Lindauer Zeitung

„Es ist bisher fast wie verflucht“

Trainer Stefan Wiedmaier hadert mit der dünnen Kaderdecke beim Eishockey-Oberligist­en EV Lindau Islanders

- Von Nico Brunetti

- Nach der ersten Saisonhälf­te befinden sich die EV Lindau Islanders in Abstiegsge­fahr. Dabei will sich der Club eigentlich in der Oberliga Süd etablieren. Im Interview mit Nico Brunetti analysiert EVL-Trainer Stefan Wiedmaier nun, warum es gerade nicht rundläuft. Außerdem verrät der 39-Jährige, wen er gerne im Team hätte und wie er seine Jobsicherh­eit einschätzt.

Herr Wiedmaier, Sie redeten zuletzt von „keinem einfachen Jahr“für die EV Lindau Islanders. Warum ist das aus Ihrer Sicht so?

Man muss einfach sagen, dass andere Mannschaft­en in der Oberliga Süd im Sommer aufgerüste­t haben, als gäbe es kein Morgen. Da sind Spieler gekommen, die haben DEL-Niveau und sind zwei Ligen runtergega­ngen. Deshalb war ja klar, dass die Saison für uns nicht einfach wird. Das sieht man jetzt auch: Die Topmannsch­aften heben sich langsam ab von der Liga. Wir können mit solchen Transfers, die da über den Tisch gegangen sind, natürlich nicht mithalten. Wir haben nicht so viel getätigt und nur ein paar Positionen verändert, weil wir uns auch alle gewundert haben, dass im ganzen Sommer trotz Corona auf dem Transferma­rkt Spieler zu horrenden Preisen angeboten worden sind. Da haben wir gesagt: ,Da machen wir auf keinen Fall mit.’ Und das war auch die richtige Entscheidu­ng, weil wir uns sicherlich übernommen hätten, und das entspricht nicht der Vereinsphi­losophie.

Heißt das, dass Ihr Verein einen Abstiegska­mpf in dieser Saison in Kauf genommen hat?

Wir haben gewusst, dass es dieses Szenario geben kann. Darauf sind wir vorbereite­t, als Trainer musst du sowieso mit allem rechnen. Wir wissen, wo wir sind, und wissen, was für ein Verein wir sind, und versuchen das Beste. Zwar stehen wir jetzt auf einer Position, bei der es um den Abstiegska­mpf gehen würde, aber darüber reden wir jetzt nicht. Wir analysiere­n in Ruhe, was auch wichtig ist, und versuchen, kühlen Kopf zu bewahren. Mit Gewalt geht es im Sport nicht, es sind Menschen am Werk. Man hat gesehen, was alles schon passiert ist: Wir waren Letzter, dann knapp am Achten dran, und dann wieder Vorletzter. Man sieht daran, wie schnell es in dieser Liga geht und wie eng die ganze Geschichte ist.

Sie sprechen den schlechten Saisonstar­t an. Erst am sechsten Spieltag gab es den ersten Sieg: Wie ist das zu erklären?

Lindau war in den letzten Jahren nicht bekannt für seine Starts, und zudem war es vom ersten Spieltag an so, dass wir nie mit einer vollen Kapelle gespielt haben. Mit Christian Ettwein hat sich eine Stütze so schwer verletzt, dass seine Karriere wahrschein­lich vorbei ist. Raphael Grünholz hat die ersten acht Runden gar nicht gespielt, dazu war Patrick Raaf-Effertz schon vier- oder fünfmal krank. Das ist schwierig, wenn du nicht die Leute hast, mit denen du gerechnet hast: Dadurch fehlt der Konkurrenz­druck. Zeitweise haben wir nur mit 14 Spielern gespielt, viele junge Spieler haben Eiszeiten erhalten, die sie noch nie hatten. Aber wir haben trotzdem Punkte geholt – von dem her muss man auch die positiven Dinge sehen. Die Spieler haben sich in einer schwierige­n Zeit gezeigt und haben in so einer Liga gegen so gute Spieler, wie sie heuer vorhanden sind, ihren Mann gestanden. Das macht mich stolz, dass das Team fightet und versucht, ihr Bestes zu geben. Das ist schön zu sehen.

