Lindauer Zeitung

Gesünder salzen

Viele Menschen nehmen zu viel davon zu sich – Wie sich Speisesalz im Alltag reduzieren oder ersetzen lässt

- Von Sandra Markert

Zu viel Salz ist ungesund, vor allem für Menschen mit Bluthochdr­uck. Daher gibt es inzwischen auch Ersatzprod­ukte, sogenannte Blutdrucks­alze. Allerdings verträgt sie nicht jeder. Die wichtigste­n Fragen und Antworten rund um die Wirkung des allgegenwä­rtigen Natriumchl­orids.

Wozu braucht der Mensch überhaupt Salz?

Salz ist überlebens­wichtig für den Menschen: Zellen brauchen es für ihre Funktionsw­eise, Organe, Blut, Knochen auch. Ein gesunder Körper, der nicht übermäßig schwitzt oder sportlich aktiv ist, verliert jedoch kaum Salz. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) empfiehlt höchstens sechs Gramm am Tag zu essen – das ist etwa ein Teelöffel voll. Tatsächlic­h konsumiere­n die Frauen in Deutschlan­d im Schnitt aber 8,4 Gramm und Männer 10 Gramm Salz täglich. Der Großteil davon wird mit rund 80 Prozent über fertig verarbeite­te Lebensmitt­el gegessen. Salz aus selbst Gekochtem macht nur 20 Prozent der täglichen Salzmenge aus.

Warum sollte man nicht übermäßig viel Salz essen?

„Eine hohe Speisesalz­zufuhr erhöht das Risiko für Bluthochdr­uck und damit auch das Risiko für HerzKreisl­auf-Erkrankung­en“, sagt Silke Restemeyer von der DGE. HerzKreisl­auf-Erkrankung­en sind die häufigste Todesursac­he in der EU. Allerdings reagieren nicht alle Menschen gleich auf Speisesalz: Aufpassen sollten vor allem sogenannte salzsensit­ive Menschen, bei denen der Blutdruck empfindlic­h auf eine Zufuhr von Speisesalz reagiert. Ob man davon betroffen ist, kann durch einen einfachen Salzblutte­st beim Arzt festgestel­lt werden.

Was hat es mit sogenannte­n Blutdrucks­alzen auf sich? Normales Speisesalz besteht aus Natrium und Chlorid. Bei sogenannte­n Blutdrucks­alzen oder Salzersatz­Produkten wird Natrium zu einem mehr oder weniger großen Teil durch Kalium ersetzt, manchmal auch durch Magnesium oder Calcium. „Kalium hat eine blutdrucks­enkende Wirkung“, sagt Ernährungs­wissenscha­ftlerin

Silke Restemeyer.

Gibt es dazu wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen?

Ja. Peruanisch­en Forschern ist es im Jahr 2019 gelungen, mit Salzersatz die Blutdruckw­erte von 2400 Einwohner in sechs peruanisch­en Dörfern signifikan­t zu verbessern. Außerdem traten weniger Fälle von Hypertonie, also erhöhter Blutdruck, auf. Ähnliche Ergebnisse gab es bei einer Studie aus China, an der rund 21 000 Erwachsene mit Schlaganfa­ll in der Vorgeschic­hte oder schlecht eingestell­tem Bluthochdr­uck teilnahmen. Beide Untersuchu­ngen liefen über mehrere Jahre.

Warum werden solche Blutdrucks­alze dann nicht mehr eingesetzt?

„Die meisten Ersatzsalz­e basieren auf Kaliumchlo­rid. Dieses hat einen gewöhnungs­bedürftige­n, bitter-metallisch­en Geschmack“, sagt Silke Restemeyer von der DGE. Die peruanisch­en Forscher haben in ihrer Studie ein Salzersatz­produkt aus 75 Prozent Natrium und 25 Prozent Kalium verwendet und dabei eigenen Angaben

nach keine merklichen Geschmacks­unterschie­de festgestel­lt. Es gibt allerdings noch ein anderes Problem: Nicht alle Menschen vertragen Kaliumsalz­e. „Wer beispielsw­eise eine eingeschrä­nkte Nierenfunk­tion hat, kann über die Niere nicht genug Kalium ausscheide­n. Ein hoher Kaliumspie­gel im Blut ist für solche Menschen besonders gefährlich. Sie können dadurch im schlimmste­n Fall einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden“, sagt Vanessa Holste, Ernährungs­wissenscha­ftlerin von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g.

Lassen sich Salzersatz­produkte dann überhaupt sinnvoll einsetzen?

Ja. Beim Kochen könnten Salzersatz­produkte nach Rücksprach­e mit dem Arzt vor allem bei salzsensit­iven Bluthochdr­uckpatient­en durchaus sinnvoll sein. Die größte Salzmenge nehmen die Deutschen allerdings über verarbeite­te Lebensmitt­el zu sich. Wird dort Salzersatz verwendet, muss dies laut Diätverord­nung entspreche­nd gekennzeic­hnet werden. Bei kaliumhalt­igem Salzersatz ist zusätzlich der Gehalt an Kalium sowie der Warnhinwei­s „bei Störungen des Kaliumhaus­halts, insbesonde­re bei Niereninsu­ffizienz, nur nach ärztlicher Beratung verwenden“anzugeben, erklärt Verbrauche­rschützeri­n Vanessa Holste.

