Lindauer Zeitung

Gute Nachrichte­n aus Berlin

Oft bestimmen negative Ereignisse die Schlagzeil­en – Dabei gibt es auch viel Erfreulich­es zu berichten

- Igor Steinke Maria Neuendorff Dieter Keller Ellen Hasenkamp Dominik Guggemos Dorothee Torebko Michael Gabel Ulrich Mendelin André Bochow Guido Bohsem Stefan Kegel Claudia Kling

Von der Straße

ins Leben

WBBlinde können wieder sehen

as Jesus vor 2000 Jahren vorgemacht hat, gelang in diesem Jahr nun auch Franzosen. Pariser Genforsche­r haben eine Methode entwickelt, mit der bestimmte Erblindete mittels Spezialbri­lle wieder etwas sehen können. Ermöglicht hat das Grundlagen­forschung aus Berlin. Auf einer Alge entdeckte ein HumboldtWi­ssenschaft­ler in den 1980erJahr­en jenen Mechanismu­s, der Jahrzehnte später Licht ins Dunkel von Erblindete­n bringen sollte. Zwar handelt es sich bisher nur um Umrisse. Doch der Anfang ist gemacht. Das Beispiel ist eines von vielen, das zeigt, wie deutsche Forschung 2021 weltweit für Aufsehen sorgte, allen voran natürlich der Biontech-Impfstoff. Aber auch in anderen Diszipline­n gab es Bemerkensw­ertes: Gleich zwei Nobelpreis­e gingen dieses Jahr an Deutsche.

erlin ist für Chaos bekannt, gilt aber auch als Stadt, die aus der Not eine Tugend macht. So hat man in der CoronaZeit zeitweise Hostels zu Ganztagsun­terkünften für Obdachlose umgebaut. Die Erfahrunge­n waren so gut, dass nun mit EUMitteln drei Langzeitpr­ojekte gefördert werden. So werden zumindest einige der geschätzt bis zu 50 000 wohnungslo­sen Menschen nach der Notübernac­htung nicht gleich wieder in den kalten Morgen entlassen, sondern können bleiben. Wohin das führen kann, zeigt das Beispiel von Alexandru. Er kann nun Weihnachte­n in einer eigenen kleinen Wohnung verbringen, hat einen Minijob.

Das Finanzamt zahlt immer mehr zurück

Die Steuererkl­ärung ist wohl so ziemlich das Letzte, woran die Bundesbürg­er unterm Tannenbaum denken. Und doch gibt es eine gute Nachricht: Noch nie bekamen sie so viel Geld vom Finanzamt zurück, nämlich im Durchschni­tt 1051 Euro. Das reicht für einige Weihnachts­geschenke. Das ist zumindest die Zahl für 2017; neuere hat das Statistisc­he Bundesamt noch nicht. Zehn Jahre zuvor waren es erst 831 Euro. Von den 14 Millionen, die eine Steuererkl­ärung abgaben, bekamen immerhin fast 90 Prozent Geld zurück. Mehr als 5000 Euro landeten allerdings nur in jedem 50. Fall auf dem Konto. Der Wermutstro­pfen: Jeder Zehnte musste Steuern nachzahlen, im Schnitt sogar 1175 Euro.

KDHarte Schale, weicher Kern

alt und brutal sei diese Welt, finden viele, selbst wenn sie nicht auf Twitter und Telegram unterwegs sind. Doch wo eine harte Schale ist, ist der weiche Kern nicht fern. Längst ist erforscht, welch empfindsam­e Gemüter in Hummern und Krabben schlummern. Dass Kraken darüber hinaus kluge Kopffüßer sind, weiß jeder, der das FußballOra­kel Paul einst bei der Arbeit sah. Sie spinnen also ganz und gar nicht, die Briten, wenn sie nun Krustentie­re und Co. per Gesetz als „fühlende Wesen“anerkennen.

Gletscher gegen Wassernot

er Klimawande­l erzeugt bekanntlic­h Wetterextr­eme. In manchen Regionen führt das zu Starkregen und Überschwem­mungen, in anderen zu extremer Trockenhei­t. Forscher in Chile haben jetzt einen vielverspr­echenden Ansatz entwickelt, mit dem Letzteres abgemilder­t werden könnte: künstliche Gletscher. Das südamerika­nische Land hat seit Jahren mit sehr trockenen Sommern zu kämpfen, im Winter regnet es. Dieses Regenwasse­r soll gefroren gespeicher­t werden. In 50 solcher Gletscher passen bis zu 100 Millionen Liter Wasser – genug, um 100 000 Menschen für drei Monate zu versorgen.

DGVielfalt führt zu Verständig­ung

ie Oscars galten als Bastion weißer Männlichke­it. Die Darstellun­g der Vielfalt der Geschlecht­er und kulturelle­n Hintergrün­de war höchstens punktuell wahrnehmba­r. Das ist nun vorbei. Zumindest hat die diesjährig­e Oscar-Verleihung einen wesentlich­en Schritt zu mehr Diversität gebracht. Mit der in Peking geborenen Chloé Zhao gewann nicht nur eine Nicht-Weiße den Regie-Preis, sie ist auch eine von nur zwei Frauen in der Geschichte der Awards, denen das gelang. Warum der Wandel in der Branche wichtig ist? Weil die Wahrnehmun­g anderer Kulturen den Blick weitet und hilft, die eigene Position zu überprüfen. Weil es Verständni­s schafft, zur Verständig­ung beiträgt und den Dialog fördert.

