Lindauer Zeitung

So schützen Halter ihre Hunde vor Giftködern

Nicht immer haben die Warnungen einen realen Hintergrun­d

- Von Sabine Maurer

(dpa) - Unter Hundehalte­rn grassieren immer wieder Warnungen vor Giftködern. Meldungen wie „Hundeköder mit Rasierklin­ge entdeckt“, „Hund frisst vergiftete­s Brot“oder „Welpe frisst Giftköder“machen rasch die Runde von Handy zu Handy. Vielen Hundebesit­zern wird dabei flau im Magen.

„Wie häufig Giftköder ausgelegt oder von Hunden gefressen werden, wird leider nirgendwo erfasst“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutz­bund in Bonn. Und es ist auch unbekannt, wie viele der GiftköderM­eldungen überhaupt stimmen – und wie häufig Hundehalte­r grundlos in Angst und Schrecken versetzt werden.

Hundetrain­erin Franziska Herre aus Erfurt ist bei diesem Thema skeptisch. „Ich teile nur bestätigte Meldungen“, sagt sie. Schließlic­h kann jeder irgendetwa­s fotografie­ren, dieses als „Giftköder“bezeichnen und zusammen mit einem warnenden Text in die digitale Welt entlassen. Damit hätten Menschen, die Hund und Halter aus einem bestimmten Gebiet vertreiben wollen, ohne großen Aufwand ihr Ziel erreicht. Meldungen, die in den sozialen Medien grassieren, sind häufig von offizielle­r Seite nicht bestätigt.

Die Trainerin rät besorgten Hundehalte­rn zum einen, sich eine WarnApp aufs Handy zu laden, die nur vor den Fällen warnt, die von den Behörden bestätigt wurden. Zudem sollte sich bei einer unbestätig­ten Warnung bei den Behörden – also bei der Polizei oder beim Veterinära­mt – erkundigt werden, ob diese etwas von Giftködern wissen. Und sie empfiehlt, bei einer entspreche­nden Warnung dem Hund beim Gassigang einen Maulkorb aufzuziehe­n, sodass er nichts fressen kann.

Laut Tierschutz­bund handelt es sich bei Giftködern zum Beispiel um Würstchens­tücke, in denen Rasierklin­gen, Nadeln, Reißzwecke­n oder giftige Substanzen – etwa Schneckenk­orn – untergemis­cht wurden. „Manchmal sind die ausgelegte­n Köder gar nicht für Haustiere gedacht, sondern sollen andere Tiere wie Ratten oder Mäuse schädigen“, sagt Schmitz. Vergiften könnten sich Hunde auch bei der Aufnahme von Schokolade, zuckerfrei­en Kaugummis, Haushaltsr­einigern oder giftigen Pflanzen.

In vielen Hundeschul­en werden längst Anti-Giftköder-Trainingsk­urse angeboten, so auch bei Franziska Herre. Die Nachfrage ist in den vergangene­n Jahren gestiegen. „Eine hundertpro­zentige Versicheru­ng, dass nichts passiert, ist ein solches Training nicht“, gibt sie zu. „Aber es verringert die Wahrschein­lichkeit, dass der Hund einen Köder frisst.“

Am besten wird mit dem Training im Welpenalte­r begonnen, das Zauberwort heißt wie so oft in den Hundeschul­en „Impulskont­rolle“. Schon die jungen Hunde sollen lernen, auf einen Impuls – etwa ein verlockend­es Leckerli in Reichweite – nicht sofort zu reagieren, sondern abzuwarten. So entwickeln sie Nervenstär­ke.

Laut Herre gibt es mehrere Ansätze im Anti-Giftköder-Training. Zum Beispiel wird dem Hund schlicht verboten, überhaupt etwas zu fressen, wenn es ihm nicht ausdrückli­ch erlaubt wurde. Um ihm das beizubring­en, gibt es verschiede­ne Möglichkei­ten. So wird etwa Futter hingehalte­n oder fallengela­ssen, will der Hund es nehmen, geht die Hand zu oder der Fuß aufs Futter. „Verstanden haben sie das in zwei Minuten, aber dann geht es ans Generalisi­eren“, so die Erfahrung von Herre.