Bei der 2:3-Heimnieder­lage gegen Passau haben einige Fans ihren Unmut mit Pfiffen geäußert. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Die Mannschaft und ich haben das nicht extrem mitgekrieg­t und ich glaube, dass es in anderen Stadien wilder zugeht. Wir sind froh, dass die Fans immer da waren – auch am Anfang, als es nicht so gelaufen ist. Diese Unterstütz­ung haben wir gemerkt, und diese brauchen wir auch weiterhin.

Mitten in der Saison gab es in Ihrem Kader viel Bewegung. Daniel Schwamberg­er und Dominik Ochmann haben den Verein verlassen, Christian Guran und Dominik Patocka sind neu dazugekomm­en. Wie haben Sie das erlebt?

Es ist einfach so passiert, wir haben das jetzt nicht erwartet und die Entscheidu­ngen

akzeptiere­n müssen. Aber Jammern bringt nichts, für mich ist das kein Grund, die Segel zu streichen. Das Feuer und die Leidenscha­ft sind bei mir vorhanden, ich brenne. Natürlich hätte ich gerne einen Connor McDavid (Spieler der Edmonton Oilers, Anm. d. Red.) oder Sidney Crosby (Spieler der Pittsburgh Pinguins, Anm. d Red.) in Lindau in meiner Mannschaft, aber die werde ich nicht kriegen. Ich bin froh über die Spieler, die da sind, die 100 Prozent für den EV Lindau geben. Und auch über die Verpflicht­ungen von Guran und Patocka: Beide geben unserem Kader Dichte.

Der EV Lindau will sich in der Oberliga etablieren und sicher auf keinen Fall absteigen. Fürchten Sie angesichts der Tabellenla­ge um Ihren Job?

Nein, darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich merke immer noch das Vertrauen, das ist wichtig. Der Vorstand vertraut auch in seine Arbeit. Man sieht, dass gewisse Sachen funktionie­ren, leider nur phasenweis­e. Aber ich weiß, dass wir bereit sind, unsere Punkte zu machen. Und man darf nicht vergessen, dass das immer noch ein junger Verein ist, der erst seit etwa fünf Jahren in der Oberliga ist und da immer auf den hinteren Rängen stand. Wir werden Schritt für Schritt weitergehe­n, und unseren sportliche­n Weg durchziehe­n. Solange ich da bin, werde ich Vollgas und hundert Prozent geben.

Unterstütz­ung gibt es von Spielern des Augsburger EV. Wie bewerten Sie die Kooperatio­n?

Für uns ist das eine super Sache und eigentlich hat uns die Kooperatio­n mit dem Augsburger EV gerettet, weil wir teilweise nicht mehr als 13 Spieler hatten. Sicher hatten wir dadurch ein so junges Line-up wie noch nie, und das rächt sich dann auch. Es passieren auch mal haarsträub­ende Fehler, man verliert auch mal ein Spiel. Aber das sind 19-jährige Buben: Sie tun uns aber gut, bringen Hunger mit und opfern ihre Freizeit für den EV Lindau. Für einige ist das Jugendeish­ockey im nächsten Jahr auch vorbei, sie müssen deshalb im Seniorenbe­reich Fuß fassen. Vielleicht sind sie bei uns dann auch ein Thema für die Zukunft.

Was muss passieren, damit die Saison noch einen guten Verlauf für den EV Lindau nimmt?

Wir brauchen den Mut und den hundertpro­zentigen Glauben an uns, manchmal brechen wir noch auseinande­r. Mein einziger Wunsch ist es, dass wir weniger Verletzte haben und ich auch mal die Qual der Wahl besitze. Das war in meiner Zeit in Lindau bisher nicht der Fall, es ist bisher fast wie verflucht. Ein positives Gefühl gibt mir dennoch, dass die Jungs die Passion haben und etwas erreichen wollen. Das gibt mir als Trainer die Energie und die Zuversicht, dass es schon in die richtige Richtung gehen wird.

Mit den Starbulls Rosenheim gastiert zum Auftakt des neuen Eishockey-Jahres ein absoluter Hochkaräte­r in Lindau. Für die Begegnung in der Eissportar­ena dürfen die EV Lindau Islanders maximal 313 Zuschauer reinlassen – es gilt die 2G-Regelung. Die Oberligapa­rtie am Sonntag, 2. Januar, um 18 Uhr kann wie gewohnt bei SpradeTV gebucht und live verfolgt werden. (lz)

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FOTO: FLORIAN WOLF Der Lindauer Coach Stefan Wiedmaier (hinten) spürt nach wie vor das Vertrauen des Vorstandes.

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