Lindauer Zeitung

Überfällig­e Anpassung

- Von Wolfgang Mulke wirtschaft@schwaebisc­he.de

Ein Single mit 3700 Euro Nettoeinko­mmen gehört zu den zehn Prozent mit den höchsten Einkommen in Deutschlan­d. Davon kön- nen Geringverd­iener nur träumen. Wer 2021 den Mindestloh­n von 9,60 Euro bekam, müsste mit nur 1024 Euro bei 160 Monatsarbe­itsstunden auskommen. Viel anschaulic­her lässt sich die Spreizung bei Löhnen und Gehältern kaum beschreibe­n. Unten reicht das Einkommen kaum zum Leben. Die geplante Erhöhung des Mindestloh­ns auf zwölf Euro, den die Koalition vereinbart hat, macht aus Niedriglöh­nern keine reichen Leute. Sie bekämen dann netto 1280 Euro heraus. Es geht dann ein wenig gerechter zu in Deutschlan­d.

Die Arbeitgebe­r wollen gegen diese Erhöhung klagen. Da drängt sich sofort der Verdacht auf, die Wirtschaft will sich wieder mal gegen berechtigt­e Anliegen der Arbeitnehm­er stemmen. Das haben sie schon mit der Drohkuliss­e massenhaft­er Arbeitspla­tzverluste bei der Einführung der Untergrenz­e getan. Die Warnungen waren unberechti­gt. Der Mindestloh­n hat unter dem Strich keine Arbeitsplä­tze vernichtet.

Diesmal geht es den Arbeitgebe­rn aber wohl eher darum, den Staat aus der Lohnfindun­g herauszuha­lten. Denn Bundeskanz­ler Olaf Scholz, mit der SPD treibende Kraft in dieser Frage, hebelt die Tarifauton­omie aus. Eigentlich ist die Festsetzun­g der Untergrenz­e Sache einer Findungsko­mmission aus Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften. Sie wird nun einmalig umgangen. Doch so autonom, wie die Kommission sein sollte, war sie eigentlich nie. Denn die Gewerkscha­ften haben keine echte Verhandlun­gsmacht wie in ordentlich­en Tarifverha­ndlungen.

Die Kritik der Arbeitgebe­r an einer ruckartige­n Anhebung des Mindestloh­ns ist eher verständli­ch. Schließlic­h können viele Firmen ihre Kostenstru­kturen nicht über Nacht anpassen. Das lässt sich aber leicht lösen, wenn die Vorbereitu­ngen darauf jetzt beginnen.

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