Die Kalvarienbergkapelle sucht „Guttäter“
Von der Lust und Last, Eigentümer einer 300 Jahre alten Kapelle zu sein
- Wer dem Pfad zwischen Obstwiesen und Viehweiden folgt, wer den am Wegesrand errichteten 14 Kreuzwegstationen seine Aufmerksamkeit schenkt und schließlich oben auf dem Hügel angekommen ist, wo die erstmals 1709 erwähnte Kapelle ins Tal hinunter grüßt, der wird sich dem Zauber des Ortes nicht entziehen können. Mehrere Bänke laden dazu ein, einfach nur dazusitzen und zur Ruhe zu kommen. Der Blick hinüber ins Westallgäu mit der bei klarer Sicht wahrnehmbaren Bergwelt, aber auch der in Richtung Oberschwaben, lässt das Herz aufgehen.
Ist es Wochenende und Andreas Klotz, in dritter Generation Besitzer dieses Kleinods, hält die Tür von etwa 10 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit geöffnet, dann erschließt sich gleich nach dem Eintreten eine Beweisfülle von über Jahrhunderte bewahrter und gelebter Volksfrömmigkeit. Davon erzählen einmal die mit Bildern und Figuren reich ausgestatteten Wände, vor allem aber der Altarraum, der ebenso beeindruckend wie berührend hin zur Bedeutung der Kapelle führt: Golgota: Christi Hinrichtungsstätte mit der Kreuzigungsgruppe.
Die Geschichte der Kalvarienbergkapelle liest sich fast wie ein Historienroman. Der Anfang beginnt mit einem bewaldeten „Eichenberg“, der zwischen dem Pfarrort und der alten Reichsstraße liegt. Auf der Ebene, wo jetzt die Kapelle steht, befand sich laut Aufschreibung aus der Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts ein sogenannter „Vogelherd“, auf dem viele Vögel ihr Leben lassen mussten. Das widerstrebte dem damaligen Pfarrer von Niederwangen, Anton Wangner, so sehr, dass er dem Treiben auf ungewöhnliche Art ein Ende setzte.
Aus eigenen Mitteln habe der geistliche Herr „aus Ehrfurcht gegen die heiligen Geheimnisse des bitteren Leidens und Sterbens des Heilands“eine Kapelle errichten lassen, so heißt es in der Chronik. Weiter erfährt man daraus, dass vorbeikommende Reisende es waren, die mit ihren Opfergaben zum Erhalt der Kapelle, die zu der Zeit wohl noch eine mit Holz umbaute Grotte gewesen sein muss, beitrugen.
Nachdem 1747 und dann auch 1788 die hölzerne Kapelle „unter Beihilfe mehrerer Guttäter“und mit einer Stiftung der „Pfarrhaushälterin Jungfrau Anna Maria Kleiner“saniert worden war, wurde sie 1824 abgebrochen und durch einen massiven Neubau ersetzt. Um sich die Ausmaße des Mauerwerks vorstellen zu können, hier die Beschreibung: Es wurde vier Schuh länger und zwei Schuh breiter gebaut. Die Kosten von 391
TRAUERANZEIGEN
Gulden bestritt Pfarrer Schneider mit mehreren Wohltätern gemeinsam. Andere wiederum meinten es nicht gut mit dem bescheidenen Vermögen des kleinen Gotteshauses und griffen nicht nur in den Opferstock, sondern plünderten auch die Kassen von zwei Bruderschaften. Oder vergriffen sich am Eigentum des Pfarrherrn.
Die Bautätigkeit setzte sich fort. 1923 wurde ein neues Schiff mit großem Turm angebaut, 1986 bis 1988 das Äußere saniert und von 1994 bis 1997 das Innere. Die 1919 errichteten Kreuzwegstationen erfuhren Ende des 20. Jahrhundert und dann noch einmal von 2015 bis 2016 ihre grundlegende Instandsetzung.