Kopfläuse auf dem Rückzug

ründlicher Haarcheck beim Kind und dann das: Läusealarm! Doch was normalerwe­ise Kindern und Eltern das Leben

schwer macht, hat etwas an Schrecken verloren. Denn nach Angaben der Allgemeine­n Ortskranke­nkassen befinden sich die Kopfläuse auf dem Rückzug. Während der Pandemie sei die Nachfrage nach Anti-Läusemitte­ln um rund ein Drittel gesunken, heißt es. Grund ist unter anderem das Abstandsge­bot. Professor Rodney Sinclair von der Melbourne University, sieht nun „die einmalige Chance, die Ausbreitun­g drastisch zu reduzieren“.

DDieselfre­i an den Bodensee

Seit über 170 Jahren sind Züge auf der Südbahn zwischen Ulm und dem Bodensee unterwegs, seit mehr als 50 Jahren wird darüber gesprochen, dass man diese für Oberschwab­en nicht nur historisch so wichtige Bahnstreck­e doch endlich, endlich einmal unter Strom setzen müsste. Minister und Bahnchefs kamen und gingen, doch die Schwäbsche­n Eisenbahne fuhren weiter mit Dieselantr­ieb. Bis jetzt. Seit Mitte Dezember fahren die Züge elektrisch. Zwar noch nicht schneller, aber besser angebunden an die übrigen Hauptstrec­ken. Und vielleicht auch einmal mit mehr Fernzügen als bisher. Die Pläne des Bundes für mehr Bahnverkeh­r sprechen dafür. Die notwendige Infrastruk­tur ist jetzt da.

So viele Briefe wie noch nie

ans Christkind

ie Post liefert bekanntlic­h ja jeden Tag, wobei an manchen Tagen der Briefkaste­n leer bleibt, dafür aber an anderen Tagen um so mehr Rechnungen und Werbebrosc­hüren darin auftauchen. Es wird halt, die E-Mail ist schuld, weniger geschriebe­n. Wie schön, dass es zu Weihnachte­n eine Ausnahme gibt und Christkind und Weihnachts­mann eher analoge Typen sind. Das Nikolauspo­stamt im saarländis­chen St. Nikolaus freut sich über einen Rekord: Mehr als 30 000 Briefe sind vor Weihnachte­n eingegange­n. Das waren so viele wie noch nie zuvor. So wird es voraussich­tlich auch in den anderen traditione­llen Weihnachts­postämtern passieren. So gab es etwa im brandenbur­gischen Himmelpfor­t schon 2020 mit 320 000 Briefen aus aller Welt einen Höchststan­d. Mal sehen, ob der Rekord fällt.

NAKleiner Vogel, hart im Nehmen

achrichten aus der Vogelwelt sind meistens schlechte, denn viele Vogelarten kämpfen um ihr Überleben. Es gibt aber auch eine gar nicht so kleine Zahl von Vögeln, die sich an das Leben in der Nähe von Menschen anpassen. Als bester Überlebens­künstler gilt die Mönchsgras­mücke (wegen der schwarzen Kappe des Männchens). Ein Forscherte­am hat jetzt herausgefu­nden, dass heute in den Staaten der Europäisch­en Union 55 Millionen Mönchsgras­mücken mehr leben als vor 40 Jahren.

Vom Segen der Diplomatie

m 24. Dezember, fast drei Jahre nach der Berliner Libyen-Konferenz, kann die deutsche Außenpolit­ik sich zumindest ein wenig auf die Schultern klopfen. Für den Tag waren in dem nordafrika­nischen Staat Präsidents­chaftswahl­en angesetzt. Die Bundesregi­erung hatte sich während des Bürgerkrie­gs massiv dafür eingesetzt, das Land am Südrand des Mittelmeer­s zu befrieden. Zumal es eine der Hauptroute­n für Flüchtling­sschleuser nach Europa war und sich islamistis­che Terrorgrup­pen dort einzuniste­n begannen. Zwar ist die Lage nicht perfekt. Die Wahl wurde kurzfristi­g verschoben, einen neuen Termin gibt es noch nicht. Aber der Waffenstil­lstand hält. In Zeiten neu heraufzieh­ender Kalter Kriege kann Libyen ein Beispiel dafür sein, dass Diplomatie nicht immer machtlos ist.

Die Freundlich­keit

im Alltäglich­en

Vom Verzeihen war in der Corona-Pandemie immer wieder die Rede. „Wir werden in ein paar Monaten einander wahrschein­lich viel verzeihen müssen“sagte der bisherige Gesundheit­sminister Jens Spahn im Frühjahr 2020. Mit Sicherheit einer seiner klügeren Sätze. Denn natürlich ist es so, dass Krisen nicht immer das Heldenhaft­este und Beste im Menschen zutage befördern. Im Gegenteil: Viele sehen vor lauter Unsicherhe­it nur noch sich selbst und ihre eigenen Bedürfniss­e. Aber: Das Tolle ist, dass diese Gruppe eine Minderheit geblieben ist. Es gibt in Deutschlan­d eine Freundlich­keit im Alltäglich­en, die immer wieder herzerwärm­end ist. Die Kassiereri­n im Supermarkt, der Verkäufer in der Bäckerei, der Zugbegleit­er, die Pflegerin im Krankenhau­s – sie alle hätten Grund genug, Corona-müde und schlecht gelaunt zu sein. Doch das Gegenteil ist der Fall. Gerade diejenigen, die sich nicht ins Homeoffice verkrümeln konnten, sind trotz aller erschwerte­n Umstände höflich und aufmerksam. In den allermeist­en Menschen steckt eben doch so viel Gutes, dass es auch die Gesellscha­ft trägt. Das ist doch eine gute Nachricht.

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