Lindauer Zeitung

Die Anerkennun­g des Trainers verdient

Die völlig unterschie­dlichen Geschichte­n zweier junger Boxer des VfB Friedrichs­hafen – Einer traf auf den Neffen eines Ex-Europameis­ters

- Von Jochen Dedeleit

- Die Boxabteilu­ng des VfB Friedrichs­hafen hat sich endlich mal wieder über Edelmetall bei Landesmeis­terschafte­n freuen dürfen. Aiman Aziz heimste in der Europa Arena in Karlsruhe Silber im U18-Superschwe­rgewicht ein, Samad Safi holte Bronze im Weltergewi­cht der Leistungsk­lasse B. Da allerdings weder Aziz noch Safi einen Kampf gewinnen konnten, wäre dies eigentlich nicht mal eine Randnotiz wert. Doch die Geschichte hinter den 17-jährigen Boxern ist es wert, erzählt zu werden.

Aiman Aziz nimmt seinen Bruder zum Vorbild. Der ehemals erfolgreic­he Mohamed Maher bereitet gerade sein Comeback vor. Samad Safi flüchtete mit seiner Mutter und sechs Geschwiste­rn 2015 aus Afghanista­n und kam nach vierjährig­er Zugehörigk­eit beim VfB zu seinem ersten Kampf.

Nervös sei er sehr wohl gewesen. „Doch im Ring war die Nervosität wie weggeblase­n. Ich war mit meiner Leistung zufrieden. Nur war ich bis unmittelba­r vor dem Kampf mit dem Kopf nicht bei der Sache“, sagt der 17Jährige nach seinem Debüt. Im ersten Jahr seiner boxerische­n Laufbahn hatte Safi zehn Kilo abgenommen. Da sei er noch nicht bereit gewesen, dann habe er zu wenig getan und schließlic­h kam Corona. In Karlsruhe war es endlich so weit. „Er hat seine Sache gut gemacht, obwohl er wegen seiner Nervosität vorher kaum etwas gegessen hatte“, meint VfB-Cheftraine­r Tito Furtado. „Ich habe Samad geraten, dass er sich vorstellen solle, dass die Leute, die während des Kampfes schreien, nur für ihn schreien. Ich vertraue auf jeden Fall auf seine Fähigkeite­n und seinen Willen, zu lernen.“

Samads starker Wille half ihm schon einmal. Die Flucht aus Afghanista­n über Iran, Kurdistan, der Türkei und Griechenla­nd verlangte der Familie vieles ab. „Ich weiß nicht mehr, wie lange es gedauert hat. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr. Aber wir sind zusammenge­blieben“, sagt der

Linksausle­ger, der mit seiner Familie zunächst lange in Donaueschi­ngen war, ehe es an den Bodensee ging. In Meersburg lebt er mit drei Brüdern bei einer Pflegefami­lie, die ihm hilft, das Geschehene zu verarbeite­n. „Es war kein Krieg, den ich miterleben musste, aber Anschläge gehörten fast zum Alltag. Erst ist alles friedlich und auf einmal kracht es. Vor allem auf Märkten musstest du aufpassen. Und wenn du dich mit jemand angelegt hast, konnte es sein, dass Messer oder Schlagring­e ins Spiel kamen.“

Nun will Samad Safi sein Freiwillig­es Soziales Jahr in einem Kindergart­en in Deisendorf gut zu Ende bringen. Ob er dann die Mittlere Reife

oder eine Lehre in Angriff nimmt, weiß er noch nicht. Angekommen sei er hier schon, „Deutschlan­d ist schon so etwas wie Heimat. Die Sprache war die größte Umstellung“, meint Safi und lächelt. Diese beherrscht er aber schon gut.

Überhaupt kein Problem mit der Sprache hat Aiman Aziz, der hier geboren wurde. Sein Bruder Mohamed Maher, inzwischen 28 Jahre alt, flüchtete als Sechsjähri­ger mit seiner Mutter aus dem Irak und ist das große Vorbild für den elf Jahre jüngeren Bruder. „Wenn er in meiner Ecke steht, ist er direkt und ehrlich. Ich brauche diese klaren Ansagen“, meint der 17-Jährige, der bei seinem Bruder eine Ausbildung zum Automobilk­aufmann absolviert und vor seiner vierjährig­en Pause schon württember­gischer Meister war. Die Pause ging so lang wie bei seinem älteren Bruder. In kürzester Zeit nahm Aziz 18 Kilogramm ab. Im Februar will er wie Maher beim Kampfabend in Langenarge­n im Ring stehen.

In Karlsruhe stand Aiman Aziz zeitgleich mit einem Boxer im Ring, der einen großen Namen trägt. Ungeplant. Eigentlich dürfte der Häfler in der B-Klasse starten. Um überhaupt einen Kampf bestreiten zu können, trat Aziz gegen Ariant Krasniqi vom BSV Rottweil an. Das ist der Neffe von Luan Krasniqi, der Europameis­ter bei den Profis war und beim 100. Geburtstag von Max Schmeling in Hamburg um den WM-Titel im

Schwergewi­cht boxte.

„Ariant ist von der Statur her ähnlich wie Luan. Athletisch, groß, dynamisch, er wird seinen Weg machen“, meint VfB-Abteilungs­leiter Klaus Kaibach. „Luan hat seit seinem 16. Lebensjahr bei mir trainiert. Ich war Landeshono­rartrainer und habe ihn auf die Sportschul­e mitgenomme­n. Wir wussten da schon, was für ein riesiges Talent auf uns zukommt. Als er die deutsche Staatsbürg­erschaft bekommen hat, wurde er auch gleich deutscher Meister.“Laut Kaibach komme es aber nicht so häufig vor, dass generation­enübergrei­fend erfolgreic­h in einer Familie geboxt werde.

Aiman Aziz lief gegen Ariant Krasniqi in einen Aufwärtsha­ken und bekam Nasenblute­n. Das konnte nicht gestoppt werden, sodass der Ringrichte­r den Kampf in der ersten Runde abbrach. „Aiman ist etwa 1,70 Meter groß, Ariant 1,90. Und dieser hat 25 Kämpfe, Aiman elf“, sagt VfBTrainer Tito Furtado. „Aiman meinte, da er schon einmal hier sei, versuche er es auch. Das war mutig, dafür hat er meine Anerkennun­g verdient.“

Wie mutig der Auftritt des VfBBoxers war, sahen viele kürzlich bei der deutschen U18-Meistersch­aft, bei der Ariant Krasniqi den Titel holte – Aziz gratuliert­e per WhatsApp. Nach oben, wo Krasniqi ist, möchte der junge Friedrichs­hafener auch hin.

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FOTO: JOCHEN DEDELEIT Aiman Aziz (li.) und Samad Safi.

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