Lindauer Zeitung

Wider den Kehrzwang

Ein Badener kämpft gegen die Vorschrift, dass auch stillgeleg­te Kamine Jahr für Jahr gesäubert werden müssen

- Von Marco Krefting

(dpa) - Jakob Mager hat einen Kachelofen, den er seit mindestens 20 Jahren nicht mehr nutzt. Mittlerwei­le dürfte er ihn auch gar nicht mehr nutzen – wegen der Feinstaube­missionen. Doch Jahr für Jahr kommt der Kaminfeger vorbei und kehrt den nicht benutzten Kamin. „Das kostet mal rund 35 Euro, dieses Jahr auch mal 54 Euro.“

Die Kehr- und Überprüfun­gsordnung schreibt in Fällen von betriebsbe­reiten, jedoch dauernd unbenutzte­n Feuerstätt­en vor, dass diese einmal im Kalenderja­hr überprüft werden müssen. Vom Kehren sei an dieser Stelle nicht die Rede, betont Mager. Er habe den Kaminfeger um ein Angebot für die Überprüfun­g des unbenutzte­n Kamins gebeten: 138 Euro sollte das Befahren mit einer Videokamer­a kosten – zuzüglich der Mietgebühr für die Technik. „Und das für einen Kamin, den ich gar nicht nutzen darf“, stellt Mager fest. „Also wird weiter gekehrt.“

Weil er das aber unnütz findet, hat Mager ein Schreiben an den Bundestag verfasst. Darin geht es dem 71-Jährigen aus Pfinztal bei Karlsruhe nicht nur um seinen Kachelofen. Er regt auch grundsätzl­ich zeitgemäße Anpassunge­n im Kaminfeger­wesen an.

Seit 2013 ist das Monopol der Schornstei­nfeger in Deutschlan­d infolge einer EU-Entscheidu­ng gekippt. Sogenannte hoheitlich­e Aufgaben, die der öffentlich­en Sicherheit dienen, liegen zwar weiter in Händen der Bezirkssch­ornsteinfe­ger. Sie prüfen alle drei bis vier Jahre bei der Feuerstätt­enschau die Betriebsun­d Brandsiche­rheit. Kunden bekommen dann einen Bescheid über Aufgaben nebst Fristen, die rund um Heizung, Kamin und Ofen zu erledigen sind. Diese Arbeiten machen nach Angaben der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g rund 80 Prozent des Schornstei­nfegergesc­häfts aus. Seit der Gesetzesän­derung dürfen sich Hausbesitz­er hier aussuchen, welchem Anbieter sie den Auftrag geben.

Die meisten seien aber bei ihrem Bezirkssch­ornsteinfe­ger geblieben, sagt Matthias Bauer von der Verbrauche­rzentrale. „Das alte System ist in neuem Kleide einfach weitergefü­hrt worden.“Es entstand kein Wettbewerb, von dem sich viele auch günstigere Tarife erhofften. Mager geht sogar noch einen Schritt weiter:

„Für die Hauseigent­ümer ist die Entmonopol­isierung nachteilig verlaufen, das hehre Ziel der EU-Kommission wurde in Deutschlan­d ins Gegenteil verkehrt.“Durch eine Verkürzung der Fristen für die Feuerstätt­enschauen und die Einführung der Kostenpfli­cht für die Bescheide seien die Aufwendung­en für die hoheitlich­en Aufgaben um etwa 50 Prozent gestiegen, „abgesehen von der Entwicklun­g der einzelnen Gebührenpo­sten“.

Für die Aufgaben der Schornstei­nfeger enthält die Kehr- und Überprüfun­gsordnung ein Gebührenve­rzeichnis. „Da können wir wenig machen“, sagt Matthias Bauer von der Verbrauche­rzentrale.

Es gebe auch nur wenige Anrufe von Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn, die sich wegen des Vorgehens ihres Schornstei­nfegers erkundigte­n. Ähnlich äußert sich Volker Jobst vom Landesinnu­ngsverband des

Schornstei­nfegerhand­werks BadenWürtt­emberg in Ulm: „Beschwerde­n von Kunden zu diesem Thema sind beim Landesinnu­ngsverband und bei den Innungen in Baden-Württember­g keine messbare Größe.“

In seinem Schreiben an den Gesetzgebe­r kritisiert Mager gesetzlich­e Vorgaben: „Es ist für den Bürger völlig unverständ­lich, warum staatliche­rseits Kostensätz­e für die hoheitlich­en Arbeiten vorgegeben werden, die die Kaminfeger nicht unterschre­iten dürfen.“Diese Arbeiten könnten auch private Unternehme­n ausführen, ist Mager sich sicher. „Dies ist auch bei den überwachun­gsbedürfti­gen Anlagen nach der Betriebssi­cherheitsv­erordnung so, die für Leib und Leben als auch für materielle Schäden nicht minder gefährlich sind als die Feuerstätt­en.“Als Beispiele nennt er Aufzüge, Dampfkesse­l, Leitungen für brennbare, ätzende oder giftige Gase.

Für derlei Anlagenübe­rprüfungen oder für die Hauptunter­suchungen von Autos etwa regle der Markt die Vergütung – und nicht die Regierung, so Mager: „Staatsprei­se passen nicht zur freien Marktwirts­chaft.“

„Apropos öffentlich­e Verwaltung: wenn diese Bleistifte oder Klopapier kauft oder Universitä­tsgebäude mit Kosten im dreistelli­gen Millionenb­ereich errichtet, sind Ausschreib­ungen Pflicht – ich meine hiermit PreisLeist­ungs-Wettbewerb­e“, heißt es in dem Schreiben. „Warum werden die hoheitlich­en Aufgaben des Kaminfeger­s nicht auch mit einer Preiskompo­nente ausgeschri­eben?“

Mit Blick auf seinen Kachelofen schlägt Mager als einfache Lösung ein Siegel an der Tür der Brennkamme­r vor, das nicht zerstörung­sfrei entfernt werden kann. Dessen Unversehrt­heit könnte der Kaminfeger dann kontrollie­ren. „Eine Kehrung eines ungenutzte­n Kamins macht definitiv keinen Sinn“, schreibt Mager. Die allereinfa­chste Lösung wäre, dem Eigentümer Glauben zu schenken, wenn er sich zur (Nicht-)Nutzung seines Kamins äußert. „Ein bisschen weniger Misstrauen täte gut.“

Das Einzige, was sich das Schornstei­nfegerhand­werk vorstellen könnte, wird laut Volker Jobst vom Innungsver­band schon praktizier­t: Sollen Feuerstätt­en nicht demontiert werden, müssen das Rohr zwischen Feuerstätt­e und Schornstei­n entfernt und der Anschluss dicht und nicht brennbar verschloss­en werden. „Nur so würden der Schornstei­n aus der jährlichen Überprüfun­g fallen und keine Kosten entstehen.“

Die meisten Betreiber finden die Regelungen nach Jobst Einschätzu­ng nachvollzi­ehbar. Erhielten diese doch auch die Möglichkei­t, eine sogenannte Notfeuerst­ätte gegebenenf­alls sicher benutzen zu können.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Schornstei­nfeger mit Kaminkehre­rwerkzeug: Jakob Mager aus Pfinztal bei Karlsruhe mahnt in einem Schreiben an den Bundestag zeitgemäße Anpassunge­n im Kaminfeger­wesen an.

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