Das Jahr geht, die Hoffnung auf gute Gastgeber bleibt
Tja, und nun also Silvester: Der Tag, an dem wir noch im Genuss der Festtagskost schwelgen, bevor wir vor dem Hintergrund enger gewordener Hosen wieder ein Bewusstsein für das Kürzertreten, das Fasten und den Verzicht entwickeln.
Mit Verzicht kennt sich die Gastronomie inzwischen besser aus als ihr lieb sein kann. Während des Aufund Abs der Lockdowns erlebten viele Gastgeber neben der finanziellen vor allem auch eine gefühlsmäßige Berg- und Talfahrt, auf der nicht wenige komplett aus der Bahn geworfen wurden. Das Dumme an der Sache ist: Wir alle – und da gehört das Gastgewerbe natürlich dazu – sind durch diese pandemische Katastrophe noch immer nicht durch. Und im Moment kann auch keiner verlässlich sagen, wann es denn endlich so weit sein wird. Doch egal, ob es nun noch drei
Monate, drei Quartale
oder drei Jahre dauert – das ohnehin stets im Wandel befindliche Gesicht der Gastronomie hat 2021 radikale Einschnitte erlebt.
Das hat in erster Linie damit zu tun, dass viele Mitarbeiter, die in Kurzarbeit und Unsicherheit um ihre Existenz fürchten mussten, in andere Bereiche abgewandert sind und die Personalnot in Küche und Service noch einmal verschärft haben. Und deren Rückkehr ist doch recht ungewiss. Damit überhaupt eine Chance darauf besteht, wird sich vieles ändern müssen. Wie die Zukunft aussehen könnte, haben im abgelaufenen Jahr progressive Gastgeber schon gezeigt.
Klaus Winter vom Strandhaus Lindau zum Beispiel positioniert sich im neuen Jahr als besonders attraktiver Arbeitgeber, indem er sein Restaurant am Wochenende komplett zulässt. Und damit
ein Hauptargument,
das gegen den Beruf in Küche und Service spricht, zu neutralisieren: nämlich dann arbeiten zu müssen, wenn alle anderen frei haben. Küchenchefs wie etwa Dominik Manz vom Jägerhaus Sulmingen setzten indes radikal auf kleine Teams, die sich fast nur auf Familie und Partner stützen. Dafür muss der Gast mit reduzierten Öffnungszeiten leben – und einer Karte, die im Fall von Manz auf zwei Vor- und Nachspeisen und drei Hauptgerichte begrenzt ist. Diese aber alle paar Wochen gewechselt wird, um spannend zu bleiben.
Besternte Häuser wie das Casla in Meersburg begegnen den Problemen und Unberechenbarkeiten der Gastronomie mit dem Versuch, den Gast zu einer gewissen Berechenbarkeit zu motivieren. Das bedeutet, dass die Feinschmecker bereits bei der Reservierung durchgeben sollen, welches Menü sie denn beim Besuch wünschen. Ein Konzept, das zwar einerseits die Spontanität ausbremst – andererseits ein dickes Nachhaltigkeitsplus bedeutet. Denn wenn die
Küche im Voraus weiß, was gegessen wird, muss sie nicht alles Mögliche bevorraten, von dem große Teile dann im Müll landen, weil sie am Ende noch nicht bestellt werden.
Was sich immer weiter fortsetzt, ist die Spaltung der Restaurants in solche, die zu hohen Preisen gutes und handgemachtes Essen anbieten. Und Wirtschaften, die fast nur noch Tüten-, Tiefkühl- und Fertigessen verramschen. Außerdem Konzepte der Systemgastronomie, die keine Fachkräfte brauchen. Es wäre allerdings unehrlich, diese Wandlungsprozesse allein Corona zuzuschreiben. Die Pandemie hat Entwicklungen lediglich beschleunigt und zugespitzt.
Die Sehnsucht, gesellig Gast sein zu dürfen, ist aber trotzdem nicht totzukriegen. Sie ist in uns Menschen angelegt. Und mit ein bisschen Glück, dürfen wir 2022 darauf hoffen, doch wieder mehr von diesem Gefühl ausleben zu können. Das wünsche ich Ihnen und mir – und vor allem den Menschen da draußen, die von Herzen Gastgeber sind.