Justiz ermittelt gegen Laupheimer Ärztin
Online-Bescheinigungen über angebliche Impfunfähigkeit alarmieren Medizinerverbände
- Gegen Geld mit ein paar Klicks einer möglichen Impfpflicht entgehen: Das entsprechende Angebot eines Online-Portals wird gerade als heißer Tipp unter Impfgegnern herumgereicht. Eine Ärztin aus Laupheim steht hinter dem Angebot, das nun ein Fall für die Justiz wird. Zuerst hatte „Tagesschau.de“darüber berichtet.
Marianne Müller ist unter Impfgegnern und Gegnern der staatlichen Corona-Maßnahmen keine Unbekannte. Zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr ist die 62-Jährige als Spitzenkandidatin der Partei „Die Basis“in Baden-Württemberg angetreten, die sich im Zuge der Proteste gegen die staatliche Corona-Politik gebildet hatte. Müller bezeichnete diese damals als „Architektur der Unterdrückung“.
Gleichgesinnten bietet sie nun einen vermeintlichen Ausweg aus einer Impfpflicht – die bislang nur für bestimmte Berufsgruppen beschlossen wurde – an: Die Ausstellung eines Impfunfähigkeitsnachweises. Und zwar, ohne die entsprechende Person je gesehen zu haben oder auch nur zu kennen.
„Bist du überhaupt impffähig?“heißt es in großen Buchstaben auf dem entsprechenden Online-Portal – wobei die Betreiber keinen Hehl aus ihrer eigenen Überzeugung machen. Eine Bescheinigung, nicht impffähig zu sein „nimmt dir den Druck“, heißt es werbend auf der Internetseite. Wer 17,94 Euro überweist, muss einen Impfstoff wählen und dann die Frage beantworten, ob er auf einen der angezeigten Inhaltsstoffe allergisch reagieren würde.
Schon die Antwort „das kann ich nicht ausschließen“oder „ich bin mir nicht sicher“reicht – der Nutzer bekommt die automatisch erstellte „Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit“, die nach Angaben des Portals für sechs Monate gültig ist. Weder werden die Angaben des Nutzers überprüft, noch wird auf mögliche alternative Impfstoffe hingewiesen. Unter den Bescheinigungen steht der Name der Laupheimer Ärztin Müller.
Sowohl die Landesärztekammer Baden-Württemberg als auch die Landesärztekammer in Niedersachsen, in deren Einzugsgebiet die Firma niedergelassen ist, die die Website betreibt, halten das Angebot für rechtswidrig. Beide haben die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften
eingeschaltet, wie die Kammern auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilen. Nach Angaben von Thomas Spieker, Sprecher der Ärztekammer Niedersachsen, ermittelt die Staatsanwaltschaft Stade bereits gegen die „vermeintliche Ärztin“. „Eine derartige ,Bescheinigung‘ ist in keiner Weise mit einem gewissenhaften ärztlichen Handeln vereinbar“, so Spieker.
Oliver Erens, Sprecher der Landesärztekammer in Baden-Württemberg, weist darauf hin, dass das „Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ein Straftatbestand ist. Danach werden Ärzte, die ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellen, mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Strafbar ist demnach auch die Nutzung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses – dafür sieht das Strafgesetzbuch bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe vor. Die „Schwäbische Zeitung“hat die Staatsanwaltschaften in Stade und in Ulm um Stellungnahme gebeten, zunächst jedoch noch keine Antwort erhalten.
Marianne Müller hat eigenen Angaben zufolge seit 1997 als Allgemeinmedizinerin eine Arztpraxis in Laupheim
betrieben, diese 2011 aber wieder aufgegeben. Sie ist der Ansicht, das Online-Angebot sei komplett legal und legitim. „Ich habe das von meinen Anwälten prüfen lassen“, sagt sie auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Von der Staatsanwaltschaft habe sie in der Sache noch nichts gehört.
Die baden-württembergische Landesärztekammer hatte sich bereits in der Vergangenheit klar von Kollegen distanziert, die Gefahren der Corona-Pandemie herunterspielen. „Diese Ärztinnen und Ärzte äußern sich unter anderem dahingehend, dass sie Covid-19 als ungefährlich deklarieren sowie aktuelle Forschung zum Virus und die Sinnhaftigkeit von Impfungen infrage stellen“, heißt es in der Stellungnahme der Kammer. Es handle sich dabei um persönliche Einzelmeinungen. Die große Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg empfinde „das Verdrehen der Wirklichkeit“als Zumutung – „insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie selbst die Corona-Gefahr tagtäglich miterleben, mit erhöhtem Ansteckungsrisiko konfrontiert sind und nicht nur Patienten, sondern auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich vor dem Virus schützen müssen und wollen“.