Als 2010 die verspätete Feier zum 300-jährigen Bestehen der Kalvarienbergkapelle begangen wurde, da war es immer wieder Andreas Klotz, der über die von seinen Eltern überlieferte Geschichte der Kapelle zu berichten wusste. Schließlich ist es die Familie Klotz, die mit dem Niederwangener Wahrzeichen in dritter Generation verbunden ist. 1919 kaufte Otto Klotz den Hof Elbs, zu dem auch die Kapelle gehörte. Heute ist es Enkel Andreas, der sich gemeinsam mit seiner Frau Ursula um alles kümmert. Und man spürt es: Der 57Jährige ist stolz auf diesen nicht alltäglichen Besitz.
Gerne erzählt Andreas Klotz, dass sich oben auf dem Kalvarienberg schon Menschen getroffen haben, die daraufhin als Paar zusammenblieben. Oder dass die Kapelle Mittelpunkt eines Kinofilms war, der den bedeutungsvollen Titel „Als das Wasser bergauf lief“trägt. Betrübt zeigt sich Klotz, wenn er an die 1970er-Jahre denkt, in der zumindest eine wertvolle Figur geraubt wurde. In der Folge sei eine Alarmanlage installiert worden, sagt er und auch, dass von seinem Wohnhaus aus eine unterirdische Stromversorgung zur Kapelle führt.
Gemeinsam mit Ortsvorsteher Roland Hasel stellt Andreas Klotz derzeit Überlegungen an, wie man das Kapellengebäude noch mehr nach außen hin öffnen kann. Nach den bereits schon stattfindenden Taufen und Trauungen, über die Mai- und Rosenkranzandachten hinaus, denken die beiden Kommunalpolitiker an Konzerte und Lesungen im kleineren Rahmen.
Dass es nicht jeden Tag Sonnenschein geben kann, das spürt Andreas Klotz sehr deutlich. „So ein Privatbesitz ist Lust und Last zugleich“, sagt er denn auch und spricht ein Problem an. Aktuell muss der denkmalgeschützte Dachstuhl dringend repariert werden. Um dem Einstürzen beispielsweise durch eine zu hohe Schneelast zuvorzukommen, wurde bereits eine Notsicherung eingebaut. Neben den sich zeigenden Rissen im Mauerwerk gibt es auch Schäden im Bereich des Fußbodens.
Ein Karlsruher Statikbüro schätzt die für 2022 geplanten Sanierungsarbeiten auf 150 000 Euro, vielleicht sogar auf etwas mehr. „Das können wir als Familie natürlich nicht stemmen“, führt Klotz vor Augen und informiert darüber, wen er alles wegen möglicher Finanzierungshilfen bereits angeschrieben hat: Land und Landkreis, Stadt und Kirchengemeinde, Banken und die Stiftung Wegzeichen. Die dann offensichtlich noch klaffende Lücke kann laut Klotz
„nur über Spenden geschlossen werden“.
In diesem Zusammenhang ist Andreas Klotz dem ehemaligen Ortsvorsteher Berthold Riether für dessen große und wichtige Unterstützung dankbar. Über den Heimatverein Niederwangen, dessen Vorsitzender Riether ist, wurden und werden darüber hinaus private Zuwendungen abgewickelt und Spendenbescheinigungen ausgestellt.
Bald ist Weihnachten. Und wie sich in der Vergangenheit zeigte, hatten die Freunde der Kalvarienbergkapelle immer offene Herzen und Hände. Die Verbindung von einem Gotteshaus, das unter dem Schutz des „gekreuzigten Heiland“steht, und dem Segen, den die Gläubigen aus der Krippe erflehen, ist sehr wohl gegeben. „Ohne Weihnachten gibt es auch keinen Karfreitag“, lehrt der christliche Glaube. Und weil das so ist, haben Andreas und Ursula Klotz auch im vergangenen Jahr während des Lockdowns eine Krippennachbildung auf den weihnachtlich geschmückten Altar ihrer Kapelle gestellt.