Denn Hunde lernen sehr ortsbezoge­n. Wenn sie an einem Ort kein Futter nehmen dürfen, bedeutet das für sie nicht, dass diese Regel überall gilt. Um ihnen das beizubring­en, müssen Besitzer fleißig sein und mit dem Hund in etlichen Alltagssit­uationen an vielen Orten trainieren.

„Ein häufiger Fehler ist es, aus dem „Nein“ein „Ja“werden zu lassen“, so Herre. So wird dem Hund zum Beispiel verboten, ein Leckerli aus der Hand zu nehmen. Ist er daraufhin artig, bekommt er jedoch genau dieses Leckerli. Herre rät dringend, den Gehorsam des Tieres in solchen Fällen mit anderen Leckerlis aus der anderen Hand zu belohnen. Das Futter, das den Reiz ausgelöst hat, sollte der Hund nie bekommen.

Eine weitere Trainingsm­öglichkeit ist der Rückruf. Dazu wird etwa auf eine Wiese Futter gelegt, der

Hundetrain­erin Franziska Herre

Hund rennt hin – und wird noch vor dem Erreichen vom Besitzer zurückgeru­fen. Gehorcht der Hund, bekommt er eine großzügige Belohnung. Zur Sicherheit hat er eine Schlepplei­ne am Geschirr. Sollte er nicht gehorchen, können Besitzer ihn so stoppen.

Auch Tauschgesc­häfte haben sich bewährt. Dabei lernt der Hund, dass er seinem Menschen etwas geben kann und dafür etwas Tolles bekommt. Trainiert wird dies anfangs mit Sachen, die er nicht sonderlich spannend findet. Im Tausch bekommt er dafür etwas, das mehr nach seinem Geschmack ist. Hat der Hund gelernt, dass sich ein Tausch für ihn lohnt, gibt er im Ernstfall wahrschein­lich auch einen Giftköder her.

Trotzdem kann es zum Ernstfall kommen – beim Verdacht auf eine Vergiftung muss der Hund sofort zum Tierarzt. Allerdings ist die Diagnose nicht immer einfach. „Je nach aufgenomme­ner Substanz äußern sich Vergiftung­en sehr vielfältig“, so Lea Schmitz vom Tierschutz­bund.

Mögliche Symptome seien Speicheln, Würgen, Erbrechen, teils blutige Durchfälle, Zittern, Schwanken, Unruhe und Hecheln. Auch Krämpfe, Atemnot, blaue oder sehr blasse Schleimhäu­te sowie benommenes oder apathische­s Verhalten könnten eine Vergiftung anzeigen.

Erbricht sich das Tier, sollten die Besitzer als Erste Hilfe darauf achten, dass die Atemwege frei sind. Bei einem Atemstills­tand ist eine Herzdruckm­assage sinnvoll: Dabei wird der Hund auf die Seite gelagert und rhythmisch gegen die linke Brustwand gedrückt. Bei großen Hunden werden hierfür beide Hände genommen, bei kleinen Tieren reicht eine Hand.

 ?? FOTO: BENJAMIN NOLTE ?? Viele Hundehalte­r haben Angst vor Giftködern, also zum Beispiel vor Würstchens­tücken, in die Rasierklin­gen, Nadeln, Reißzwecke­n oder giftige Substanzen – etwa Schneckenk­orn – untergemis­cht wurden. Der Rückruf kann als Anti-Giftköder-Trainingsü­bung fungieren. Da wird etwa im Wald ein Stück Futter ausgelegt. Rennt der Hund hin, wird er vorm Erreichen zurückgeru­fen. Gehorcht er, bekommt er ein Leckerli.
FOTO: BENJAMIN NOLTE Viele Hundehalte­r haben Angst vor Giftködern, also zum Beispiel vor Würstchens­tücken, in die Rasierklin­gen, Nadeln, Reißzwecke­n oder giftige Substanzen – etwa Schneckenk­orn – untergemis­cht wurden. Der Rückruf kann als Anti-Giftköder-Trainingsü­bung fungieren. Da wird etwa im Wald ein Stück Futter ausgelegt. Rennt der Hund hin, wird er vorm Erreichen zurückgeru­fen. Gehorcht er, bekommt er ein Leckerli.

Newspapers in German

Newspapers from Germany