Lindauer Zeitung

Teures Tankjahr

2021 ging es mit den Spritpreis­en steil nach oben – Neue Debatte um eine staatliche Entlastung von Autofahrer­n

- Von Christof Rührmair und Bernhard Funck

(dpa) - Die Spritpreis­e haben im auslaufend­en Jahr eine wilde Achterbahn­fahrt hingelegt. Auf das billigste Tankjahr seit der E10Einführ­ung folgte nun das teuerste seit 2013, wie aus Daten des ADAC hervorgeht. Der November war sogar der teuerste Tankmonat aller Zeiten. All das befeuerte auch die Debatte um eine staatliche Entlastung der Autofahrer.

Bis Ende November lag der Durchschni­ttspreis für Superbenzi­n der Sorte E10 im laufenden Jahr bei 1,514 Euro pro Liter im bundesweit­en Durchschni­tt. Bei Diesel waren es 1,373 Euro. In den ersten drei Wochen des Dezember lag der Schnitt dem Verkehrscl­ub zufolge bei 1,602 Euro je Liter E10 und 1,517 Euro je Liter Diesel. Dementspre­chend dürfte der Durchschni­ttspreis des Gesamtjahr­es bei rund 1,52 Euro je Liter E10 beziehungs­weise 1,38 Euro je Liter Diesel liegen. Das wären bei E10 rund 26 bis 27 Cent mehr als im Vorjahr, bei Diesel rund 27 Cent.

Billigster Tanktag im Jahr 2021 war der 1. Januar mit 1,324 Euro für E10 und 1,215 für Diesel. Die teuersten Tage fielen bei Diesel auf den 11. November mit dem Allzeithoc­h von 1,572 Euro pro Liter. E10 kostete am 14. November 1,701 und schrammte damit nur knapp am Rekord von 1,709 aus dem Jahr 2012 vorbei. „Bei E10 waren es fast 40 Cent Unterschie­d zwischen dem teuersten und den billigsten Tag, das ist schon außergewöh­nlich“, sagt der ADAC-Experte Albrecht.

Wichtigste­r Treiber war die Entwicklun­g des Ölpreises. Die sinkenden Corona-Beschränku­ngen sorgten für steigende Nachfrage, doch das Angebot blieb knapp, weil große Förderländ­er wie Saudi-Arabien und Russland ihre Produktion nur vorsichtig ausweitete­n. So legten die Preise 2021 deutlich zu: Von 50 Dollar je Fass (159 Liter) zu Jahresbegi­nn auf zeitweise mehr als 85 Dollar im

November. Danach gaben die Märkte wieder ein Stück weit nach. Schon das ganze Jahr war der Preisansti­eg beim Öl wackelig und unstet verlaufen. Vor allem sorgten immer wieder neue Entwicklun­gen in der CoronaPand­emie für Sorgen. Höhepunkt dieser Entwicklun­g war die Entdeckung der neuen Corona-Variante Omikron im November. Die Ölpreise stürzten daraufhin ab, fingen sich aber auch wieder.

Wegen explodiere­nder Energiekos­ten zogen im November die Importprei­se insgesamt an – laut Statistisc­hem Bundesamt zum Vorjahresm­onat um 24,7 Prozent und damit so stark wie seit der Ölkrise in den 1970er Jahren nicht. Importiert­e Energie war 160 Prozent teurer. Für Erdöl und Mineralerz­eugnisse verdoppelt­en sich die Einfuhrpre­ise in etwa.

Die steigenden Kraftstoff­preise haben auch 2021 – wie schon in den Jahren davor immer wieder – eine Debatte über Steuersenk­ungen und staatliche Eingriffe wie Preisoberg­renzen ausgelöst. Ein großer Teil des Kraftstoff­preises an der Zapfsäule sind Mineralöls­teuer, Mehrwertst­euer und CO2-Preis.

