Winterweihnachtswunderwelt
Engelberg in der Zentralschweiz verzaubert mit Lichtinstallationen und jeder Menge Abwechslung
Im Reigen der noblen Wintersportorte der Schweiz stehen Sankt Moritz, Davos, Arosa, SaasFee und Gstaad in der ersten Reihe. Und versteckt hinter mindestens sieben Bergen, nahe dem Vierwaldstättersee in der Zentralschweiz, liegt Engelberg auf über 1000 Metern an einem Talschluss. Die knapp 4000Seelen-Gemeinde hat allerdings keinen Grund, im Hintergrund zu bleiben. Im Gegenteil, sie gehört in dieser Reihe der „places to be“ganz nach vorne.
Allein der Name verzaubert. Die Geschichte um seine Entstehung noch mehr: Vor langer Zeit wollen Mönche aus dem ortsansässigen, mehr als 900 Jahre alten Kloster beobachtet haben, wie mehrere Engel um den zackigen Hausberg Hahnen geschwebt sind. Seitdem sind die Himmelsboten nicht nur zu den Namensgebern des Dorfs geworden, sondern auch zum allgegenwärtigen Symbol. Selbstverständlich ziert ein Engel das Ortswappen und in stilisierter Form auch so manches Logo.
In diesem Winter stehen sogar zwei riesige, beleuchtete Engelsflügel am Eingang zum Kurpark. Sie gehören zum Projekt „Engelberger Lichtblicke“. Die Versuchung ist groß, sich fürs Foto zwischen die Flügel zu stellen, um wenigstens für den Moment ein Engelchen zu sein. Schließlich naht Weihnachten ... Insgesamt elf Skulpturen aus unzähligen LED-Lichtlein, geschaffen von verschiedenen Künstlern, beleuchten den romantischen Ortskern. Manche von ihnen sind bis zu vier Meter hoch. Eine der größten Skulpturen dürfte die Krippe beim Kloster sein. Wenn während des stillen Betrachtens dann noch dicke Schneeflocken vom Himmel rieseln, ist die winterliche Weihnachtswunderwelt perfekt.
André Wolfensberger vom Tourismusmarketing strahlt mit den Lichtern Engelbergs um die Wette. Vor der namhaften Konkurrenz im eigenen Land ist ihm nicht bange. Stolz behauptet er: „Früher war es sogar so: Wer sich Engelberg nicht leisten konnte, der fuhr nach Sankt Moritz.“Ungläubiges Kopfschütteln kontert er mit einer ausladenden Handbewegung und dem Fingerzeig auf die vielen großartigen BelleÉpoque-Hotels, die heute noch das
Ortsbild prägen. Dazu gehört das liebevoll und recht originell ausgestattete Bellevue-Terminus direkt am Bahnhof (Engelberg ist blitzschnell aus Zürich mit dem Zug erreichbar), dessen Besitzer mit einer Laichingerin von der Schwäbischen Alb verheiratet ist. Auch ihrem geschickten Händchen ist es wohl zu verdanken, dass aus der einstigen Herberge für hochwohlgeborene Gäste ein gemütliches Sporthotel auf Vier-Sterne-Niveau geworden ist.
Gleich nebenan hat ebenfalls eine Schwäbin das Sagen. Alexandra Ellerkamp, Hotelierstochter aus Ulm, ist für das Marketing des Kempinski
Palace verantwortlich, das 1904 erbaut worden ist und nach fünfjähriger Renovierung erst im Sommer dieses Jahres wieder eröffnet wurde. Der Charme der guten alten Zeit steckt hier in jeder Ecke: Stuckdecken, Jugendstil-Lampen, edle Holzvertäfelungen, schmiedeeiserne Geländer, eine original erhaltene Bar und zur Weihnachtszeit in der Lobby ein deckenhoher, üppig geschmückter Christbaum, um den eine historische Spielzeugeisenbahn kreist. Obwohl in diesem zentral gelegenen Haus internationales Publikum verkehrt und es als Fünf-Sterne-Superior-Hotel geführt wird, ist die Atmosphäre
weder versnobt noch steif. Eher „sportlich-elegant“, wie es die Ulmerin ausdrückt.
Gleiches gilt für den ganzen Ort. Während in Sankt Moritz die Pelzmanteldichte Rekorde aufstellt, tummeln sich in Engelberg leger gekleidete Skifahrer, Snowboarder und Freerider. Und während sich im Oberengadin vor allem finanzstarke Osteuropäer ein Stelldichein geben, zieht es nach Engelberg außer Schweizer und Deutsche auch Skandinavier, vornehmlich aus Schweden. Denn selbst bis dorthin hat sich herumgesprochen, dass der Ort cool und gemütlich zugleich ist. Lokalitäten von rustikal wie der Alpenclub (indem es vorzügliches Käsefondue und zum Nachtisch himmlisches Mousse au Chocolat gibt), über lässige Bars wie die Skilodge (mit angeschlossenem Hotel und Restaurant, übrigens von einem Schweden geführt) bis hin zum Fine Dining im Restaurant Cattani im Kempinski Palace decken die gesamte Bandbreite an Bedürfnissen ab.
Auch für Skifahrer ist – je nach Gusto und Können – alles dabei. Während an den Brunnibahnen vor allem Familien mit kleineren Kindern und Anfänger auf ihre Kosten kommen, zeigt sich das größte Skigebiet der Zentralschweiz, EngelbergTitlis, mit seinen 82 Pistenkilometern, die fast bis hinauf zum 3000 Meter hoch gelegenen Titlis-Gletscher reichen, als schneesicher und anspruchsvoll. Doch es sind nicht nur die schönen, überwiegend roten Pisten, die Ski-Freaks aus der ganzen Welt nach Engelberg an den Titlis locken, sondern auch die FreerideStrecken am Berg, unter Eingeweihten bekannt als die „Big Five“. Keine Angst vor wilden Tieren darf also haben, wer die Abfahrten Löwe, Leopard, Elefant, Büffel und Nashorn bezwingen möchte.
Einen Adrenalinkick gibt es auf dem Titlis aber auch für jene, die im knöchelhohen, aufstaubenden Tiefschnee nicht ganz so firm unterwegs sind. Mit der sich drehenden Gondel geht es völlig ohne Anstrengung hinauf zum Gipfel und von dort nach einem kurzen Spaziergang auf den sogenannten Cliffwalk. Allein schon aufgrund der Höhe fällt das Atmen bei den eisigen Temperaturen schwer. Die Luft fast völlig weg bleibt aber dann beim Betreten der auf 3041 Metern höchstgelegenen Hängebrücke Europas. Es sind zwar nur 150 Schritte bis ans andere Ende des schmalen, wackeligen Stegs, trotzdem zittern die Knie. Der Blick in die Ferne ist – um im Bild zu bleiben – atemberaubend. Den nach unten trauen sich nur die Mutigsten. Zurück zur Gondel geht es durch die faszinierende Gletscherhöhle, deren glitzerndes Eis mal blau, mal pink in Szene gesetzt wird.
Etwas Mut braucht es auch, um auf dem Schlitten hinab ins Tal zu sausen. In Engelberg hat das Rodeln Tradition und gleich mehrere Bahnen mit unterschiedlichen Längen und Schwierigkeitsgraden stehen dafür zur Verfügung. Stilecht wird auf einem Engelberger Holzschlitten gerodelt, der laut Wolfensberger „um einiges höher und deshalb bequemer ist“als der bekannte Davoser Schlitten. In diesem Sinne: schöne Weihnachten und guten Rutsch!