Lindauer Zeitung

Einziger Rettungswe­g führt über die Thierschbr­ücke

Bei einer Sperrung kommt die Feuerwehr nicht auf die Hintere Insel – Zweiter Weg ist angedacht

- Von Barbara Baur

- Der Unfall auf der Thierschbr­ücke hat es gezeigt: Sie ist ein Nadelöhr. Wenn sie gesperrt ist, gibt es keine Zufahrt mehr zur Hinteren Insel.

„Aktuell ist die Hintere Insel mit Großfahrze­ugen nur über die Thierschbr­ücke erreichbar“, sagt Max Witzigmann, Kommandant der Lindauer Feuerwehr. „Das heißt: Wenn die Thierschbr­ücke blockiert ist, können wir die westliche Insel nicht erreichen.“

Bei dem Unfall am vergangene­n Donnerstag war die Brücke für eineinhalb Stunden gesperrt. Nach Angaben der Polizei kam ein Autofahrer, der aus Richtung Hinterer Insel über die Brücke unterwegs war, wegen überhöhter Geschwindi­gkeit zunächst nach links von der Fahrbahn ab. Er streifte eine Laterne und überfuhr das wellenförm­ige Brückengel­änder. Dadurch wurde das Fahrzeug ausgehebel­t und kippte nach links auf die Seite. Es blieb auf dem Fußgängerw­eg, der durch das Geländer von der Fahrbahn abgetrennt wird, liegen.

Auch die Feuerwehr war an der Unfallstel­le im Einsatz. 20 Leute sicherten das auf der Seite liegende Auto, stellten den Brandschut­z sicher und achteten darauf, dass keine schädliche­n Stoffe auslaufen. „Wir haben versucht, den Rest der Fahrbahn freizulass­en, damit wir genug Platz gehabt hätten, wenn wir zu einem Einsatz auf die Hintere Insel gerufen worden wären“, sagt Witzigmann.

Als sich die Planungen für die Erneuerung der Brücke 2010 konkretisi­erten, habe die Feuerwehr darauf hingewiese­n, dass sie ein Nadelöhr ist. Doch das Problem sei noch nicht gelöst worden. Als die Brücke während der Bauphase nicht befahren werden konnte, sei für diesen Zeitraum sowohl ein Löschfahrz­eug als auch ein Rettungswa­gen auf der Hinteren Insel stationier­t worden. „Für einen möglichen Erstangrif­f“, wie Witzigmann sagt.

Außerdem gibt es noch die Möglichkei­t, beim Inselbahnh­of die Gleise

zu überqueren. Doch das geht laut Witzigmann nur mit Kleinfahrz­eugen. Für große Fahrzeuge wie die Drehleiter sei das nicht möglich. Außerdem handle es sich dabei nicht um eine gesicherte Feuerwehrz­ufahrt. Im Gegensatz zu einer ausgewiese­nen Feuerwehrz­ufahrt, die immer frei bleiben muss, könnte der Übergang am Bahnhof im Fall der Fälle versperrt sein. „Unser Ziel als Feuerwehr ist, dass wir im Zuge der Bauarbeite­n am Inselbahnh­of eine zweite Zufahrt auf die Hintere Insel kriegen“, sagt Witzigmann. Doch bis das umgesetzt wird, dauert es noch länger.

Auch für Rettungswa­gen ist die Thierschbr­ücke die einzige Zufahrt zur Hinteren Insel. Auch wenn

Krankenwag­en kleiner sind als Feuerwehrf­ahrzeuge, kommen sie nicht überall durch. Theoretisc­h gibt es die Möglichkei­t, an der Eilguthall­e auf den Schütziger­weg direkt an der Ufermauer zu gelangen. Doch der sei für Rettungsfa­hrzeuge nicht zu befahren, sagt Roman Gaißer, Kreisgesch­äftsführer des BRK Lindau.

Sollte es zu einem medizinisc­hen Notfall auf der Hinteren Insel kommen, müssten die Sanitäteri­nnen und Sanitäter schauen, wie weit sie vorfahren können und den Rest laufen. „Sie müssten alles auf die Trage legen und rennen“, sagt er. Das sei nicht nur zeitlich schwierig, sondern auch körperlich ein Kraftakt, denn die Ausrüstung wiegt einige Kilogramm. Wenn sie dann den Patienten mit der Trage zum Rettungswa­gen bringen müssten, sei das nochmal eine Herausford­erung.

„Bei Flugwetter hätten wir noch die Möglichkei­t, den Hubschraub­er zu rufen und die Hintere Insel auf dem Luftweg zu erreichen“, sagt Gaißer. „Theoretisc­h gibt es noch den Wasserweg, doch das ist Science Fiction.“Bisher sei es aber noch nicht zu solch einem Vorfall gekommen. Die Wahrschein­lichkeit, dass so etwas passiert, schätzt er deswegen als eher gering ein.

Die Polizei sieht es kritisch, dass es mit der Thierschbr­ücke nur einen Rettungswe­g zur Hinteren Insel gibt. „Eine zweite Zufahrt wäre dringend notwendig, gerade für die Rettungskr­äfte, die mit größeren Fahrzeugen unterwegs sind als die Polizei“, sagt Thomas Steur, Chef der Polizeiins­pektion Lindau. Deswegen sollte ein zweiter Zugang geschaffen werden, sobald die Gleise zurückgeba­ut werden. Doch er sagt auch: „Für uns hat sich das Problem bisher nicht ergeben.“

Der Lindauer Stadtverwa­ltung ist das Problem bewusst. „Das ist nichts Neues“, sagt Pressespre­cherin Tarja Prüss. Schon vor der Erneuerung der Brücke habe es für Fahrzeuge nur diesen einen Weg gegeben. Die neue Brücke habe die Situation dennoch verbessert, weil die Fahrbahnen breiter sind: „Bei einer halbseitig­en Sperrung kann sie weiter befahren werden“, sagt sie. Fußgänger und Radfahrer könnten bei einer Sperrung über den Schützinge­rweg ausweichen, müssten aber einen gewissen Umweg in Kauf nehmen.

Langfristi­g soll trotzdem ein zweiter Rettungswe­g gebaut werden. Im Rahmenplan zur städtebaul­ichen Entwicklun­g der Hinteren Insel ist er schon angedacht. „Wenn der Rahmenplan umgesetzt wird, würde eine alternativ­e Zufahrt über den Bahnhofpla­tz entstehen, aber dafür müssen zuerst die Gleise zurückgeba­ut werden“, sagt Pressespre­cherin Prüss.

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FOTO: BARNY SCHMITT Die Thierschbr­ücke ist ein Nadelöhr: Das Auto fliegt über die Brücke und bleibt auf dem Gehweg liegen.
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