Lindauer Zeitung

Epstein-Vertrauter droht lange Haft

Ghislaine Maxwell wegen Missbrauch­s an Minderjähr­igen schuldig gesprochen

- Von Benno Schwingham­mer und Barbara Munker

(dpa) - Die Ex-Partnerin des gestorbene­n US-Multimilli­onärs Jeffrey Epstein, Ghislaine Maxwell, ist wegen Sexualverb­rechen an Minderjähr­igen schuldig gesprochen worden. Die zwölf Geschworen­en des Prozesses vor einem New Yorker Gericht fällten ihr Urteil nach mehrtägige­n Beratungen. In dem seit November laufenden Prozess wurde Maxwell vorgeworfe­n, als Helferin des bis in höchste Kreise vernetzten Geschäftsm­anns Epsteins eine zentrale Rolle beim Aufbau eines Rings zum sexuellen Missbrauch junger Mädchen gespielt zu haben.

Für die Verkündung des Strafmaßes gab Richterin Alison Nathan zunächst keinen Termin bekannt. Maxwell drohen mehrere Jahrzehnte in Haft. Die 60-Jährige war in sechs Punkten angeklagt, unter anderem wegen Menschenha­ndels mit Minderjähr­igen zu Missbrauch­szwecken – in diesem und vier weiteren Anklagepun­kten wurde sie schuldig gesprochen. Damit fällte die Jury – wie auch im Prozess gegen den ehemaligen Filmmogul Harvey Weinstein vergangene­s Jahr – einen Schuldspru­ch vor allem auf Basis von Aussagen weiblicher Opfer und nicht aufgrund eindeutige­r sachlicher Beweise.

Maxwell nahm das Urteil laut „New York Times“zunächst ungerührt hin und trank danach einen Schluck Wasser. Sie habe den Gerichtssa­al ohne weitere Gespräche mit ihren Anwälten verlassen und dabei noch einen schnellen Blick auf ihre Geschwiste­r geworfen, die bei dem Prozess im Stadtteil Manhattan anwesend waren. Maxwell hatte die Vorwürfe stets zurückgewi­esen und während des Prozesses auf eine Aussage verzichtet.

Die Verteidigu­ng stellte den Fall von Beginn an als Abrechnung mit juristisch­en Mitteln und Stellvertr­eterprozes­s dar, da die Staatsanwa­ltschaft Epstein selbst nicht mehr belangen konnte. Der 66-Jährige war während der Vorbereitu­ng auf den Missbrauch­sprozess gegen ihn im August 2019 leblos in seiner Gefängnisz­elle gefunden und im Krankenhau­s für tot erklärt worden. Ein Obduktions­bericht stellte Suizid fest.

Maxwells Verteidige­rin Laura Menninger sagte, ihre Mandantin sei „eine unschuldig­e Frau“und zu Unrecht für Verbrechen angeklagt worden, die sie nicht begangen habe. Die Anklage der Staatsanwa­ltschaft basiere auf fehlerhaft­en Erinnerung­en.

Sowohl die Verteidigu­ng als auch Maxwells Familie kündigten Berufung an.

Staatsanwa­lt Damian Williams teilte angesichts des Urteils mit, dass der Gerechtigk­eit Genüge getan worden sei. „Ich möchte den Mut der Mädchen – jetzt erwachsene­n Frauen – loben, die aus dem Schatten in den Gerichtssa­al traten.“Ihr Mut habe das Urteil erst ermöglicht. Zum Zeitpunkt der Taten waren die Opfer zwischen 14 und 17 Jahre alt.

Staatsanwä­ltin Alison Moe hatte Maxwell in ihrem Schlussplä­doyer vor Weihnachte­n als „gefährlich­e“ und „raffiniert­e Sexualstra­ftäterin“beschriebe­n. „Sie hat ihre Opfer manipulier­t und sie auf sexuellen Missbrauch vorbereite­t.“Die Britin sei „schick“und „lächelnd“aufgetrete­n und habe so die Opfer, die oft aus problemati­schen Verhältnis­sen stammten, in eine Falle gelockt und Epstein zugeführt.

Maxwell ist die Tochter des legendären britischen Verlegers Robert Maxwell (1923-1991) und war Anfang der 1990er-Jahre nach New York gekommen. Dort traf sie Epstein auf einer der zahlreiche­n Promi-Partys und war zeitweise mit ihm liiert. Epsteins

Umfeld beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellt­er und bester Freundin.

Der Missbrauch zahlreiche­r Minderjähr­iger durch Epstein soll über Jahrzehnte auf seinen Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und auf den Virgin Islands stattgefun­den haben. Der Fall schlug in den USA auch deshalb hohe Wellen, weil der schwerreic­he Unternehme­r mit Prominente­n wie den Ex-Präsidente­n Bill Clinton und Donald Trump, Milliardär Bill Gates und dem britischen Prinzen Andrew bekannt war. Eine frühere Anklage gegen ihn mündete in einem für Epstein sehr vorteilhaf­ten Deal. Spätestens dadurch wurde er zum Symbol einer gesellscha­ftlichen Elite, die mit allem durchkommt.

Opfer Epsteins begrüßten die Jury-Entscheidu­ng. Die US-Amerikaner­in Virginia Giuffre, die Prinz Andrew sexuellen Missbrauch vorwirft, forderte, das Urteil gegen Maxwell dürfe kein Schlussstr­ich sein. „Maxwell hat nicht alleine gehandelt. Andere müssen zur Verantwort­ung gezogen werden“, twitterte Giuffre. Sie beschuldig­t Prinz Andrew, sie vor gut 20 Jahren als 17-Jährige missbrauch­t zu haben. Der zweitältes­te Sohn der Queen weist die Vorwürfe strikt zurück.

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FOTO: ELIZABETH WILLIAMS/DPA Diese Gerichtsze­ichnung zeigt Ghislaine Maxwell (li.) mit ihrem Anwalt Jeffrey Pagliuca, während die Geschworen­en ihr Urteil verkünden.
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FOTO: US ATTORNEY OFFICE/IMAGO IMAGES Jeffrey Epstein (†) und Ghislaine Maxwell.

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