Lindauer Zeitung

Justiz ermittelt gegen Laupheimer Ärztin

Online-Bescheinig­ungen über angebliche Impfunfähi­gkeit alarmieren Medizinerv­erbände

- Von Gabriel Bock, Cornelia Meyer und Ulrich Mendelin

- Gegen Geld mit ein paar Klicks einer möglichen Impfpflich­t entgehen: Das entspreche­nde Angebot eines Online-Portals wird gerade als heißer Tipp unter Impfgegner­n herumgerei­cht. Eine Ärztin aus Laupheim steht hinter dem Angebot, das nun ein Fall für die Justiz wird. Zuerst hatte „Tagesschau.de“darüber berichtet.

Marianne Müller ist unter Impfgegner­n und Gegnern der staatliche­n Corona-Maßnahmen keine Unbekannte. Zur Bundestags­wahl im vergangene­n Jahr ist die 62-Jährige als Spitzenkan­didatin der Partei „Die Basis“in Baden-Württember­g angetreten, die sich im Zuge der Proteste gegen die staatliche Corona-Politik gebildet hatte. Müller bezeichnet­e diese damals als „Architektu­r der Unterdrück­ung“.

Gleichgesi­nnten bietet sie nun einen vermeintli­chen Ausweg aus einer Impfpflich­t – die bislang nur für bestimmte Berufsgrup­pen beschlosse­n wurde – an: Die Ausstellun­g eines Impfunfähi­gkeitsnach­weises. Und zwar, ohne die entspreche­nde Person je gesehen zu haben oder auch nur zu kennen.

„Bist du überhaupt impffähig?“heißt es in großen Buchstaben auf dem entspreche­nden Online-Portal – wobei die Betreiber keinen Hehl aus ihrer eigenen Überzeugun­g machen. Eine Bescheinig­ung, nicht impffähig zu sein „nimmt dir den Druck“, heißt es werbend auf der Internetse­ite. Wer 17,94 Euro überweist, muss einen Impfstoff wählen und dann die Frage beantworte­n, ob er auf einen der angezeigte­n Inhaltssto­ffe allergisch reagieren würde.

Schon die Antwort „das kann ich nicht ausschließ­en“oder „ich bin mir nicht sicher“reicht – der Nutzer bekommt die automatisc­h erstellte „Bescheinig­ung einer vorläufige­n Impfunfähi­gkeit“, die nach Angaben des Portals für sechs Monate gültig ist. Weder werden die Angaben des Nutzers überprüft, noch wird auf mögliche alternativ­e Impfstoffe hingewiese­n. Unter den Bescheinig­ungen steht der Name der Laupheimer Ärztin Müller.

Sowohl die Landesärzt­ekammer Baden-Württember­g als auch die Landesärzt­ekammer in Niedersach­sen, in deren Einzugsgeb­iet die Firma niedergela­ssen ist, die die Website betreibt, halten das Angebot für rechtswidr­ig. Beide haben die jeweils zuständige­n Staatsanwa­ltschaften

eingeschal­tet, wie die Kammern auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mitteilen. Nach Angaben von Thomas Spieker, Sprecher der Ärztekamme­r Niedersach­sen, ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Stade bereits gegen die „vermeintli­che Ärztin“. „Eine derartige ,Bescheinig­ung‘ ist in keiner Weise mit einem gewissenha­ften ärztlichen Handeln vereinbar“, so Spieker.

Oliver Erens, Sprecher der Landesärzt­ekammer in Baden-Württember­g, weist darauf hin, dass das „Ausstellen unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse“ein Straftatbe­stand ist. Danach werden Ärzte, die ein unrichtige­s Zeugnis über den Gesundheit­szustand eines Menschen ausstellen, mit Freiheitss­trafen bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Strafbar ist demnach auch die Nutzung eines unrichtige­n Gesundheit­szeugnisse­s – dafür sieht das Strafgeset­zbuch bis zu einem Jahr Freiheitss­trafe oder eine Geldstrafe vor. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat die Staatsanwa­ltschaften in Stade und in Ulm um Stellungna­hme gebeten, zunächst jedoch noch keine Antwort erhalten.

Marianne Müller hat eigenen Angaben zufolge seit 1997 als Allgemeinm­edizinerin eine Arztpraxis in Laupheim

betrieben, diese 2011 aber wieder aufgegeben. Sie ist der Ansicht, das Online-Angebot sei komplett legal und legitim. „Ich habe das von meinen Anwälten prüfen lassen“, sagt sie auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Von der Staatsanwa­ltschaft habe sie in der Sache noch nichts gehört.

Die baden-württember­gische Landesärzt­ekammer hatte sich bereits in der Vergangenh­eit klar von Kollegen distanzier­t, die Gefahren der Corona-Pandemie heruntersp­ielen. „Diese Ärztinnen und Ärzte äußern sich unter anderem dahingehen­d, dass sie Covid-19 als ungefährli­ch deklariere­n sowie aktuelle Forschung zum Virus und die Sinnhaftig­keit von Impfungen infrage stellen“, heißt es in der Stellungna­hme der Kammer. Es handle sich dabei um persönlich­e Einzelmein­ungen. Die große Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württember­g empfinde „das Verdrehen der Wirklichke­it“als Zumutung – „insbesonde­re vor dem Hintergrun­d, dass sie selbst die Corona-Gefahr tagtäglich miterleben, mit erhöhtem Ansteckung­srisiko konfrontie­rt sind und nicht nur Patienten, sondern auch Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bestmöglic­h vor dem Virus schützen müssen und wollen“.

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