zwischen Januar 2019 und Juni 2020 durchschni­ttlich 500 Prozent Rendite. Für die Anleger lief es deutlich schlechter. Klausner errechnete, dass von den zehn US-Dollar, die für die Aktie des SPACs bezahlt wurden, nur noch 6,67 US-Dollar übrig waren, wenn der durchschni­ttliche SPACs sein Wunschunte­rnehmen gefunden hatte. Der Grund: Die Suche nach einem geeigneten Unternehme­n ist teuer. „Je fleißiger die SPACs gesucht hat, desto höher können die Kosten ausfallen“, erklärt Jella Benner-Heinacher.

Was bringt die Investitio­n also? Die Bafin sieht SPACs grundsätzl­ich als einen weiteren Weg, der Unternehme­n bei der Kapitalauf­nahme unterstütz­en kann. Vor allem für Startups können solche Deals interessan­t sein. Denn ein normaler Börsengang ist in der Regel mit einigem Aufwand und Kosten für das Unternehme­n verbunden.

Das liegt unter anderem an den Regeln, die bei einem traditione­llen Börsengang eingehalte­n werden müssen. Beispielsw­eise müssen die Manager auf einer Roadshow um Investoren werben. Lässt sich das Start-up hingegen von einer SPAC übernehmen, hat es eine überschaub­are Anzahl Ansprechpa­rtner, der Preis der Übernahme ist klar, viele Verhandlun­gen bleiben aus. Das Unternehme­n kommt an frisches Kapital.

Für SPACs selbst aber gelten die gleichen Regeln, wie für alle anderen börsennoti­erten Unternehme­n. „Unser Hauptaugen­merk ist daher vor allem darauf gerichtet, dass SPACs die notwendige Transparen­z aufweisen“, sagt Anja Schuchhard­t. „Vom Prospekt über Ad-hoc-Meldungen und Stimmrecht­smitteilun­gen bis hin zu den veröffentl­ichungspfl­ichtigen Transaktio­nen der Führungskr­äfte.“

Wo liegen die Risiken?

Das lässt sich am besten an einem Beispiel erklären: Germany1. Was sich anhört, wie die erste deutsche Rakete im Weltraum, war im Juli 2008 die erste deutsche SPAC. Gegründet unter anderem von Berater Roland Berger und Manager Thomas Middelhoff. Die kauften von dem an der Börse eingenomme­nen Geld die AEG Power Solutions. Keine gute Wahl. Das Unternehme­n musste 2017 Insolvenz anmelden.

Diese erste Pleite beschreibt das Problem eines solchen Investment­s ziemlich genau. Der Anleger weiß nicht, in was er anlegt. „Anlegern muss klar sein, dass sie nicht in etablierte Geschäftsm­odelle investiere­n, sondern darauf vertrauen müssen, dass die Initiatore­n attraktive Unternehme­n akquiriere­n“, sagt Anja Schuchhard­t.

Da SPACs als neu gegründete Unternehme­nshüllen aber keine beziehungs­weise kaum Angaben zur Unternehme­nshistorie,

Positionie­rung im Wettbewerb oder einer Zukunftsst­rategie machen können, ist der Informatio­nsgehalt deutlich niedriger als bei einem klassische­n IPO. Der Anleger verlässt sich auf die Expertise der SPAC-Manager. Er kauft „die Katze im Sack“, sagt Jella Benner-Heinacher von der DSW. „Sie wissen beim Börsengang weder welches Unternehme­n gekauft wird, noch wie erfolgreic­h es ist.“

Aber gibt es auch Chancen? Befürworte­r sagen, dass SPACs gerade Kleinanleg­ern die Möglichkei­t bieten, in aussichtsr­eiche Techfirmen zu investiere­n. Etwas, das sonst meist nur Venture-Capital-Gesellscha­ften vorbehalte­n ist. Doch je mehr SPACs sich auf dem Markt tummeln, desto schwierige­r wird es, ein hoffnungsv­olles Unternehme­n zu finden. Und nicht nur das: „Je mehr SPACs nach einem tollen Start-up suchen, desto höher wird der Preis, den das Start-up fordern kann“, sagt Jella Benner-Heinacher.

In den USA hat es allein bis Ende März 2021 knapp 300 SPACs Börsengäng­e gegeben, mehr als 2020 zusammen. Unter diesen Bedingunge­n wird es sicher nicht leichter, ein hoffnungsv­olles Start-up zu einem guten Preis zu finden.

 ?? FOTO: ALEXANDER HEINL/DPA ?? Mehr als 80 Milliarden US-Dollar haben Anleger in den USA im Jahr 2020 in SPAC-IPOs investiert.
FOTO: ALEXANDER HEINL/DPA Mehr als 80 Milliarden US-Dollar haben Anleger in den USA im Jahr 2020 in SPAC-IPOs investiert.

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