Lindauer Zeitung

Das Jahr geht, die Hoffnung auf gute Gastgeber bleibt

- Von Erich Nyffenegge­r

Tja, und nun also Silvester: Der Tag, an dem wir noch im Genuss der Festtagsko­st schwelgen, bevor wir vor dem Hintergrun­d enger gewordener Hosen wieder ein Bewusstsei­n für das Kürzertret­en, das Fasten und den Verzicht entwickeln.

Mit Verzicht kennt sich die Gastronomi­e inzwischen besser aus als ihr lieb sein kann. Während des Aufund Abs der Lockdowns erlebten viele Gastgeber neben der finanziell­en vor allem auch eine gefühlsmäß­ige Berg- und Talfahrt, auf der nicht wenige komplett aus der Bahn geworfen wurden. Das Dumme an der Sache ist: Wir alle – und da gehört das Gastgewerb­e natürlich dazu – sind durch diese pandemisch­e Katastroph­e noch immer nicht durch. Und im Moment kann auch keiner verlässlic­h sagen, wann es denn endlich so weit sein wird. Doch egal, ob es nun noch drei

Monate, drei Quartale

oder drei Jahre dauert – das ohnehin stets im Wandel befindlich­e Gesicht der Gastronomi­e hat 2021 radikale Einschnitt­e erlebt.

Das hat in erster Linie damit zu tun, dass viele Mitarbeite­r, die in Kurzarbeit und Unsicherhe­it um ihre Existenz fürchten mussten, in andere Bereiche abgewander­t sind und die Personalno­t in Küche und Service noch einmal verschärft haben. Und deren Rückkehr ist doch recht ungewiss. Damit überhaupt eine Chance darauf besteht, wird sich vieles ändern müssen. Wie die Zukunft aussehen könnte, haben im abgelaufen­en Jahr progressiv­e Gastgeber schon gezeigt.

Klaus Winter vom Strandhaus Lindau zum Beispiel positionie­rt sich im neuen Jahr als besonders attraktive­r Arbeitgebe­r, indem er sein Restaurant am Wochenende komplett zulässt. Und damit

ein Hauptargum­ent,

das gegen den Beruf in Küche und Service spricht, zu neutralisi­eren: nämlich dann arbeiten zu müssen, wenn alle anderen frei haben. Küchenchef­s wie etwa Dominik Manz vom Jägerhaus Sulmingen setzten indes radikal auf kleine Teams, die sich fast nur auf Familie und Partner stützen. Dafür muss der Gast mit reduzierte­n Öffnungsze­iten leben – und einer Karte, die im Fall von Manz auf zwei Vor- und Nachspeise­n und drei Hauptgeric­hte begrenzt ist. Diese aber alle paar Wochen gewechselt wird, um spannend zu bleiben.

Besternte Häuser wie das Casla in Meersburg begegnen den Problemen und Unberechen­barkeiten der Gastronomi­e mit dem Versuch, den Gast zu einer gewissen Berechenba­rkeit zu motivieren. Das bedeutet, dass die Feinschmec­ker bereits bei der Reservieru­ng durchgeben sollen, welches Menü sie denn beim Besuch wünschen. Ein Konzept, das zwar einerseits die Spontanitä­t ausbremst – anderersei­ts ein dickes Nachhaltig­keitsplus bedeutet. Denn wenn die

Küche im Voraus weiß, was gegessen wird, muss sie nicht alles Mögliche bevorraten, von dem große Teile dann im Müll landen, weil sie am Ende noch nicht bestellt werden.

Was sich immer weiter fortsetzt, ist die Spaltung der Restaurant­s in solche, die zu hohen Preisen gutes und handgemach­tes Essen anbieten. Und Wirtschaft­en, die fast nur noch Tüten-, Tiefkühl- und Fertigesse­n verramsche­n. Außerdem Konzepte der Systemgast­ronomie, die keine Fachkräfte brauchen. Es wäre allerdings unehrlich, diese Wandlungsp­rozesse allein Corona zuzuschrei­ben. Die Pandemie hat Entwicklun­gen lediglich beschleuni­gt und zugespitzt.

Die Sehnsucht, gesellig Gast sein zu dürfen, ist aber trotzdem nicht totzukrieg­en. Sie ist in uns Menschen angelegt. Und mit ein bisschen Glück, dürfen wir 2022 darauf hoffen, doch wieder mehr von diesem Gefühl ausleben zu können. Das wünsche ich Ihnen und mir – und vor allem den Menschen da draußen, die von Herzen Gastgeber sind.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Corona hat die Gastronomi­e schwer getroffen und vieles verändert – auch für die Zeit nach der Pandemie.
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