„Marotte“kurz vor der Vernichtung gerettet
Knapp 100 Jahre alte Segelyacht wird am Bodensee restauriert
Wer diesen Frosch küsst, muss es lange tun und viel Geduld haben, bevor daraus wieder ein Prinz, pardon, eine Prinzessin wird: Nur mit viel Phantasie kann man sich vorstellen, dass die Segelyacht 8 mR „Marotte“, die jetzt von der Kellerwerft in Überlingen gerettet wurde, einst ein Schmuckstück war. Doch das soll sie wieder werden.
„Ich hatte Angst, dass sie auseinanderfällt“, scherzt Lkw-Fahrer Andy, als er mit der auf einen Auflieger geladenen „Marotte“nach 14,5 Stunden Fahrt in Überlingen ankommt. In Bremerhaven war er mit dem arg heruntergekommenen einstigen Schmuckstück gestartet, das noch immer durch seine elegante Form die Blicke auf sich zieht.
Dort hatten Karsten Timmerherm, Eigner der Michelsen-Werft in Friedrichshafen, und Nikolaus Waser, Vorsitzender des 90 Mitglieder aus ganz Süddeutschland zählenden Fördervereins Yachtsport Überlingen, den 14,25 Meter langen und 2,85 Meter breiten Oldtimer gekauft. In der den beiden gehörenden Kellerwerft in Überlingen, deren Geschäftsführer Waser und Timmerherm sind, soll „Marotte“, im Französischen die Verkleinerungsform für „Marie“, ihren alten Glanz wieder bekommen.
1924 wurde das von L. Grossi konstruierte Boot in Frankreich gebaut, im „Journal de la Marine“wird die „Marott“e am 7. Februar 1925 mit einem großformatigen Foto vorgestellt, das sie in Marseille zeigt. „Die Yacht war bei den Olympischen Spielen 1926 in Amsterdam das Ersatzboot der Franzosen“, berichtet Niklaus Waser. Bis 1931 wurde Marotte im Lloyd-Register geführt, danach ist nicht genau dokumentiert, was mit ihr passierte. Im Jahr 2003 wurde sie in Kalifornien nach Holland an einen Mann verkauft, der in Norddeutschland wohnte. Seine Passion: Boote beziehungsweise Schiffe und Rennautos. Drei Jahre vor seinem Tod versuchte der Mann, seine Sammlung in gute Hände zu übergeben. So kontaktierte er die Michelsen-Werft, die Kellerwerft
und den Überlinger Verein. „Obwohl wir Interesse an ,Marotte’ gezeigt haben, sind wir nicht schnell genug handelseinig geworden“, sagt Niklaus Waser.
Als der Mann starb, ging die Yacht an eine Erbengemeinschaft. Wasers Angaben zufolge wollte diese das Schiff für „eine hohe fünfstellige Summe“verkaufen. Marotte wurde als „Projekt mit sehr viel Potenzial, eine absolute Schönheit wieder auferstehen zu lassen“feilgeboten, zuletzt für 13 600 Euro im Kleinanzeigenteil eines Nachrichtenmagazins. Doch weil sich niemand für sie interessierte, sank offenbar die erhoffte Verkaufssumme immer weiter. Von der Vernichtung bedroht war die Yacht in Bremerhaven in der Zwischenzeit eingelagert worden. Es habe Überlegungen gegeben, das Schiff zu demontieren, den Bleikiel zu verwerten und das Holz zu entsorgen, berichtet Niklaus Waser. „Als Karsten und ich uns überlegt haben, welches Schiff uns reizen würde, sind wir dann auf Marotte zu sprechen gekommen“, erzählt er. Also habe man mit dem Werfteigentümer, der das Schiff mittlerweile zum Schrottpreis übernommen hatte, Kontakt aufgenommen und Marotte quasi vom Schrottplatz gerettet.
5000 bis 7000 Stunden könnten laut Schätzungen von Experten in die Restaurierung des Schiffes, das jetzt in einer Halle in Überlingen untergebracht ist, fließen. „Ob wir es auf eigene Rechnung restaurieren oder einem Kunden als Restaurierungsprojekt anbieten, ist noch offen“, sagt Niklaus Waser. Noch im Dezember sollen das Dach für die beiden Erweiterungshallen der Kellerwerft in Überlingen fertig werden, die Wände werden im Januar und Februar gestellt. Ende Februar/ Anfang März sollen die Betonböden und der Innenausbau folgen, im April sollen die Hallen nach Angaben von Waser bezugsfertig sein. Dann wird Marotte in die Erweiterungshallen gebracht – derzeit steht sie noch in den Kremer-Hallen in Überlingen. Ob das Schiff letztendlich dort oder in der Gläsernen Werft am Bodenseeufer restauriert wird, ist noch offen.