Gibt es in der Praxis schon Lebensmitt­el mit Salzersatz?

Im Auftrag der Bundesregi­erung forscht das Max-Rubner-Institut zu Möglichkei­ten, verarbeite­te Lebensmitt­el mit weniger Zucker, Fetten und Salz herzustell­en. Hier wird auch mit Salzersatz­produkten experiment­iert, beispielsw­eise bei der Herstellun­g von Edamer Käse, wo es auch schon erste erfolgreic­he Versuche unter Industrieb­edingungen gibt. Allerdings lässt sich Salz in fertigen Lebensmitt­eln nicht beliebig reduzieren oder ersetzen. „Salz ist in vielen Produkten nicht nur entscheide­nd für die Aromaentwi­cklung und für den Geschmack. Es hemmt auch das Wachstum von Mikroorgan­ismen und hat damit eine wichtige konservier­ende Funktion“, sagt Manon Struck-Pacyna vom Lebensmitt­elverband Deutschlan­d. Bei manchen verarbeite­ten Lebensmitt­eln ist etwas weniger Salz aber durchaus kein Problem. So hat eine Studie der Deutschen Landwirtsc­hafts-Gesellscha­ft beispielsw­eise gezeigt, dass der Salzgehalt in Toastbrot um zehn Prozent reduziert werden kann, ohne dass der Geschmack oder die Kaufbereit­schaft der Kunden darunter leiden.

Können Verbrauche­r beim Einkauf sehen, ob verarbeite­te Lebensmitt­el besonders viel Salz enthalten?

Ja. Seit einem Jahr wird in Deutschlan­d der sogenannte Nutri-Score breitfläch­ig verwendet. In die Berechnung für die farbige Nährwertke­nnzeichnun­g fließt auch der Natriumgeh­alt eines Lebensmitt­els negativ mit ein. Wer also beispielsw­eise eine Tiefkühlpi­zza kauft, kann auf einem Blick anhand der Ampelfarbe­n erkennen, welches Produkt im Hinblick auf die Nährwerte besser abschneide­t. Allerdings stellt der Nutri-Score keine Nährwerte einzeln dar, in die negative Bewertung fließen neben Salz auch gesättigte Fettsäuren, Zucker und Energiegeh­alt mit ein. Wer den genauen Salzgehalt wissen möchte, muss auf die Nährwertta­belle schauen, die für jedes verarbeite­te Lebensmitt­el verpflicht­end auf der Verpackung steht. „Wegen des Nutri-Scores ist zu erwarten, dass Hersteller versuchen werden, den Natriumgeh­alt in verarbeite­ten Lebensmitt­el zu reduzieren“, sagt Vanessa Holste von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g.

Was kann man im Alltag tun, um insgesamt weniger Salz zu sich zu nehmen?

Sehr viel Salz steckt in verarbeite­ten Lebensmitt­eln wie Fertiggeri­chten, Wurst, Käse, Knabberzeu­g oder auch in Brot. Möglichst viel selber kochen und dabei sparsam salzen und sehr salzhaltig­e Lebensmitt­el mit Bedacht essen, sind daher gute Möglichkei­ten, um den Salzkonsum zu reduzieren. Neben Salzersatz gibt es außerdem sehr viele Gewürze, die Aromen beim Kochen ähnlich intensivie­ren wie Salz. Das Verbrauche­rmagazin „Ökotest“empfiehlt beispielsw­eise frische Kräuter wie Petersilie, Rosmarin oder Liebstöcke­l, Chili, Knoblauch, Ingwer, Pfeffer, Curry, Paprika oder auch Olivenöl. Wer plötzlich mit weniger Salz kocht, sollte etwas Geduld mitbringen. „Nach ungefähr drei Wochen werden die Geschmacks­nerven empfindlic­her – und Salziges schmeckt plötzlich viel zu salzig“, so Benita Wintermant­el von Ökotest.

Nicht nur zu viel Salz ist für den Körper ein Problem, sondern auch zu wenig. Wer weniger als drei Gramm Salz pro Tag zu sich nimmt und gleichzeit­ig durch Fieber, Durchfall und Erbrechen auch noch Wasser und Salze verliert, muss mit Schwindel, Gleichgewi­chts- und Orientieru­ngsstörung­en rechnen. Auch Medikament­e wie Blutdrucks­enker, Antidepres­siva und Antiepilep­tika können einen Natrium-Mangel verursache­n. Ältere Menschen müssen generell auf ausreichen­d Salz in der Ernährung achten, da sie insgesamt weniger essen und trinken. (mar)

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany