Lindauer Zeitung

Von der Prinzessin zur Chefin

Designerin Diane von Fürstenber­g wird 75 Jahre alt – Mit ihrem Wrap-Dress hat sie Modegeschi­chte geschriebe­n

- Von Christina Horsten

(dpa) - Einen genauen Berufswuns­ch habe sie als Kind nie gehabt, sagte Diane von Fürstenber­g vor Kurzem in einem Interview. „Aber ich wusste genau, was für eine Frau ich einmal sein will: eine Frau, die Verantwort­ung trägt.“Mit dieser Motivation und Einstellun­g – dazu Selbstbewu­sstsein, Eleganz, Geschäftss­inn und Neugier – hat Fürstenber­g, die diesen Freitag 75 Jahre alt wird, in den vergangene­n Jahrzehnte­n ein Modeimperi­um aufgebaut.

Zentrales Stück: das berühmte DVF-Wickelklei­d, mit V-Ausschnitt, bunt gemustert, aus gemütliche­m Jerseystof­f, mit schmalem Gürtel um die Taille. „Es ist ein Kleid, das praktisch und sexy und schön ist. Jemand hat mal gesagt, dass man sich mit diesem Kleid einen Mann angeln kann – er aber auch kein Problem damit hat, einen mit diesem Kleid seiner Mutter vorzustell­en.“Mitte der 1970er-Jahre entwarf die Designerin das Wrap Dress, seitdem bedeutet das „kleine Kleidchen“für sie alles: „Es hat alle meine Rechnungen bezahlt, für die Bildung meiner Kinder bezahlt, für meine Häuser, für alles.“

Das Wickelklei­d wurde zum Symbol von Weiblichke­it, Freiheit und Selbstbewu­sstsein – und Fürstenber­g in den Medien als „verkaufskr­äftigste Frau seit Coco Chanel“gefeiert. Noch heute tragen Stars wie Jessica Alba, Madonna, Jennifer Lopez oder die britische Herzogin Kate die meist gemusterte­n Kreationen. Lange habe sie das einfach so hingenomme­n, sagt Fürstenber­g. „Aber dann habe ich mir noch einmal angeschaut, was es für mich getan hat, seinen Platz in der Gesellscha­ft, und wie unglaublic­h und selten es ist, dass ein Kleid so eine lange Lebensdaue­r hat. Und jetzt bin ich sehr stolz darauf.“Sie selbst habe das Wrap Dress allerdings „nie wirklich viel getragen“und jetzt auch „nicht mehr die Taille“dafür.

Fürstenber­gs Start ins Leben war alles andere als einfach. 1946 wurde sie als Tochter eines aus Russland stammenden Kaufmannes in Brüssel als Diane Halfin geboren. Beide Eltern waren Juden, ihre Mutter Holocaust-Überlebend­e. Bei der Geburt war diese erst vor kurzer Zeit aus einem Konzentrat­ionslager zurückgeke­hrt – und so dünn und zerbrechli­ch, dass Ärzte ihr gesagt hatten, dass sie niemals Kinder bekommen werde. „Mir wurde immer gesagt, dass ich ihre Fackel der Freiheit bin“, sagt Fürstenber­g. „Sie hat mir beigebrach­t, dass Angst keine Option ist.“

Nach der Schule geht Fürstenber­g zum Betriebswi­rtschaftss­tudium nach Genf, wo sie den Adeligen Egon von Fürstenber­g kennenlern­t. „Ich dachte nicht, dass ich so schnell heiraten würde, aber plötzlich war ich schwanger“, erzählt sie später dem „Wall Street Journal“. 1969 heiratet das Paar, bekommt einen Jungen und ein Mädchen und geht nach New York. „Ich war ein kleines jüdisches Mädchen, das einen deutschen Pringig zen geheiratet hat.“Als „Prinz und Prinzessin von der Park Avenue“werden die Fürstenber­gs zu Lieblingen der New Yorker Szene. Andy Warhol, Francesco Clemente und Helmut Newton porträtier­en Diane von Fürstenber­g. Die bringt abends die Kinder ins Bett – und geht dann in den legendären Club Studio 54. Aber das Party-Luxusleben reicht ihr nicht, sie will es sich und allen beweisen und startet ihr Modebusine­ss. „Ich wollte nie von jemandem abhän

sein, ob von meinem Vater oder meinem Mann.“Von Egon von Fürstenber­g lässt sie sich wieder scheiden.

2001 heiratet Fürstenber­g, die sich in den USA der Einfachhei­t halber oft auch Furstenber­g nennt, den US-Medienmogu­l Barry Diller. Das Paar zeigt sich häufig auf den roten Teppichen New Yorks und setzt sich mit einer gemeinsame­n Stiftung und viel Geld beispielsw­eise für Parkprojek­te wie die High Line ein, eine begrünte ehemalige Eisenbahnt­rasse in New York. Zuletzt finanziert­en die beiden Little Island, einen Park auf dem Hudson River an der Westseite Manhattans. „Ich bin stark, neugierig und liebe das Leben“, sagt Fürstenber­g. „Ich bin eine Abenteurer­in und beiße in das Leben wie in einen Apfel.“

Ihr Modeuntern­ehmen führte Fürstenber­g durch Höhen und Tiefen – und jüngst auch durch die CoronaPand­emie. Hauptsächl­ich von ihrem Anwesen im US-Bundesstaa­t Connecticu­t

aus steuerte sie ihre Firma auch mithilfe des digitalen Wandels durch die Krise. „Ich witzele immer, wie froh ich bin, dass ich alt genug bin, um im Studio 54 gewesen zu sein, und jung genug, um Teil der digitalen Revolution zu sein.“

Neben dem Wrap Dress verkauft die vierfache Großmutter längst auch unter anderem Schuhe, Handtasche­n, Schals, Brillen und Schmuck – und schreibt Bücher. „Ich war Designerin, hatte Erfolge und Rückschläg­e. Ich habe alles gesehen. Und jetzt will ich meine Macht, meine Erfahrunge­n, mein Wissen und mein Netzwerk nutzen, um Frauen auf der ganzen Welt dabei zu helfen, diejenigen zu werden, die sie sein wollen. Ich will ein Orakel sein.“

Die nächste Generation steht unterdesse­n schon bereit. Enkeltocht­er Talita, derzeit noch Studentin, wird Schritt für Schritt in das Unternehme­n eingebunde­n. „Als sie neun Jahre alt war, habe ich sie mit zu einer einwöchige­n Modenschau in Florenz genommen und sie schien komplett in ihrem Element – sie hat dabei geholfen, die Models auszusuche­n und zu stylen“, sagt Fürstenber­g – und ihre Enkelin ergänzt: „Ich sehe das so: Deine Mutter trug DVF und vielleicht sogar auch schon deine Großmutter, aber ich kann jetzt ein bisschen etwas Frischeres und Jüngeres einbringen.“Oma nenne sie Fürstenber­g dabei natürlich nicht, sagt Talita. „Ich nenne sie DVF. Sie nennt mich TVF. Das ist bei uns in der Familie so.“

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FOTO: RICHARD DREW/DPA Diane von Fürstenber­g in ihrem Büro in New York.

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