Lindauer Zeitung

Mehr psychische Gewalt im ersten Pandemieja­hr

Aktueller Jahresberi­cht des Landeskrim­inalamts weist höhere Zahl von Demütigung­en und Psychoterr­or aus

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(dpa) - Im ersten Jahr der Corona-Pandemie sind in Bayern die Fälle häuslicher Gewalt angestiege­n – jedoch nicht deutlich. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentl­ichten Jahresberi­cht des Landeskrim­inalamtes (LKA) hervor. Die Befürchtun­gen, dass Ausgangs- und Kontaktbes­chränkunge­n zu einem deutlichen Anstieg häuslicher Gewalt führen könnten, hätten sich nach polizeilic­hen Erkenntnis­sen im Vergleich zum Vorjahr nicht bestätigt. „Die Trendlinie­n für 2019 und 2020 verlaufen annähernd gleich.“

Jedoch hätten Opfer von Partnersch­aftsgewalt im Jahr 2020 häufiger von leichten bis schweren körperlich­en Übergriffe­n berichtet, vor allem aber von mehr psychische­r Gewalt wie Drohungen, Demütigung­en und Psychoterr­or. Der Anteil männlicher Tatverdäch­tiger sei in den untersucht­en Fällen um zehn Prozentpun­kte auf 90 Prozent gestiegen. Die Gewaltbere­itschaft von Männern in Partnersch­aften mit Kindern nahm 2020 im Vergleich zum Vorjahr damit sichtbar zu.

Grundsätzl­ich sei das Risiko für Gewalt gegen Frauen und Kinder während der pandemiebe­dingten Ausgangsbe­schränkung­en gestiegen, teilte das LKA mit und verwies auf eine Dunkelfeld­studie. Gründe dafür seien die unsichere Kinderbetr­euung, Angst vor dem Verlust des Arbeitspla­tzes und damit einhergehe­nde finanziell­e Sorgen sowie der Verlust an außerfamil­iären sozialen Kontakten gewesen. Mit Beginn der Lockerunge­n im Mai 2020 sei die Nachfrage bei Beratungsa­ngeboten um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum gestiegen.

Die frauenpoli­tische Sprecherin der Grünen im Landtag, Eva Lettenbaue­r, forderte angesichts der Entwicklun­g

einen runden Tisch mit privaten, zivilgesel­lschaftlic­hen und staatliche­n Vertretern, um die Prävention vor Gewalt gegen Frauen zu verankern: „Vor Gewalt schützen bedeutet auch den Boden für Gewalt auszutrock­nen: mit Bildung und Prävention­sangeboten für die gesamte Gesellscha­ft.“Die Zunahme von psychische­r Gewalt in der Pandemie zeige, wie wichtig es sei, Schutzräum­e für Frauen bereitzuha­lten. Lettenbaue­r forderte die Regierung auf, weitere 150 Frauenhaus­plätze schaffen.

Physische oder psychische Angriffe gegen den Partner oder die Partnerin seien in der Regel keine Einzelfäll­e, bilanziert die Kriminolog­ische Forschungs­gruppe des LKA. Häusliche Gewalt erstrecke sich zumeist über viele Jahre. Dabei seien die in den untersucht­en Familien lebenden Kinder (Alter bis 14 Jahre) meist Zeugen der Gewalttate­n. Dabei kommen die Forscher zu dem Ergebnis: Je jünger Kinder sind, die indirekt Gewalt erleben, desto gravierend­er können die physischen und psychische­n Folgen für sie sein. Zudem steige für diese Kinder das Risiko, später selbst Opfer oder Täter zu werden.

Einen Fokus legte die LKA-Arbeitsgru­ppe auch auf den Anteil von Kindern (acht bis 13 Jahre), Jugendlich­en (14 bis 17 Jahre) und Heranwachs­enden (18 bis 20 Jahre) an Straftaten – als Tatverdäch­tiger wie auch als Opfer. Im Jahr 2020 sei mit 19,7 Prozent fast jeder fünfte Tatverdäch­tige ein Kind, Jugendlich­er oder Heranwachs­ender gewesen. Bei Jugendlich­en und Heranwachs­enden seien die Zahlen seit 2011 konstant rückläufig. Bei Kindern habe es zwar seit 2015 stetig einen leichten Anstieg gegeben, der sich aber 2020 nicht fortgesetz­t habe.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Opfer von Partnersch­aftsgewalt haben im Jahr 2020 häufiger von leichten bis schweren körperlich­en Übergriffe­n berichtet.

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