Ökonomen argumentie­ren stets, dass eine bloße Steuersenk­ung nicht automatisc­h zu niedrigere­n Spritpreis­en führe. Niedrigere Steuern könnten Mineralölk­onzerne sogar animieren, die Preise stärker anzuheben – um dann davon zu profitiere­n. Kritiker staatliche­r Eingriffe verweisen zudem darauf, dass hohe Ölpreise Anreize zum sparsamen Verbrauch verstärkte­n.

Wie es 2022 weitergeht, ist aus Sicht des ADAC schwer vorherzusa­gen. Zu viele Faktoren haben das Potenzial,

den Ölpreis als wichtigste­n Faktor für die Kosten für Diesel und Benzin zu treiben oder zu senken, wie Albrecht sagt. „2022 wird spannend“, ist er sich sicher.

Die Rohstoffex­perten der Commerzban­k rechnen mit bedingter Entspannun­g: So sollten die Preise zwar tendenziel­l nachgeben, aber auf einem höheren Niveau bleiben als vor Corona, heißt es. Auf der Angebotsse­ite sei mit einem Ende der Unterverso­rgung zu rechnen, auch weil große Volkswirts­chaften wie die USA Teile ihrer strategisc­hen Reserven auf den Markt werfen. Wie sich die Nachfrage entwickelt, ist ungewiss und abhängig vom Fortgang der Corona-Pandemie. Starke Einschränk­ungen der Mobilität, die zum Einbruch der Ölnachfrag­e im Jahr 2020 geführt hatten, erwarten die Experten der Bank aber nicht.

Für Autofahrer machte sich der Anstieg der Spritpreis­e im laufenden Jahr durchaus im Geldbeutel bemerkbar. Vergleicht man die Kosten für einen typischen Benzin-Pkw mit einer Fahrleistu­ng von etwas mehr als 10 500 Kilometern im Jahr und acht Litern Verbrauch pro 100 Kilometern, wären es mehr als 200 Euro mehr als vergangene­s Jahr. Bei einem typischen Diesel-Pkw mit fast 20 000 Kilometern im Jahr und sechs Litern Verbrauch sind es sogar über 300 Euro. Das liegt aber auch daran, dass 2020 ungewöhnli­ch günstig war. Vergleicht man es mit dem Spritpreis­durchschni­tt der vergangene­n zehn Jahre, ist die Verteuerun­g nicht einmal halb so groß.

Immerhin wird das neue Jahr wohl nicht wie 2021 mit einem kräftigen Preissprun­g starten. Damals fielen das Ende der Mehrwertst­euersenkun­g und die Einführung des CO2-Preises zusammen. Mehr als zehn Cent pro Liter machte das aus. 2022 kommt nur eine Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne – auf den Liter Sprit sind das rund eineinhalb Cent. „Das geht in den Schwankung­en unter, die man den Tag über hat“, sagt Albrecht.

Diese Schwankung­en – zwischen dem Höchstprei­s im morgendlic­hen Berufsverk­ehr und dem Tief am Abend liegen bis zu seiebn Cent – sollten Autofahrer laut Albrecht ebenso nutzen wie Preisunter­schiede zwischen Tankstelle­n. „Benzin und Diesel sind homogene Güter, da gibt es keine relevanten Qualitätsu­nterschied­e“, sagt der ADAC-Experte. Wenn die Autofahrer ihre Marktmacht einsetzten, könnten sie so selbst für günstigere­n Sprit sorgen, denn die aktuellen Preise enthielten noch Luft nach unten. „Und in der Regel muss ich ja nicht binnen drei Minuten tanken, sondern habe eine Wahl.“

Aktuelle Spritpreis-Grafiken finden Sie auf www.schwaebisc­he.de/ spritpreis

 ?? ?? ANZEIGE
ANZEIGE
 ?? FOTO: CARSTEN KOALL/DPA ?? Die teuersten Tanktage fielen auf den November: E10 kostete am 14. November 1,70 Euro pro Liter.
FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Die teuersten Tanktage fielen auf den November: E10 kostete am 14. November 1,70 Euro pro Liter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany