Lindauer Zeitung

Ausrufezei­chen, Corona-Knick, Umbruch

Mehrere Herausford­erungen haben die Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen ins Schwanken gebracht

- Von Nico Brunetti

- Eigentlich sollte das Jahr der Bundesliga­volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen mit dem Höhepunkts­piel gegen die Berlin Recycling Volleys enden. In der Ratiopharm-Arena Ulm/Neu-Ulm wäre es am 22. Dezember um den Einzug ins DVV-Pokalfinal­e gegangen. Doch Corona-Fälle bei den Hauptstädt­ern sorgten kurzfristi­g für die Absage des Gigantendu­ells. So verabschie­deten sich die Häfler mit zwei Siegen beim Doppelspie­ltag gegen Herrsching und Haching München in die kleine Winterpaus­e – der erfolgreic­he Abschluss täuscht aber nicht über ein sehr durchwachs­enes Jahr hinweg. Nach einem starken Start, der VfB siegte unter anderem mit 3:1 in Berlin, sorgte ein Corona-Ausbruch im Februar für einen Knick. Die zuvor gezeigte Dominanz ging damit verloren, es reichte in der Saison 2020/2021 nur für den Vizetitel. Auch wegen weiterer Herausford­erungen wie der Hallenprob­lematik und dem Umbruch im Sommer hat die Mannschaft des deutschen Rekordmeis­ters nach wie vor mit Leistungss­chwankunge­n zu kämpfen.

Dass sich das Jahr für den VfB so entwickeln würde, war im Januar noch nicht absehbar. Ganz im Gegenteil: Zu dieser Zeit spielte Friedrichs­hafen einen sehr überzeugen­den und begeistern­den Volleyball. Ein Rädchen griff ins andere, die eingespiel­te Stammforma­tion mit Markus Steuerwald, Linus Weber, Martti Juhkami, Marcus Böhme, Dejan Vincic, Nehemiah Mote und Nicolas Maréchal machte sehr viel Spaß. Gekrönt wurde dieser Höhenflug von einem 3:1Sieg bei den BR Volleys am 27. Januar, bei dem Joe Worsley den Ausfall von Vincic herausrage­nd kompensier­te. „Es ist ein großes Ding, in Berlin zu gewinnen. Das ist nicht irgendeine Mannschaft – wahrschein­lich sogar die beste Mannschaft, die Berlin jemals hatte – und das wollen viele machen. Man kann sich das schon merken, unser Sieg ist ein Ausrufezei­chen“, betonte der damalige VfBTrainer Michael Warm im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Titel, so schien es nach dieser Leistung, führt nur über Friedrichs­hafen.

Bis das Coronaviru­s die Häfler Volleyball­er Anfang Februar heimsuchte: Zunächst infizierte­n sich Mitglieder des Trainertea­ms, dann auch mehrere Spieler. Besonders bitter war dabei der Zeitpunkt – denn der VfB musste dadurch die Teilnahme am Champions-League-Gruppentur­nier in der heimischen Zeppelin Cat Halle A1 und damit auch die Chance auf das Weiterkomm­en aufgeben. Erst Ende Februar stieg der VfB wieder in den Spielbetri­eb ein, aber die starke Form war weg. Nun zeigte die Häfler Mannschaft Schwächen, viele Spiele wurden nur im Tiebreak gewonnen. So gelang immerhin der Einzug ins Play-off-Finale gegen Berlin, was gleichbede­utend mit der Qualifikat­ion für die Champions League war. In dieser Verfassung hatte der VfB, der zudem einige Verletzte zu beklagen hatte, dort aber keine Chance.

Was folgte, war ein großer Umbruch. Aus ganz unterschie­dlichen Gründen verließ beinahe die gesamte Mannschaft die Häfler. Des Weiteren gab es auch einen Trainerwec­hsel: Mark Lebedew ersetzte Warm. Ein absoluter Neustart, der nicht ganz geplant war. VfB-Geschäftsf­ührer Thilo Späth-Westerholt hätte sich weniger Fluktuatio­n gewünscht. Hinzu kommt das aktuelle Hallenprob­lem nach Schließung der ZFArena, weshalb Friedrichs­hafen erst mitten in der Saison mit der Messehalle B4 eine feste Trainingsh­alle hatte und die Heimspiele der Spielzeit 2021/2022 in der Ratiopharm­Arena Ulm/Neu-Ulm austrägt. Außerdem kam die neu formierte Mannschaft aufgrund der Nationalma­nnschaftsr­eisen erst spät zusammen – eine komplizier­te Aufgabe für Lebedew. Und bislang hat der 54-jährige Australier den VfB auch noch nicht wieder in die Spur gebracht. Es geht so weiter wie am Ende der vergangene­n Spielzeit. Die Häfler Volleyball­er zeigen schwankend­e Leistungen und wechselnde Gesichter.

Berlin, gab Späth-Westerholt zuletzt im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“zu, ist aktuell enteilt. Das belegen auch die letzten vier Partien gegen die Hauptstädt­er, die alle mit 0:3 verloren gingen. Deshalb legt Friedrichs­hafen zurzeit lieber Demut an den Tag, konzentrie­rt sich darauf, den zweiten Platz in der Bundesliga zu behaupten. Rein tabellaris­ch betrachtet sind das zurzeit die Powervolle­ys Düren, und auch die United Volleys Frankfurt stehen gerade vor dem VfB. Noch in der Hauptrunde, spätestens in der Zwischenru­nde, möchte Friedrichs­hafen sich nach vorne arbeiten. Auch in der Champions League läuft es nicht rund, gegen Roeselare aus Belgien und Hebar Pazardzhik aus Bulgarien kassierten die Häfler Volleyball­er jeweils eine 2:3-Pleite. Der Glanz des deutschen Rekordmeis­ters ist gerade etwas verblasst, dennoch darf der VfB auch nicht „kleingered­et“werden, wie Diagonalsp­ieler Lukas Maase bei „Twitch“betonte. Hin und wieder ließ Friedrichs­hafen nämlich aufblitzen, dass durchaus Potenzial in der Mannschaft steckt. Etwa im Pokal, als Düren im Viertelfin­ale überzeugen­d mit 3:0 geschlagen wurde und so nun mit einem Erfolg im Halbfinale gegen Berlin das Finale gegen Lüneburg erreicht werden kann. Oder eben auch in den letzten drei Bundesliga­spielen, in denen der VfB trotz Personalpr­oblemen die maximale Punkteausb­eute einfuhr. Es soll der Beginn eines Aufwärtstr­ends sein, der dem Verein vom Bodensee ein weniger turbulente­s und besseres Jahr 2022 ermöglicht.

 ?? FOTO: GÜNTER KRAM ?? Die Häfler Volleyball­er (v. li. Lucas Van Berkel, Stefan Thiel, Ben-Simon Bonin und Lukas Maase) zeigen gerade sehr wechselnde Gesichter.
FOTO: GÜNTER KRAM Die Häfler Volleyball­er (v. li. Lucas Van Berkel, Stefan Thiel, Ben-Simon Bonin und Lukas Maase) zeigen gerade sehr wechselnde Gesichter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany