Einziger Rettungsweg führt über die Thierschbrücke
Bei einer Sperrung kommt die Feuerwehr nicht auf die Hintere Insel – Zweiter Weg ist angedacht
- Der Unfall auf der Thierschbrücke hat es gezeigt: Sie ist ein Nadelöhr. Wenn sie gesperrt ist, gibt es keine Zufahrt mehr zur Hinteren Insel.
„Aktuell ist die Hintere Insel mit Großfahrzeugen nur über die Thierschbrücke erreichbar“, sagt Max Witzigmann, Kommandant der Lindauer Feuerwehr. „Das heißt: Wenn die Thierschbrücke blockiert ist, können wir die westliche Insel nicht erreichen.“
Bei dem Unfall am vergangenen Donnerstag war die Brücke für eineinhalb Stunden gesperrt. Nach Angaben der Polizei kam ein Autofahrer, der aus Richtung Hinterer Insel über die Brücke unterwegs war, wegen überhöhter Geschwindigkeit zunächst nach links von der Fahrbahn ab. Er streifte eine Laterne und überfuhr das wellenförmige Brückengeländer. Dadurch wurde das Fahrzeug ausgehebelt und kippte nach links auf die Seite. Es blieb auf dem Fußgängerweg, der durch das Geländer von der Fahrbahn abgetrennt wird, liegen.
Auch die Feuerwehr war an der Unfallstelle im Einsatz. 20 Leute sicherten das auf der Seite liegende Auto, stellten den Brandschutz sicher und achteten darauf, dass keine schädlichen Stoffe auslaufen. „Wir haben versucht, den Rest der Fahrbahn freizulassen, damit wir genug Platz gehabt hätten, wenn wir zu einem Einsatz auf die Hintere Insel gerufen worden wären“, sagt Witzigmann.
Als sich die Planungen für die Erneuerung der Brücke 2010 konkretisierten, habe die Feuerwehr darauf hingewiesen, dass sie ein Nadelöhr ist. Doch das Problem sei noch nicht gelöst worden. Als die Brücke während der Bauphase nicht befahren werden konnte, sei für diesen Zeitraum sowohl ein Löschfahrzeug als auch ein Rettungswagen auf der Hinteren Insel stationiert worden. „Für einen möglichen Erstangriff“, wie Witzigmann sagt.
Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, beim Inselbahnhof die Gleise
zu überqueren. Doch das geht laut Witzigmann nur mit Kleinfahrzeugen. Für große Fahrzeuge wie die Drehleiter sei das nicht möglich. Außerdem handle es sich dabei nicht um eine gesicherte Feuerwehrzufahrt. Im Gegensatz zu einer ausgewiesenen Feuerwehrzufahrt, die immer frei bleiben muss, könnte der Übergang am Bahnhof im Fall der Fälle versperrt sein. „Unser Ziel als Feuerwehr ist, dass wir im Zuge der Bauarbeiten am Inselbahnhof eine zweite Zufahrt auf die Hintere Insel kriegen“, sagt Witzigmann. Doch bis das umgesetzt wird, dauert es noch länger.
Auch für Rettungswagen ist die Thierschbrücke die einzige Zufahrt zur Hinteren Insel. Auch wenn
Krankenwagen kleiner sind als Feuerwehrfahrzeuge, kommen sie nicht überall durch. Theoretisch gibt es die Möglichkeit, an der Eilguthalle auf den Schützigerweg direkt an der Ufermauer zu gelangen. Doch der sei für Rettungsfahrzeuge nicht zu befahren, sagt Roman Gaißer, Kreisgeschäftsführer des BRK Lindau.
Sollte es zu einem medizinischen Notfall auf der Hinteren Insel kommen, müssten die Sanitäterinnen und Sanitäter schauen, wie weit sie vorfahren können und den Rest laufen. „Sie müssten alles auf die Trage legen und rennen“, sagt er. Das sei nicht nur zeitlich schwierig, sondern auch körperlich ein Kraftakt, denn die Ausrüstung wiegt einige Kilogramm. Wenn sie dann den Patienten mit der Trage zum Rettungswagen bringen müssten, sei das nochmal eine Herausforderung.
„Bei Flugwetter hätten wir noch die Möglichkeit, den Hubschrauber zu rufen und die Hintere Insel auf dem Luftweg zu erreichen“, sagt Gaißer. „Theoretisch gibt es noch den Wasserweg, doch das ist Science Fiction.“Bisher sei es aber noch nicht zu solch einem Vorfall gekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, schätzt er deswegen als eher gering ein.
Die Polizei sieht es kritisch, dass es mit der Thierschbrücke nur einen Rettungsweg zur Hinteren Insel gibt. „Eine zweite Zufahrt wäre dringend notwendig, gerade für die Rettungskräfte, die mit größeren Fahrzeugen unterwegs sind als die Polizei“, sagt Thomas Steur, Chef der Polizeiinspektion Lindau. Deswegen sollte ein zweiter Zugang geschaffen werden, sobald die Gleise zurückgebaut werden. Doch er sagt auch: „Für uns hat sich das Problem bisher nicht ergeben.“
Der Lindauer Stadtverwaltung ist das Problem bewusst. „Das ist nichts Neues“, sagt Pressesprecherin Tarja Prüss. Schon vor der Erneuerung der Brücke habe es für Fahrzeuge nur diesen einen Weg gegeben. Die neue Brücke habe die Situation dennoch verbessert, weil die Fahrbahnen breiter sind: „Bei einer halbseitigen Sperrung kann sie weiter befahren werden“, sagt sie. Fußgänger und Radfahrer könnten bei einer Sperrung über den Schützingerweg ausweichen, müssten aber einen gewissen Umweg in Kauf nehmen.
Langfristig soll trotzdem ein zweiter Rettungsweg gebaut werden. Im Rahmenplan zur städtebaulichen Entwicklung der Hinteren Insel ist er schon angedacht. „Wenn der Rahmenplan umgesetzt wird, würde eine alternative Zufahrt über den Bahnhofplatz entstehen, aber dafür müssen zuerst die Gleise zurückgebaut werden“, sagt Pressesprecherin Prüss.