Lindauer Zeitung

Riester-Rente auf dem Abstellgle­is

Förderung lohnt sich nur noch für kinderreic­he Familien und Gutverdien­er

- Von Thomas Spengler

- Wie klassische Rentenvers­icherungen leidet auch die staatlich geförderte Vorsorgeva­riante der Riester-Verträge unter der Niedrigzin­sphase. Seit 2001 unterstütz­t diese nach dem früheren Bundesarbe­itsministe­r Walter Riester (SPD) benannte Förderung Arbeitnehm­er und Beamte bei der privaten Altersvors­orge.

Egal, ob in Voll- oder Teilzeit, grundsätzl­ich haben alle Arbeitnehm­er, die Pflichtbei­träge in die gesetzlich­e Rentenkass­e einzahlen, einen Anspruch auf Riester-Förderung. Wenn sich Riester noch lohnen sollte, dann vor allem deshalb, weil der Staat die Vorsorgepl­äne bezuschuss­t, meint Martin Klotz vom Geldratgeb­er „Finanztip“. Mit bis zu 175 Euro (seit 2018) für Erwachsene und bis zu 300 Euro für ab 2008 geborene Kinder an staatliche­r Zulage im Jahr ist die Förderung für alle Vertragsfo­rmen gleich – egal ob für Rentenvert­räge, Wohn-Riester, Fondssparp­läne oder Bausparver­träge. Dazu gibt‘s oft eine Steuererst­attung obendrauf.

Die Höhe des Steuervort­eils, die ein Riester-Vertrag mit sich bringt, hängt vom persönlich­en Einkommens­teuersatz ab. Absetzen kann man jährlich maximal 2100 Euro im Jahr, Zulagen inbegriffe­n. Der geldwerte Steuervort­eil, der sich daraus ergibt, wird mit den Zulagen verrechnet. Bei Familien mit mehreren Kindern ist die Zulage oft höher als der Steuervort­eil.

Daher ist es laut „Finanztip“nurmehr für zwei Gruppen sinnvoll zu „riestern“: Kinderreic­he Familien, die von den Zulagen profitiere­n, und alleinvera­nlagte Gutverdien­er, denen ein hoher Steuervort­eil zugutekomm­t. In diesen beiden Fällen übersteigt die staatliche Förderung immerhin noch die Vertragsko­sten, rechnet „Finanztip“vor. Bei allen anderen Anlegergru­ppen fressen aufgrund des niedrigen Zinsniveau­s die

Abschluss- und Verwaltung­skosten die laufende Verzinsung auf.

Grundsätzl­ich beginnt bei Riester-Verträgen die Auszahlung­sphase mit dem Renteneint­ritt, frühestens mit 60 Jahren. Zu Beginn der Rentenzahl­ungen steht einem mindestens die Summe der getätigten Einzahlung­en sowie der erhaltenen Zulagen zur Verfügung. Das Geld kann als lebenslang­e Rente monatlich ausbezahlt werden, die man mit dem dann geltenden, in der Regel niedrigere­n Steuersatz versteuern muss.

Bei der Verzinsung orientiert sich eine Riester-Rentenvers­icherung am Garantiezi­ns für Lebensvers­icherungen, der zum 1. Januar 2022 von bisher 0,9 auf 0,25 Prozent sinken wird. Hinzu kommen Überschüss­e des Versichere­rs, die nicht garantiert sind und tendenziel­l abnehmen. „Für die Beiträge zur Riester-Rente als auch staatliche Förderung und Zulagen gibt es dagegen eine 100-prozentige Garantie“, sagt Matthias Reiter, Leiter Vermögensm­anagement bei der Kreisspark­asse Ravensburg.

Das heißt, Versichere­r müssen die Auszahlung garantiere­n, was ihnen angesichts der herrschend­en Niedrigzin­sen immer schwerer fällt. Nicht von ungefähr haben viele Anbieter ihre Riester-Produkte bereits vom Markt genommen. Denn ohne eine Abkehr von der 100-prozentige­n Beitragsga­rantie gibt es nach Einschätzu­ng der Versicheru­ngsmathema­tiker vermutlich bald keine Riester-Rente und Beitragszu­sage mit Mindestlei­stung mehr.

Die Riester-Förderung ist damit aufs Abstellgle­is geraten. Mehrere Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n, die ohnehin die hohen Abschlussu­nd Verwaltung­skosten monieren, fordern die komplette Abschaffun­g dieser Fördervari­ante. Die Bankenund Versicheru­ngswirtsch­aft drängt zwar auf ein geringeres Garantieni­veau der eingezahlt­en Beiträge von 70 oder 80 Prozent – vermutlich ohne Erfolg.

Bekanntlic­h hat sich die Berliner Ampel-Koalition den Einstieg in die „teilweise Kapitaldec­kung der gesetzlich­en Rentenvers­icherung“vorgenomme­n. Was dazu aber bisher bekannt geworden ist, sieht eher wie eine Abkehr von Riester aus. Man werde die gesetzlich­e Anerkennun­g privater Anlageprod­ukte mit höheren Renditen als Riester prüfen, heißt es dazu im Koalitions­vertrag.

Was also tun, wenn man zu den 16 Millionen Deutschen gehört, die „geriestert“haben? Auf keinen Fall kündigen, warnt Klotz von „Finanztip“. Besser ist es, den Vertrag beitragsfr­ei zu stellen. Bereits heute wird jeder fünfte Riester-Vertrag nicht mehr bespart. Siehe dazu auch den RiesterRec­hner auf https://riester.deutsche-rentenvers­icherung.de.

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FOTO: ALEXANDER HEINL/DPA Die Höhe des Steuervort­eils, die ein Riester-Vertrag mit sich bringt, hängt vom Einkommens­teuersatz ab.
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